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Die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907

von Markus Bredendiek
(1994)

VORBEMERKUNGEN

1. VORGESCHICHTE UND ZUSTANDEKOMMEN DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ           
1.1. Das „Zarenmanifest“ vom 24. August 1898
1.1.1. Die Reaktionen in der deutschen Regierungsebene auf die Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“ vom 24. August 1898
1.1.2. Die Reflexionen in der deutschen Öffentlichkeit auf die Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“
1.1.2.1. Die „Zustimmenden“
1.1.2.2. Die „Skeptiker“
1.1.2.3. Die Sozialdemokratie
1.1.2.4. Die deutsche Öffentlichkeit außerhalb der Tagespresse

2. DER VERLAUF DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ
2.1. Die Arbeitsorganisation der ersten Haager Konferenz
2.1.1. Instruktionen und Haltung der deutschen Regierung zu den Verhandlungen auf der ersten Hager Konferenz    
2.1.2. Die Berichterstattung in der deutschen Öffentlichkeit zu den Verhandlungen auf der ersten Haager Konferenz
 
3. DIE BESCHLÜSSE DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ
3.1. Wertung der Beschlüsse der ersten Haager Konferenz durch die deutsche Regierung
3.2. Wertung der Beschlüsse der ersten Haager Konferenz in der deutschen Öffentlichkeit

4. VORBEREITUNG UND EINBERUFUNG DER ZWEITEN HAAGER KONFERENZ
4.1. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit vor der Eröffnung der zweiten Haager Konferen

5. DIE ZWEITE HAAGER KONFERENZ
5. 1. Die Verhandlungen auf der zweiten Haager Konferenz
5.2. Die Stellung der deutschen Öffentlichkeit zur zweiten Haager Konferenz
5.2.1. Die Schiedsgerichtsfrage in der öffentlichen Auseinandersetzung
5.2.2. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über die Fragen des Seerechts
5.2.3. Die Reflexionen der deutschen Öffentlichkeit über die Abrüstungsfrage auf der zweiten Haager Konferenz       
5.2.4. Die Behandlung der zweiten Haager Konferenz in den Zeitschriften des Deutschen Reiches
5.2.5. Die Stellung der Sozialdemokratie zu Fragen des Militarismus auf dem Stuttgarter Kongreß der sozialistischen Internationale 1907

6. DIE ERGEBNISSE DER ZWEITEN HAAGER KONFERENZ
6.1 Die Bewertung der Ergebnisse der zweiten Haager Konferenz durch die deutsche Öffentlichkei

7. ZUSAMMENFASSUNG

8. LITERATUR

9. ANLAGEN

 


VORBEMERKUNGEN

Die Idee für diese Arbeit entstand in einem Spezialseminar bei Prof. Dr. Konrad Canis an der Humboldt - Universität zu Berlin, das sich mit dem Übergang des Deutschen Reiches zur Weltpolitik Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte. Als eine immer wieder auftauchende Frage stellte sich in diesem Seminar das Problem der Veranschaulichung und Ermittlung von öffentlicher bzw. veröffentlichter Meinung im Deutschen Reich zu dieser Zeit heraus. Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es, für einen begrenzten Zeitabschnitt, die öffentlichen Reaktionen deutscher Zeitungen und Zeitschriften darzustellen und zu analysieren. Als Gegenstand dafür wurde das Umfeld der Haager Konferenzen von 1899 bzw. 1907 gewählt, da gerade zu dieser Thematik nur vereinzelte Stimmen der Zeitgenossen bekannt sind. Um einen Zugang in die Problematik zu bekommen, ist es jedoch nötig einige allgemeine Bemerkungen an den Beginn der Arbeit zu stellen.
Als ein wirksames Mittel zur Präsentation von politischen Meinungen hatte sich nach 1870 in Deutschland die Massenverbreitung der Tagespresse herausgebildet. Im Deutschen Reich konnte die Presse nach der Verabschiedung der Pressegesetze von 1874 ohne Zensurbeschränkungen erscheinen. Durch technische Neuerungen war man außerdem in der Lage, Tageszeitungen in Auflagen von über 100.000 Stück zu erzeugen und zu vertreiben. Dieser Fortschritt ermöglichte es in kürzester Zeit, einen großen Kreis von Personen zu erreichen und, wenn man sich vor Augen hält, daß die Möglichkeiten der Informationserlangung zur damaligen Zeit sehr begrenzt waren, zu beeinflussen. Die Beeinflussungsmöglichkeit der Zeitgenossen darf dabei jedoch nicht als Hauptzweck der Zeitungen und Zeitschriften verstanden werden. In erster Linie sollte durch die Veröffentlichung von Informationen einem Grundbedürfnis der Menschen Rechnung getragen werden. Dabei war es gleichzeitig aber auch möglich Anschauungen, ethischer, religiöser, parteipolitischer, wirtschaftspolitischer oder auch interessenbedingter Art, in die Betrachtungen von Zeitereignissen einfließen zu lassen und somit Vorstellungen und Ziele der Herausgeber der Tageszeitungen einer breiten Masse zu präsentieren. Ob diese in den Zeitungen veröffentlichten Überlegungen vom Leser angenommen worden sind, läßt sich heute nur vermuten, feststeht jedoch, daß es in Deutschland, für den hier zu betrachtenden Zeitraum, mehrere große Tageszeitungen gab, die vor allem parteipolitisch geprägt waren und parteipolitische Ziele verfolgten.
Um einen repräsentativen Querschnitt für die Haltung der deutschen Öffentlichkeit zu erhalten, wurden für diese Arbeit Tageszeitungen von allen großen politischen Parteien untersucht: 1. für die Sozialdemokratische Partei der „Vorwärts“; 2. für das liberale Spektrum der deutschen Gesellschaft die „Freisinnige Zeitung“, die „Vossische Zeitung“ und das „Berliner Tageblatt“; 3. für die Vertreter des Katholizismus die „Germania“ und 4. für die konservativen Gruppen der deutschen Gesellschaft die „Neue Preussische Zeitung“. Neben den Tageszeitungen wurde die Auseinandersetzung zu tagespolitisch relevanten Fragen aber auch in den periodisch erscheinenden Zeitschriften geführt. Um auch diesen Bereich repräsentativ abzudecken, wurden folgende Periodika in die Betrachtung eingeschlossen: die „Preußischen Jahrbücher“, die „Deutsche Rundschau“, die „Deutsche Revue“, die „Neue Zeit“, „Nord und Süd“, die „Zukunft“, der „Kladderadatsch“, die „Allgemeine Evangelisch - Lutherische - Kirchenzeitung“, die „Christliche Welt“, „Die Hilfe“ und andere kleinere und größere Monatsschriften.  Da ein quantitativ vernünftiger Rahmen der Arbeit eingehalten werden sollte, wurde teilweise auf eine Nebeneinanderstellung der einzelnen Standpunkte verzichtet. Nur dort, wo es geboten erschien, wies der Verfasser in der Darstellung, auf stark differierende Aussagen hin. Im Verlauf der Analyse ergab sich jedoch eine teilweise so große Vielfalt der Anschauungen, daß eine breitere Wiedergabe unumgänglich erschien. Aus diesem Grund wurde mehrfach darauf verzichtet, die Quellen mit eigenen Formulierungen wiederzugeben.

Von deutscher Regierungsseite wurden die Möglichkeiten zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung erst relativ spät erkannt. Bis etwa 1890 wurde die offiziöse Presse fast ausschließlich genutzt, um dem Ausland Regierungspositionen zu bestimmten Ereignissen, außerhalb der diplomatischen Kanäle, zu signalisieren. Meister auf diesem Gebiet war ohne Zweifel bereits Otto von Bismarck , seine virtuose Behandlung der Presse kam vielfach zum Tragen, erwähnt werden soll hier nur die „Emser Depesche“ von 1870 und die Auslösung der „Krieg in Sicht Krise“ von 1875. Erst nach seinem Abgang 1890 erfolgte eine teilweise Umorientierung der regierungsamtlichen Pressepolitik. Folgt man den Ausführungen von Otto Hammann, dem ehemaligen Chef des Presseamtes, so wandte sich jetzt die Pressepolitik der Regierung mehr innenpolitischen Problemen zu, um diese zu steuern. Dabei fiel weiterhin auf, daß zeitgleich auch von den protestantischen Kirchen in Deutschland die Arbeit an der Presse als ein wichtiges Feld zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Deutschland erkannt und zielgerichtet ausgebaut wurde.

Will man die Haltung der „öffentlichen Meinung“ in Deutschland zu bestimmten Tagesereignissen feststellen, so tritt einem die große Schwierigkeit des Unterfangens vor Augen. Wer vertrat in Deutschland „die“ öffentliche Meinung? Und wie ist sie verifizierbar? In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über diese Problematik läßt sich grob eine Unterscheidung treffen, die den Gegenstand zu erklären hilft. Im Kaiserreich verstand man, folgt man Ferdinand Tönnies, unter öffentlicher Meinung zweierlei: 1. gab es die „eigentliche Öffentlichkeit“, die von exponierten Vertretern des deutschen Bildungsbürgertums in Zeitschriften und teilweise auch in Zeitungen vertreten wurde, und 2. die „uneigentliche Öffentlichkeit“, die in den Tageszeitungen von den Redakteuren veröffentlicht wurden, wobei meist den parteipolitischen Vorgaben gefolgt wurde. Diese schematische Einteilung entsprach durchaus auch der Selbsteinschätzung der Zeitgenossen. Tiefergehende Diskussionen über relevante Tagesfragen spielten sich deshalb nicht so sehr in der Tagespresse ab, als vielmehr in den periodisch erscheinenden Zeitschriften. Zu den bedeutendsten Zeitschriften im Deutschen Reich gehörten zweifelsohne die von Hans Delbrück herausgegebenen „Preußischen Jahrbücher“, die von Maximilian Harden redigierte „Zukunft“ und  „Die Hilfe“ von Friedrich Naumann. Aber auch in anderen Zeitschriften wurden zu tagespolitisch relevante Fragen Überlegungen geäußert und Antworten gesucht. Dabei kam es jedoch den Zeitschriften nicht immer darauf an, den Lesern fertige Lösungen zu präsentieren, als vielmehr eine Diskussion in Gang zu bringen, bei der möglichst viele Ansichten geäußert wurden. Geht man nun davon aus, daß diese Zeitschriften von den „Multiplikatoren“, d.h. Lehrern, Pfarrern, Professoren, Beamten usw., gelesen wurden, so ist die dadurch erzielte Fernwirkung von nicht zu unterschätzender Tragweite. Diese Fernwirkung kann jedoch nur sehr schwer nachgezeichnet werden, war aber zweifellos vorhanden. (So gab es z.B. zur Jahrhundertwende im Deutschen Reich eine Vielzahl von Lesezirkeln, in denen Zeitschriften gehalten wurden, die für den einzelnen zu teuer, in der Gemeinschaft aber erschwinglich waren. ) Letztendlich kann für diese Arbeit als verifizierbare öffentliche Meinung nur gelten, was in schriftlichen Quellen (Zeitungen, Zeitschriften) überliefert wurde. Andere von Zeitgenossen später vorgetragenen Meinungen, z.B. in Memoiren, stellen dagegen meist eine teilweise verzerrte, subjektive Sicht auf die Ereignisse dar und sind somit nur bedingt brauchbar, zur Wiedergabe von öffentlichen Meinungen für einen bestimmten Zeitabschnitt.

In dieser hier vorliegenden Arbeit soll nun anhand von Tageszeitungen und periodisch erscheinenden Zeitschriften dargestellt werden, welche Bedeutung den beiden Haager Konferenzen in der deutschen Öffentlichkeit beigemessen wurde.

Die Literaturlage zum behandelnden Thema ist eher unbefriedigend. Es liegt keine Untersuchung vor, die explizit auf die Reaktion in der deutschen Öffentlichkeit zu den beiden Haager Konferenzen eingeht. Zu den Konferenzen ist nach 1945 nur eine Monographie von Jost Dülffer erschienen. Andere, sich mit der Friedensbewegung in Deutschland beschäftigende, Werke, wie die z.B. von Friedrich-Karl Scheer oder Dieter Riesenberger , behandeln das Thema eher peripher. Ausgehend von dieser schlechten Lage der Sekundärliteratur erschien es geboten, neben den Tageszeitungen und den anderen Druckerzeugnissen, auch auf zeitgenössische Literatur zurückzugreifen. Als besonders wertvoll erwiesen sich dabei - neben anderen - die Abhandlungen von Philipp Zorn und Alfred Hermann Fried .


1. VORGESCHICHTE UND ZUSTANDEKOMMEN DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ

1.1. Das „Zarenmanifest“ vom 24. August 1898

 

Am 24. August 1898 überreichte der russische Außenminister Murawjew an die Vertreter der Botschaften in Petersburg ein Memorandum, das als „Zarenmanifest“ in die Geschichte eingegangen ist. In dieser Denkschrift lud der Zar zu einer Konferenz ein, auf der „die wirksamsten Mittel zu suchen (wären), um allen Völkern die Wohlthaten wahren und dauerhaften Friedens zu sichern und vor allem der fortschreitenden Entwicklung der gegenwärtigen Rüstungen ein Ziel zu setzen“.
Die Einladung zu derartigen Verhandlungen kam für die Weltöffentlichkeit völlig unerwartet und überraschend. Die Gründe für die Veröffentlichung sind bis heute noch immer nicht vollständig geklärt und lassen sich wohl auch nicht auf eine Ursache verkürzen. War 1898 die Zeit, wie es in der Denkschrift behauptet wurde, „wirklich reif“ für eine solche Konferenz? Oder befand sich das Zarenreich nicht vielmehr in einer innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Systemkrise, die es zu einem solchen außergewöhnlichen Schritt zwang? Weiterhin stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die persönlichen teilweise philanthropischen Vorstellungen des jungen Zaren für das Zustandekommen diese Einladung hatten.
Für die Einberufung dieser Konferenz durch Rußland läßt sich ein Konglomerat verschiedenster Gründe konstatieren:
Erstens befand sich die russische Diplomatie wegen seiner Chinapolitik Ende des 19. Jahrhunderts außenpolitisch in der Enge. Bei der Besetzung des Hafen Port Arthur und den nachfolgenden Verhandlungen über Abgrenzungen von Interessenssphären in China, kam es aufgrund einer Konzession für ein englisches Syndikat, zum Aufbau einer Eisenbahnlinie im Hinterland des Hafens, zu ernsthaften Spannungen zwischen England und Rußland. Militärisch war man russischerseits 1898 aber nicht in der Lage, einen Krieg gegen das Empire zu führen. Warum also sollte Rußland nicht durch diesen Appell an die Weltöffentlichkeit, den Versuch unternommen haben, im fernöstlichen Raum Zeit zu gewinnen?
Ebensowenig war man in Petersburg vom Scheitern der deutsch - englischen Bündnisverhandlungen von 1898 überzeugt, fanden doch zeitgleich in London Gespräche über die Zukunft der portugiesischen Kolonien statt, die dann auch am 28. August 1898 zu einem Geheimabkommen zwischen Deutschland und England führten. Dabei hätte das „Zarenmanifest“ jedoch eher ein - nicht gerade geschicktes - Ablenkungsmanöver dargestellt.
Zweitens könnte man in der Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“ auch eine Art taktischen „Versuchsballon“, mit Blick auf eventuell kommenden internationale Konflikte sehen, der von der russischen Diplomatie „gestartet“ wurde, um sich bei einer Ablehnung, jederzeit im Ausland als Protagonist des Friedens und der Verständigung darstellen zu können.
Drittens ist ohne die persönliche Motivation des Zaren Nikolaus II., die Veröffentlichung des Manifestes nicht vorstellbar. 1894 kam er im Alter von 25 Jahren auf den Thron und regierte das Reich autokratisch bzw. nur mit der  Beratung seiner Minister und der Kamarilla. Setzt man bei Nikolaus II. ein ähnliches Sendungsbewußtsein wie bei Wilhelm II. voraus, dann wäre es theoretisch möglich, daß er „auch in der Außenpolitik weltweit nach Gottes Willen als Schiedsrichter über Frieden und Krieg verstanden“ werden wollte.
Als vierten möglichen Faktor für die Initiierung des Manifestes kann man die russische Wirtschaftslage zählen. Wollte man die großen Eisenbahnprojekte weiter voranbringen, so war neben einer stabilen Währung Auslandskapital von größter Bedeutung. Der 1897 erfolgte Übergang zum Goldstandard des Rubels war dazu nur ein Schritt, jedoch befand sich das Russische Reich Ende der 1890er Jahre in einer permanenten Finanzkrise. Französische Gelder waren nicht in unbegrenzter Menge zu erhalten und auch an der Berliner Börse konnten nicht uneingeschränkt Eisenbahnanleihen untergebracht werden. Um dennoch die Politik des „geborgten Imperialismus“ weiterführen zu können, mußten neue Finanzquellen erschlossen werden. Dies wäre in der Tat auch über Einsparungen im Rüstungsbereich möglich gewesen.
Als fünfter Gesichtspunkt kann die propagandistische Wirkung im Motivations­geflecht ausgemacht werden. Außenpolitisch war diese sicherlich eingeplant, wie Dülffer herausarbeitete, fraglich ist jedoch, ob eine solche auch für die russischen Innenpolitik beabsichtigt war. Sollte nämlich eine innenpolitische Wirkung erzielt werden, so müßte man voraussetzen können, daß bereits 1898 die Diskussion der Abrüstungsfrage breite russische Kreise beeinflußt hatte. Dies war dagegen nicht der Fall.
Neben diesen rein russischen Überlegungen fand auch in der europäischen Öffentlichkeit seit längerer Zeit eine breite Diskussion über Themen wie Völkerverständigung, Ausbau bzw. Fixierung des Völkerrechtes und Abrüstung statt. Obwohl diese Gruppen meist unter dem Begriff „nationale Friedensbewegungen“ subsumiert werden, darf dabei jedoch nicht übersehen werden, daß es sich dabei um äußerst heterogene nationale Gruppierungen handelte. Für Deutschland wird die Friedensbewegung vor dem ersten Weltkrieg meist mit Bertha von Suttner synonym gesetzt, was jedoch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Männer wie Ludwig Quidde, Alfred Hermann Fried, Otto Umfrid, Otfried Nippold, Walter Schücking oder Hans Wehberg verkörperten ebenso die deutsche Friedensbewegung, ohne daß jedoch ihr Anteil an der Diskussion über Ziele und Möglichkeiten der „Friedensarbeit“ immer ausreichende Berücksichtigung erfährt.
Der Gedanke an eine „Abrüstungskonferenz“ war in den 1890er Jahren wiederholt Bestandteil von Überlegungen in der europäischen Öffentlichkeit. Im englischen und französischen Parlament wurden mehrfach diesbezügliche Interpellationen eingebracht, die Weltfriedenskongresse von 1890, 1891 und 1894 forderten eine Konferenz, die sich mit Abrüstungs- und Völkerrechtsfragen beschäftigen sollte und nachdem Wilhelm II. 1890 eine Arbeiterschutzkonferenz angeregt hatte, kam das Gerücht auf, daß er gleichermaßen die Absicht hege, eine Abrüstungskonferenz einzuberufen. Auch Papst Leo XIII. wies 1894 in einem apostolischen Sendschreiben darauf hin, daß „fast alle Nationen um die Wette damit beschäftigt (wären), sich zum Kriege zu rüsten“ und „infolge von ungeheuren Ausgaben der Staatsschatz erschöpft, der Reichtum der Länder zusammenge­schmolzen und das Vermögen der einzelnen schwer geschädigt“ sei. „Wir sind bereits so weit gekommen, daß der bewaffnete Friede allgemach unerträglich geworden ist.“
Ebenso wurden in den Reihen der „Interparlamentarischen Union“ , einem Zusammenschluß von Parlamentariern einzelner nationaler Parlamente, die sich u. a. als Ziel gesetzt hatten alternative Vorstellungen zur bisherigen Konfliktregulierung Krieg zu entwickeln, Überlegungen geäußert, die eine internationale Konferenz zur Lösung von Völkerrechtsfragen beinhalteten. Dabei spielte die Errichtung eines Schiedsgerichtshofes eine herausragende Rolle.
Dieses Geflecht russischer Motive und der europäische Zeitgeist, geprägt von der Sorge um die weitere internationale Entwicklung zwischen den Großmächten, bildeten also den Hintergrund für die russische Initiative der Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“. Wie wurde nun jedoch der russische Konferenzvorschlag von der deutschen Regierung aufgenommen?

1.1.1. Die Reaktionen in der deutschen Regierungsebene auf die Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“ vom 24. August 1898

Es ist in der Diplomatiegeschichte kein Novum, wenn von staatlicher Seite öffentliche Bekundungen und interne Diskussionen und Beurteilungen zum selben Gegenstand stark voneinander abweichen. Besonders anschaulich demonstriert wird dieses bei der Bewertung der Vorschläge des Zarens durch die deutsche Regierungsebene. Da die offizielle Übergabe des „Zarenmanifestes“ durch den russischen Außenminister Murawjew, die Bedeutung, die man in Petersburg der Note beimaß, unterstrich, konnten die europäischen Regierungen und auch Deutschland einen offenen Affront gegenüber Rußlands nicht riskieren. Das Antworttelegramm Wilhelm II. vom 29. August 1898 hatte folgenden Inhalt: „Diese Anregung setzt erneut die reinen und erhabenen Motive in ein lebhaftes Licht, durch die Deine Vorschläge beherrscht werden und die Dir den Beifall aller Völker bringen werden.“ Intern dagegen wurde der russische Außenminister und der Vorschlag des Zaren vom deutschen Kaiser äußerst drastisch beurteilt: „Dieser Herr ist ein eitler Narr ... Es darf meines Erachtens nicht zu der besagten Conferenz kommen, aus der unweigerlich der Krieg hervorgehen muß.“  
Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Bernhard von Bülow schrieb in seinen „Denkwürdigkeiten“ rückblickend auf den Abrüstungsvorschlag des Zaren folgendes: „Kaiser Wilhelm II. war durch diese russische Kundgebung so überrascht und erregt, daß er ohne Rücksprache weder mit Hohenlohe noch mit mir von sich aus ein Telegramm an den Kaiser Nikolaus richtete, in dem er dessen Manifest ridikülisierte. Er frug, ob der Zar die Absicht habe, die ruhmbedeckten Standarten seiner Regimenter in einem Friedenstempel aufzuhängen, erinnerte ihn an die herrlichen Siege der russischen Waffen in vergangenen Zeiten und betonte die Notwendigkeit, das russische Schwert scharf zu halten, mit einem Eifer, als ob er der russische Kriegsminister wäre. Unsere Kaiserin, die in allen Sorgen ihres Gemahls innigen Anteil nahm, sagte mir, der Kaiser habe sich seit langem über nichts so geärgert, wie über den plötzlichen und törichten Schritt des unreifen Zaren. Philipp Eulenburg meinte “Unser geliebter Kaiser kann es nun einmal nicht vertragen, wenn sich ein anderer in den Vordergrund der Bühne stellt.“ Ich war gemeinsam mit dem Fürsten Hohenlohe bemüht, darauf hin zu wirken, daß bei diesem Anlaß weder der nicht von unedlen Absichten erfüllte russische Kaiser vor den Kopf gestoßen, noch ... in der Welt die Meinung erweckt würde, als ob die Fortdauer der von allen Völkern schwer empfundenen Rüstungen und die unleugbare Spannung der internationalen Lage auf das deutsche Volk zurückzuführen wäre.“
Um diesen Grundsatz umzusetzen schrieb Bülow bereits am 26. August 1898 ein Telegramm an den Botschafter in London Grafen von Hatzfeld, in dem es hieß: „Für Deutschland würde es von Wert sein, wenn dieser Friedens- und Entwaffnungsgedanke, der unter seiner idealen äußeren Form reale Kriegsgefahren birgt, an Englands Ablehnung scheiterte, ohne daß wir dabei in den Vordergrund träten.“ Von englischer Seite wollte man jedoch nichts unternehmen, um den russischen Zar „zu verstimmen“, jedoch bewertete man dessen Vorschläge mit ebenso großer Skepsis, wie die deutsche Seite.
Besonders deutlich wurden die deutschen Vorbehalte erneut in einem Kommentar Wilhelm II. zu einer Mitteilung vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Bülow: „Die ganze Elukubration scheint mir ... der grimmigen Noth entsprungen, daß Rußland die „Puste“ finanziell auszugehen anfängt. (...) Das alles mag mit zu dem „Humanitätsdusel“ getreten sein, der den jungen Kaiser erfüllt und ihn zu diesem unglaublichen Schritt gebracht haben. Daneben steckt eine Portion Teufelei; indem dem Ablehnenden sofort das Motiv des Friedensbruchs untergeschoben werden soll. Während jetzt Rußland nicht  weiter kann, während wir anderen - zumal Deutschland - jetzt wieder anfangen können, um versäumtes nachzuholen.“
Man war in Deutschland über das „Zarenmanifest“ genauso erstaunt, wie die anderen europäischen Regierungen auch. Außerdem wußte man nicht, wie konkret und wie weitreichend die russischen Überlegungen waren. Erst nachdem Murawjew nähere Erläuterungen gegeben hatte, trat eine Beruhigung ein: „Vorerst (so Murawjew) gehe es ... nur um vier Punkte: „1. Keine Frage des Grundsatzes von Abrüstung, 2. nur ein Gedankenaustausch, der niemanden zu etwas verpflichtet, 3. Ausschaltung jeder vergangenen, gegenwärtigen und künftigen politischen Frage, 4. einziges Ziel der Konferenz: Gedankenaustausch aus ökonomischer und humanitärer Sicht.´“ Durch die Herausnahme aller aktuell - politischen Fragen aus dem vorläufigen Programm, war nun der Weg zur Konferenz für die deutsche Führungselite leichter zu gehen. Die grundlegenden Bedenken und der Argwohn gegenüber den russischen Vorschlägen blieben jedoch weiter bestehen. Bei der weiteren Vorgehensweise kam es jedoch darauf an, daß die deutsche Regierung in der Öffentlichkeit nicht schon vor Beginn der Konferenz, als „Friedensstörer“ in Erscheinung trat.
Der russische Konferenzvorschlag paßt sich nicht in die Zeit des internationalen Imperialismus und der beginnenden deutschen Weltpolitik ein. Die deutsche Außenpolitik war seit 1897, nach der Berufung Bernhard von Bülow zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, auf Weltpolitik orientiert, deren Ziel es war, „die Mitsprache des Deutschen Reiches in allen weltpolitischen Angelegenheiten durchzusetzen, und (ging) erst ganz in zweiter Linie um konkrete imperialistische Erwerbungen“ . Dabei ging Bülow davon aus, daß der koloniale Gegensatz zwischen Rußland und England im fernen Osten, Persien und Afghanistan unlösbar sei und über kurz oder lang, eine kriegerische Entscheidung zwischen beiden Staaten zu erwarten sei. Dieser angenommenen Konstellation glaubte man am besten mit einer Politik der „freien Hand“ entsprechen zu können, die vorsah, daß man sich an keine der beiden Mächte vertraglich enger anschloß, um sich jederzeit alle Optionen offen zu halten und gegebenenfalls als Macht- und Entscheidungsfaktor in Erscheinung treten zu können. Gerade für diese Konzeption war eine internationale Konferenz risikoreich und ließ unübersehbare Gefahren erwarten. In bilateralen Verhandlungen konnten Gespräche vertraulich oder geheim behandelt werden, was bei einer Zusammenkunft von über 20 Staaten nicht zu erwarten war. Sicherheitsfragen für das eigene Land und die Durchsetzung außenpolitischer Ziele wurden bis dahin in zwischenstaatlichen Bündnissen und Militärpakten, in Rüstung und traditioneller Diplomatie gesucht, nicht durch internationale Verhandlungen über völkerrechtliche Fragen. Insofern bot die Offerte des „Zarenmanifestes“, so sie ernst gemeint war, eine neue Möglichkeit in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit an, die jedoch international kaum auf Resonanz stieß. Auch beinhalteten Gespräche über Abrüstungsfragen die Gefahr, daß eine offen ablehnende Macht international als Friedensstörer stigmatisiert werden würde, auch dann, wenn die Umsetzung und Kontrolle der Abrüstung von allen europäischen Regierungen mehr als skeptisch betrachtet wurde. Die deutschen Eliten sahen in einer möglichen Rüstungsreduzierung auch eine Gefahr für die Entwicklung des Flotte, deren weiterer Ausbau unmittelbar bevorstand. Die Flottenvorlagen von 1898 und 1900 zeugten von diesem neuen Bewußtsein. Dabei ging man in der deutschen Führung davon aus, daß die deutsche Flotte so stark werden müsse, daß England einen Angriff auf Deutschland nicht wagen, er vielmehr ein Risiko für die englische Existenz bedeuten würde. Tirpitz beschrieb diesen Grundgedanken 1900 folgendermaßen: „Unter den gegebenen Umständen gibt es nur ein Mittel, um Deutschlands Handel und Kolonien zu schützen: Deutschland muß eine Flotte von solcher Stärke haben, daß selbst für die größte Flotte ein Krieg mit ihm ein solches Risiko in sich schließen würde, daß ihre eigene Überlegenheit gefährdet wäre ...“ Eine zukünftige deutsche Weltmachtpolitik war also ohne eine starke Flotte nicht denkbar und wäre durch Abrüstungs­vereinbarungen erheblich erschwert worden. Dies sahen auch die Verantwortlichen der deutschen Regierungspolitik. Für sie war daher Abrüstung, egal in welchem Bereich, undenkbar und eine diesbezügliche Konferenz nutzlos und für die weitere Umsetzung der Weltmachtpolitik gefährlich.


1.1.2. Die Reflexionen in der deutschen Öffentlichkeit auf die Veröffentlichung des „Zarenmanifestes

 

Die deutsche Öffentlichkeit reagierte auf die Veröffentlichung des „Zarenmanifest“ über alle Erwartungen massiv. In den meisten deutschen Zeitungen wurde die russische Initiative am 29. bzw. 30. August 1898 auf der ersten Seite dargestellt. Daran schlossen sich eine Vielzahl von Artikeln und Kommentaren an, die sich grob in drei parteipolitisch geprägte Meinungsgruppen der Tageszeitungen einteilen ließen:   1. Gab es die große Gruppe der Zustimmenden, zu der die liberalen Parteien und das Zentrum, sowie die kirchlich - liberalen Gruppierungen zu zählen sind; 2. konnte die Menge der „Skeptiker“ ausgemacht werden, zu der besonders die konservativen Vertreter Deutschlands zu rechnen sind ; 3. gab es als einzige, die Vorschläge permanent ablehnende Gruppe die Vertreter der Sozialdemokratie. In den periodisch erscheinenden Zeitschriften fand sich diese Trennung der Anschauungen wieder, wobei sich jedoch die Argumentation und Betrachtungsweise teilweise grundlegend unterschied, so daß diesen Darstellungen ein eigener Unterpunkt eingeräumt wurde. Im den folgenden Abschnitten soll auf jede dieser vier Richtungen eingegangen werden.


1.1.2.1. Die „Zustimmenden“

1. Der Kladderadatsch begrüßte das „Zarenmanifest“ am 4. September 1898 mit folgendem Gedicht:

O holder Ruf „Die Waffen nieder !“
So angenehm klang keins der Lieder
Der Lärche je im jungen Jahr.
Wie schön mit seinem Palmenzweige
Steht er an des Jahrhunderts Neige,
Der hohe Friedefürst, der Zar!

Ist´s möglich ? Ja zum Friedenskusse
Naht allen Völkern sich der Russe,
Des Kommen sonst gefürchtet wird.
Der Aar, der sonst gelebt vom Raube,
Verwandelt sich in eine Taube,
Die Körner pickend nickt und girrt.

Doch wird das große Werk gelingen ?
Es muß ! Wer trotzt, den wird man zwingen
Zu handeln, wie´s der Zar verlangt
Der wird den ewigen Frieden schaffen,
Wenn´s sein muß mit Gewalt der Waffen -
O seht, das ist´s; wovor mir bangt.

So ironisch und überzogen das Gedicht auch wirkt, man kann daran doch Zeitströmungen ablesen. Viele Überlegungen aus diesem Gedicht fanden sich dann auch in den Tageszeitungen wieder. Geradezu euphorisch begrüßte z.B. das liberale „Berliner Tageblatt“ den Aufruf des Zaren: „Eine seltsame Wundermär, vielleicht ein neues Evangelium eilt vom Strande der Newa durch die erstaunt aufhorchende Welt. Der mächtige Herrscher des weiten Russenreiches ergreift in einem Augenblick, wo eine erhebliche Zahl neuer russischer Kriegsschiffe in Angriff genommen wird und wo an den Grenzen seines Landes eine gewaltige Menge Zündstoff angehäuft ist, der nur darauf zu warten scheint, daß die Engländer ihn mit frevelnder Hand entzünden, das Wort, um die Völker der Erde die friedvolle Mahnung: „Die Waffen nieder!“ zuzurufen. ... Die Kundgebung ist eine That, so edel, so menschlich schön, daß man darob bangt, ob der hochherzige Plan des jugendlichen Zaren überhaupt zu verwirklichen ist.“ Die liberale „Vossische Zeitung“ schrieb mit ähnlichem Tenor: „Nicht in dem Konferenz­vor­schlage selbst liegt die Bedeutung des kaiserlichen Rundschreibens, sondern in der Begründung, die diesem Vorschlage beigegeben ist. Diese Begründung ist so klar, so überzeugend, daß man wahrscheinlich noch nach Jahrhunderten auf sie zurückgreifen wird. Neu ist diese Begründung allerdings nicht. Sie ist oft ausgesprochen, bald von führenden Geistern, bald von schlichten Männern aus dem Volke; sie ist oft ausgesprochen und niemals widerlegt worden.“ Aber auch die auftauchenden Probleme und Hemmnisse wurden in dem Artikel beleuchtet: „Schwierigkeiten werden zu überwinden sein. Wir haben keine Veranlassung uns diese Schwierigkeiten auszumalen. Sobald sie eintreten, wird man sie bekämpfen. Sie können den Erfolg hinausschieben, ihn aber nicht mehr ganz vereiteln. Sobald ein Herrscher, der zu den mächtigsten der Welt gehört, der Herrscher eines Reichs, das man bisher als mit kriegerischen Gelüsten behaftet betrachtet hat, einen solchen Gedanken einmal ausgesprochen hat, wird es nie mehr möglich sein, diesen Gedanken wieder zum Schweigen zu bringen.“
Ähnlich positiv, aber gleichzeitig an der vollen Umsetzung der Vorschläge zweifelnd, sprach sich auch das Sprachrohr des Zentrums die „Germania“ aus. Sie schrieb: „Das sind wirklich prächtige Gedanken, welche allen Freunden des Friedens aus dem Herzen gesprochen sind und daher auch freudigen und begeisternden Widerhall finden werden. Vom theoretischen Standpunkt sind dieselben in der Tat unanfechtbar, unendlicher Segen würde sich für die Menschheit ergeben, wenn dieselben sich auch in die Praxis umsetzen ließen. Die Schwierigkeiten, welche sich der Durchführung derselben entgegenstellen, sind aber riesengroß.“
Unter „Schwierigkeiten“ verstand die „Germania“ dabei u.a. die ungeklärten Verhältnisse auf dem Balkan und im fernen Orient, das Elsaß - Lothringen Problem und die englisch - französischen Spannungen in Afrika. Gerade wegen dieser internationalen Spannungsfelder könne man nicht daran glauben, daß es zu einer vollständigen Einigung kommen würde. Jedoch sah sie in dem Vorschlag des Zarens eine Möglichkeit, den Anfang für eine allgemeine internationale Verständigung zu schaffen.
Die deutschen Öffentlichkeit war von dem russischen Vorschlag so überrascht, daß viele einen Alleingang des Zarens in dieser Frage für unmöglich hielten. Durch die Aufregung in Frankreich, die in den deutschen Blättern sehr genau registriert wurde, kam sehr schnell das Gerücht auf, daß der russische Zar den deutsche Kaiser konsultiert haben müßte, um ein solches Konferenzprojekt in die Welt zu setzen. Dieses verstummte jedoch recht bald, nachdem die offiziösen Blätter einen eher hinhaltenden Ton angeschlagen hatten.


1.1.2.2. Die „Skeptiker“

 

Die konservativen Vertreter der deutschen Gesellschaft sahen im Aufruf des Zarens etwas nicht unbedingt Negatives, jedoch vermuteten sie dahinter eher andere Pläne und Ziele. So urteilte z.B. die „Neue Preußische Zeitung“: „Wenn die Petersburger Kundgebung von unserer heimischen Opposition aber etwa in dem Sinne ausgebeutet werden sollte, daß der Weltfrieden nun gesichert sei, daß jedenfalls irgendwelche Mehrforderungen für Armee und Marine ein absolut überflüssiges und deshalb zu verwerfendes Unterfangen wäre, so möchten wir zum Schluß doch noch einmal dringend darauf verweisen, daß alle bisherigen vom gleich edlem Sinne getragenen Bemühungen, einen Modus für die Durchführung allgemeiner Abrüstung, für einen dauerhaften Frieden zu finden, über ihre ersten Anfänge nicht hinausgekommen sind. Heute noch fordert es die einfache Pflicht der Selbsterhaltung, für alle Eventualitäten stark und gerüstet zu sein. Ueber das Morgen wollen wir lieber erst später, wenn die Zeit dafür wirklich gekommen sein sollte, reden.“ Ähnliche Äußerungen brachte auch der „Reichsbote“ an, der in seiner Ausgabe vom 29.8.1898 folgendes schrieb: „Wir Deutschen müssen uns die Vorschläge zur Abschaffung oder Verminderung der Armee, von welcher Seite sie auch kommen werden, recht kühl und genau ansehen; denn wir machen uns keine Illusionen darüber, daß, so lange die Sünde eine Macht auf Erden ist, es auch Kriege auf Erden geben wird - und um diese nicht in wilde meist ziellose Volkskriege ausarten zu lassen, brauchen wir unsere stehende ausgebildete Armee. Wir würden es für richtiger gehalten haben, daß eine solche öffentliche Kundgebung erst dann gemacht wäre, nachdem durch vertrauliche Verhandlungen der Erfolg dieser Action irgendwie gesichert gewesen wäre; denn wenn diese Conferenzen ergebnislos verlaufen sollten, so würde doch die sehr herbe Kritik, welche die Kundgebung an den stehenden Heeren übt, zur Freude aller socialistischen und anderen Demokraten auf denselben lasten bleiben und bei jeder Beratung der Militäretats und jeder Mehrforderung für die Armee weidlich ausgebeutet werden, und man würde den bestehenden Staatsregierungen die Schuld an dem Mißlingen dieser Conferenzen aufladen. Die Veröffentlichung dieser Kundgebung ist deshalb ein gewagter Schritt“ .
In diesen beiden hier angeführten Kommentaren trat deutlich die Besorgnis der Konservativen gegenüber den innenpolitischen Folgen des Aufrufes hervor. Durch die nicht vorher abgestimmte Aktion Rußlands mit den anderen großen Mächten sah man mehr eine innenpolitische Gefahr als ein außenpolitisches Wagnis. Auch war die Meinung vorherrschend, daß man sich auf rüstungspolitischem Gebiet nicht oder nur über sekundäre Fragen einigen könnte.
In der „Allgemeinen Evangelisch - Lutherischen Kirchenzeitung“ wurde das Manifest des Zaren ebenfalls registriert und vollständig abgedruckt . Eine eigene Haltung dazu wurde jedoch erst einige Nummern später deutlich, als ein Trinkspruch Wilhelm II., ausgebracht bei einem Truppenbesuch in Westfalen, kommentarlos abgedruckt wurde: „Der Friede wird nie besser gewährleistet sein als durch ein schlagfertiges, kampfbereites deutsches Heer, wie wir es in seinen einzelnen Theilen zu bewundern und uns darüber zu freuen die Gelegenheit haben. Gebe Gott, daß es uns immer möglich sei, mit dieser schneidigen und gut erhaltenen Waffe für den Frieden zu sorgen.“ Sprach der Trinkspruch schon für sich, so wurde in einer Polemik über die russische Religionspolitik vollends deutlich, welchen Wert die Kirchenzeitung dem Manifest beilegte: „Dieses Eintreten für den Frieden verdient gewiß sowohl vom christlichen, wie überhaupt vom idealen Standpunkte aus Beifall und Anerkennung, obgleich wohl jeder sich im voraus sagt, daß das Resultat der Konferenzverhandlungen von keinerlei nachhaltiger Bedeutung sein wird. (...) Beachtet man ..., wie wenig Rußland in seiner inneren Politik gesonnen ist, für die ersten Prinzipien eines Völkerfriedens einzutreten, dann muß man sich leider sagen, daß Rußland in seiner äußeren Politik jetzt wohl ruft: Friede! Friede! aber - es ist doch nicht Friede.“
Am deutlichsten gegen den russischen Vorschlag sprach sich von konservativer Seite die „Allgemeine konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland“ aus. Sie schrieb: „Unzweifelhaft hat es (d.h. Rußland) damit einen geschickten Schachzug gethan; allein ob dieser geschickte Schachzug mehr bedeuten kann und wird als ein vorübergehender Erfolg bei der öffentlichen Meinung - diese Frage wagen wohl nicht einmal die Leiter des Auswärtigen in St. Petersburg ohne weiteres zu bejahen. Alle Welt ist bereit, den „Edelsinn“ des Zaren voll Rührung zu preisen; niemand aber möchte der von ihm gegebenen Anregung praktisch folgen. Er thut es ja nicht einmal selbst. (...) Daß Kaiser Wilhelm deshalb das allein Richtige getroffen hat (vgl. den oben zitierten Trinkspruch - M.B.) ...: wer könnte daran auch nur einen Augenblick zweifeln?“
Weiterhin fiel bei der konservativen Kommentierung des Zarenvorschlages auf, daß man besonders auf die Reaktionen des Auslandes achtete. So beschäftigte sich die „Neue Preußische Zeitung“ besonders intensiv mit russischen und französischen Presseberichten. Dabei registrierte man, daß die französische Presse den Vorschlag des Zaren „zumeist kühl, wenn nicht ablehnend“ beurteilte. Nachdem jedoch Wilhelm II. den bereits erwähnten Trinkspruch in Westfalen gehalten hatte, waren die Reaktionen in Frankreich und Rußland dagegen außerordentlich heftig: „Eine Absage auf den russischen Friedensvorschlag“ hieß es da in Paris und nicht minder empört kommentierte die russische Zeitung „Swjet“: „Während sich unser Herr und Kaiser mit Worten des Friedens und der Liebe an alle gewandt und in der Abrüstung das Glück der Völker erblickt hat - erhebt der deutsche Kaiser gegen den emporgehobenen Ölzweig das Schwert und erblickt nur in diesem die Ruhe und den Ruhm seiner Deutschen. Die slawische Welt mit ihrer Kaltblütigkeit, Anständigkeit, Humanität und Gerechtig­keit hat sich scharf von der germanischen Welt geschieden, welche in der Kaserne den Beruf des Menschen erblickt ...“ .
Ebenso wurde auch die russisch - französische Pressekontroverse, die über einen Vorschlag der „Nowosti“, Elsaß-Lothringen zu neutralisieren, entbrannt war, verfolgt. Der Neutralisationsvorschlag wurde von der französischen Presse mit großer Empörung abgelehnt, da man in ihm die Festschreibung der Abtrennung der beiden Provinzen von Frankreich erblickte. Gleichzeitig wurden auch Bedenken laut, die den Wert des Bündnisses mit Rußland in Frage stellten. Die „Neue Preußische Zeitung“ sah in dieser Diskussion jedoch nur eine überflüssige und für das Zustande­kommen der „Friedenskonferenz“ gefährliche Kontroverse, denn, so schlußfolgerte man: „Eine elsaß-lothringische Frage gibt es nicht. Mag der französische Chauvinismus noch tausendmal das Gegenteil behaupten, er wird die vorhandenen Thatsachen damit ganz gewiß nicht aus der Welt schaffen.“

1.1.2.3. Die Sozialdemokratie

Die Sozialdemokratie wandte sich als einzige politische Bewegung definitiv gegen den Konferenzvorschlag des Zaren. Bereits am 30.8.1898 erschien ein langer Leitartikel im „Vorwärts“, der den programmatischen Titel trug: „Ein Trick der russischen Diplomatie“. Darin hieß es: „Vielleicht am Vorabend eines Krieges , der sich auf drei Ozeanen und in drei Welttheilen abspielen kann, überrascht Rußland die staunenden Welt der bürgerlichen Zeitungsschreiber mit der Einladung zu einem internationalen Kongreß, der den ewigen Frieden und die Einstellungen der Rüstungen herbeiführen soll. Es ist ein schlauer Streich der russischen Diplomatie, der vorläufig schon den Erfolg für sich hat die öffentliche Meinung zu verwirren. (...) Der russische Zar als Förderer der schärfsten Gegner des Militarismus in den europäischen Parlamenten, das ist wahrlich ein Bild fin de siècle! Besser konnte das offizielle Rußland den Ruf seiner Diplomatie als der raffiniertesten und schlauesten nicht wiederherstellen, als durch den letzten Schachzug. Ehrenhalber müssen natürlich die offiziellen Vertreter aller Länder sich sympathisch zu dem Projekte äußern. Im geheimen aber knirschen sie alle mit den Zähnen über die perfide, infame russische Politik.“ Der Artikel schloß mit der pointierten Feststellung: „Wir sehen in dem Erlasse des Zaren nichts anderes als die Andeutung, daß die Kriegsgefahr so groß und so nahe ist, wie seit Jahrzehnten nicht. Als den Anbruch einer Periode fürchterlichen Blutvergießens und nicht als den Beginn einer Aera ewigen Friedens erscheint und das Manifest des russischen Despoten.“
Da die Diskussion über den russischen Vorstoß besonders in den liberalen Tageszeitungen weitergeführt und größtenteils positiv besprochen wurde,  liegt die Vermutung nahe, daß Teile der Mitgliederschaft der SPD verunsichert waren und nicht klar verstanden, warum man gegen einen solchen, vernünftig klingenden Vorschlag eintreten sollte. Denn es wurde wenige Tage später erneut ein Leitartikel veröffentlicht, der überschrieben war: „Die internationale Sozialdemokratie und das Manifest des Zaren“ In diesem Artikel wurden die grundlegenden Positionen der internationalen Sozialdemokratie zu Militarismus und Krieg abgehandelt. Dabei bezog man sich auf eine Erklärung, die auf dem 1891 in Brüssel stattgefundenen Arbeiterkongreß verabschiedet worden war. Hierin waren Überlegungen entwickelt worden, die für die SPD bis 1914 grundlegend waren: Man ging davon aus, daß durch das „System der Ausbeutung“ in der kapitalistischen Gesellschaft und dem Klassenkampf kein Friede herrsche, sondern ein „permanenter Kriegszustand“ zu konstatieren sei. Dieser „Kriegszustand“ sei so lange vorhanden - und somit alle Bestrebungen ihn zu beseitigen vergeblich - bis nicht „die ökonomischen Quellen des Uebels“ beseitigt wären. Erst die „sozialistische Gesellschaftsordnung“ könne den Militarismus beseitigen und den „definitiven Frieden“ herbeiführen. Deshalb sei es die Pflicht „der internationalen Sozialistenpartei beizutreten, welche die einzige wirkliche Friedenspartei ist.“ Um jedoch einen Krieg zu verhindern, müsse man „energisch gegen alle Kriegsbestrebungen und die Bündnisse, welche diese begünstigen, protestieren“, da dies, „das einzige Mittel sei um einem Weltkrieg entgegen zu wirken“. Weiter wies man in dem Artikel darauf hin, daß die Sozialdemokratie in ihrem Programm bereits den Schiedsgerichtspassus aufgenommen habe, um zu zeigen, „daß sie jeden ernsthaften Versuch, die Kriegsgefahr zu beseitigen, als Partei unterstützt, ohne jedoch in die bürgerliche Friedensutopisterei zu geraten.“ Abschließend wurde auf einen Artikel von Friedrich Engels verwiesen, der Anfang der 1890er Jahre unter der Überschrift: „Kann Europa abrüsten?“ erschienen war. Hierin hatte Engels den Vorschlag unterbreitet, daß Deutschland eine Abrüstungskonferenz einberufen sollte, um sein internationales Ansehen zu verbessern und um die Gesellschaft, von den finanziellen Belastungen der militärischen Rüstungen zu befreien. Obwohl Friedrich Engels die Frage nach der Möglichkeit einer umfassenden Abrüstung innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft bejahte, blieb die SPD 1898 bei ihrer im ersten Artikel eingenommenen Haltung. Die Initiative des Zaren wurde als ein Ablenkungsmanöver verstanden, das einzig deshalb unternommen wurde, um England in eine international schwierige Situation zu bringen.
Anders als die in der Tagespresse vertretenen Standpunkte, lesen sich dagegen Stellungnahmen einzelner Führer der Sozialdemokratie. So antwortete z.B. August Bebel auf eine Einladung Bertha von Suttners zu einer „Besprechung ... zur Förderung von öffentlichen Kundgebungen zugunsten der Friedenskonferenz“ mit folgenden freundlichen Worten: „Die Sozialdemokratie steht dem Manifest zugrunde liegenden Gedanken sympathisch gegenüber. (...) Daß nun der Monarch eines Reiches wie das russische, ..., nunmehr als Gegner (des Militarismus - M.B.) auftritt, ist hoch anerkennenswert, kann uns aber nicht verhindern, dem Vorgehen mit einem gewissen Mißtrauen zu begegnen, bis nicht durch entsprechende Taten bewiesen wurde, daß dieses ungerechtfertigt ist. Die Einberufung der Konferenz ... genügt dazu noch nicht.“ Um jedoch auf den geplanten öffentlichen Versammlungen zugunsten des „Zarenmanifestes“ nicht in Unstimmigkeiten mit den Vertretern der Deutschen Friedensgesellschaft zu geraten, lehnte August Bebel das Ansinnen Bertha von Suttners mit folgenden Worten ab: „Ich glaube daher, daß es im beiderseitigen Interesse liegt, in dieser Angelegenheit getrennt zu marschieren und jede Richtung ihren besonderen Standpunkt selbständig vertreten zu lassen.“
Eine weitere Meinungsäußerung eines namhaften Führer der Sozialdemokratie ist der 1898 von Karl Kautsky in der „Neuen Zeit“ veröffentlichte Artikel: „Demokratische und reaktionäre Abrüstung“ . Kautsky vermutete als Grundlage für die Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“ die russisch-englischen Spannungen im fernen Osten, die kompensiert werden sollten. Die Aussichten für eine „allgemeine Entwaffnung“ schätzte er folgendermaßen ein: „Jetzt ist diese Möglichkeit gegeben, und wie unwahrscheinlich es auch erscheinen mag, daß sie zur Wirklichkeit wird, wir müssen mit ihr rechnen.“ Anschließend entwickelte Kautsky zwei theoretische Wege auf denen dieses Ziel erreicht werden könnte: der erste Weg, die „demokratische“ Abrüstung, führte für ihn über ein Schiedsgericht, vor dem alle internationalen Streitigkeiten gelöst werden sollten. Um dieses jedoch einzurichten, müßten alle größeren Streitpunkte, wie der z.B. um Elsaß-Lothringen, bereits gelöst sein, so daß sich das Schiedsgericht nur noch mit untergeordneten Streitfällen befassen müßte. Diese Möglichkeit der Konfliktregulierung erwartete Kautsky aber erst, nachdem der Sozialismus an die politische Macht gelangt sei. Als zweiten Weg zur Abrüstung sah er das Instrument der Volksbewaffnung, daß als „Grundlage der Demokratie“ (theoretisch) jedem Staat offen stände. Aber gerade die Auflösung der stehenden Heere sah er für die damalige Zeit als völlig unmöglich an, da dadurch die Staaten eines ihrer wirksamsten innenpolitischen Druckmittel aus der Hand geben würden. Kautsky erschien es daher eher möglich, daß sich die Großmächte auf eine Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht einigen und jeweils eine Berufsarmee, gedacht als „Prätorianergarde“, einführen könnten. Dies wäre dann der Weg der „reaktionären“ Abrüstung, den es zu verhindern gelte.
Insgesamt sah Kautsky in der Veröffentlichung des Zarenmanifestes „einen großen Schritt, der nicht wieder rückgängig gemacht werden kann und der nicht ohne Konsequenz bleiben wird“, da nämlich „bei jeder neuen Forderung zu Kriegszwecken ... den Regierungen die Kundgebung des Zaren ... entgegengehalten (wird) als Dokument ihrer Unfähigkeit, als Protest gegen ihr verderbliches Thun.“ Somit habe die Sozialdemokratie ein neues „Propagandamittel“ in die Hand bekommen, das sie auch zu nutzen bereit sei.
Die unterschiedlichen Bewertungen des „Zarenmanifestes“ in Zeitungen, Privatmeinungen und Zeitschriften waren bei der Sozialdemokratie besonders markant. In der Parteipresse war ein viel schärferer Ton zu finden, als in den beschriebenen Äußerungen, von exponierten Vertretern der deutschen Sozialdemokratie. Erklärlich ist dieser Unterschied nur schwer und läßt sich nur vermuten: In der offiziellen Presse der SPD wurde Rußland permanent als „Hort der Reaktion“ und als rückständigstes Land in Europa beschrieben. Folglich konnte aus diesem Land auch kein Vorschlag kommen, der internationale Probleme lösen könnte. Eine generelle Lösung internationaler Streitfälle, war ohnehin erst in ferner Zukunft, nach der Machterlangung der Sozialdemokratie denkbar. So der Grundtenor der Tageszeitungen und möglicherweise auch die Überzeugung der meisten Parteianhänger. Inwieweit Kautskys Standpunkt und auch Bebels Äußerung eine neue sozialdemokratische Sicht auf das „Zarenmanifest“ bieten, kann bezweifelt werden, da diese Stimmen vereinzelt blieben und schnell wieder verstummten. Dabei gilt es jedoch zu betonen, daß der Artikel von Kautsky eher eine Spekulation und keine theoretische Abhandlung darstellte und kann insofern als möglicher Beginn einer Diskussion begriffen werden, die jedoch nicht weitergeführt wurde, denn 1899 erschien in der „Neuen Zeit“ kein weiterer Artikel, der sich auch nur ansatzweise mit der ersten Haager Konferenz beschäftigte. Im „Vorwärts“ wurde dagegen die ablehnende Haltung zum „Zarenmanifest“ und später auch zur ersten Haager Konferenz in mehreren Artikeln entschlossen weiter vertreten.


1.1.2.4. Die deutsche Öffentlichkeit außerhalb der Tagespresse

In einem ergänzenden Unterpunkt soll hier auf die Diskussion, die sich außerhalb der Tagespresse abspielte, eingegangen werden:
Bereits Anfang 1899 erschien eine Broschüre, herausgegeben von Arthur Kirchhoff, unter dem Titel: “Männer der Wissenschaft über die Friedens-Konferenz“ . In ihr waren Antworten veröffentlicht worden, die Kirchhoff von den befragten Wissenschaftlern erhalten hatte. In seinem Brief hatte er folgende Fragen an sie gestellt:
„1. Glauben Sie, daß eine Abrüstung möglich ist, und wenn ja, in welchem Umfange?
2. Sind Sie der Ansicht, daß eine Abrüstung überhaupt wünschenswert ist?
3. Glauben Sie, daß eine Abrüstung auf dem Wege von Friedens-Konferenzen zu erreichen ist?
4. Welche Mittel, außer den bis jetzt in Aussicht genommenen, kämen für eine Verständigung unter den Großmächten hierbei in Betracht?
5. Was halten Sie von dem Werte der internationalen Schiedsgerichte für die Erhaltung des Weltfriedens und auf welchem Gebiete könnte die Friedens-Konferenz am ehesten praktische Resultate erzielen?“
Zu den Befragten Deutschen gehörten u.a. solche berühmten Persönlichkeiten wie der Mediziner J.F.A. von Esmarch, die Ökonomen Lujo Brentano und Werner Sombart, der Jurist Karl Ludwig von Bar und der damals noch als Dozent in Zürich arbeitende Wilhelm Förster.
Die Antworten auf die gestellten Fragen waren in ihrer Gesamtendenz ähnlich. Auf die erste Frage, ob Abrüstung möglich sei, antworteten die Befragten einheitlich mit „Nein“, da man das gegenseitige Mißtrauen der Großmächte für unüberwindbar hielt. Die zweite Frage, ob Abrüstung wünschenswert sei, wurde dagegen vom größten Teil bejaht, jedoch meist mit dem Verweis auf Frage 1 als derzeit unmöglich bewertet. Besonders deutlich kam diese Haltung in der Antwort des Nationalökonomens Werner Sombart zum Ausdruck. Er schrieb: „Eine Beschränkung der Rüstungen derart, daß etwa nach dem augenblicklichen Stande das Ausmaß der zulässigen Bewaffnung festgestellt würde, ist im Prinzip nicht undenkbar; für praktisch ausführbar halte ich sie jedoch nicht. Die Schwierigkeiten ihrer Verwirklichung liegen ersichtlicherweise in der Schwierigkeit der Kontrollierung“. Ähnliche Argumente wurden auch zur Beantwortung der dritten Frage, ob Friedenskonferenzen als geeigneter Weg zur Herbeiführung einer Abrüstung angesehen werden können, herangeführt. So schrieb Karl Ludwig von Bar zu dieser Frage: “Ich glaube ... nicht, daß die Haager Konferenz eine Abrüstung zu Stande bringen wird. Es ist unmöglich, die Rüstungen der verschiedenen Staaten in sicherer Weise gegen einander abzuschätzen. Ein Staat kann auch durch Anlage von Eisenbahnen und Kanälen sich für den Krieg rüsten.“ Zu der vierten Frage, welche Mittel einer Verständigung unter den Großmächten dienlich sein könnten, gingen die Meinungen auseinander. Neben den Argumenten, daß „nur tüchtige Diplomatie, Bündnisse mit zuverlässigen Bundesgenossen (und) vor allem: (die) Herbeiführung und Stärkung des Respekts vor der eignen Macht des Staates und Innehaltung einer festen Politik“ dies erreichen könnte, gab es aber auch die Überzeugung, daß durch zunehmende Inter­nationalisierung des Welthandels und des zu erwartende Schadens für die nationalen Wirtschaften in einem künftigen Krieg, ein Ausgleich zwischen den Großmächten unbedingt notwendig sei und fast automatisch eintreten werde Zur fünften Frage, welchen Wert Schiedsgerichte haben und auf welchem Gebiet man in Den Haag zu praktischen Ergebnissen kommen könnte, waren die Antworten eher wieder einheitlich. Neben einer völlig ablehnenden Erwiderung gingen die Erklärungen dahin, daß Schiedsgerichte für geringwertige Streitfälle etwas leisten könnten. Unter diesen verstand man Konflikte an den Randgebieten Europas und Amerikas. Von der Konferenz in Den Haag erwartete man keine spektakulären Ergebnisse aber dennoch positive Resultate. „Man braucht ... nicht zu befürchten, daß der Ausgang der Friedenskonferenz eine allzugroße Ähnlichkeit mit dem Ausgange des Hornberger Schießens aufweisen werde. Denn dank der Initiative des Schweizer Bundesrates wird unter ihren Beratungs-Gegenständen auch das Problem einer zeitgemäßen Reform der Genfer Konvention sich befinden. Und da kein Staat ein Interesse daran hat, dass künftige Kriege grausam oder als Vernichtungskriege geführt werden, so steht zu hoffen, daß hier ein tüchtiger Schritt vorwärts in Ausbildung der Völkerrechts-Ordnung gemacht werden wird. Insbesondere wird es hoffentlich gelingen, die Bestimmun­gen der Genfer Konvention auf den Seekrieg auszudehnen.“
Vergleicht man die Antworten der „Männer der Wissenschaft“ untereinander, so ist der hoffnungsvolle Grundtenor nicht zu übersehen. Wenn diese Repräsentanten der Intelligenz in Deutschland  zum damaligen Zeitpunkt Abrüstung als nicht praktikabel einschätzten, so entsprach dies einer weit verbreiteten Tendenz. Aber auch die Möglichkeiten und Chancen, welche Schiedsgerichte bei der Lösung von internationalen Streitfällen bieten könnten, wurden deutlich erkannt und beschrieben.
Auch die „Preußischen Jahrbücher“ beschäftigten sich in mehreren Artikeln mit dem Aufruf des Zaren zu einer Friedenskonferenz. Die „Preußischen Jahrbücher“ gehörten zu den von „den besten Kreisen“ gelesenen politisch - wissenschaftlichen Zeitschriften des deutschen Kaiserreiches. Bei einer Auflage von etwa 2000 Exemplaren muß jedoch davon ausgegangen werden, daß der Leserkreis weitaus größer war. Die Leser der „Preußischen Jahrbücher“ stammten vor allem aus dem Bildungsbürgertum, aber auch von deutscher Regierungsseite und im Ausland schenkte man ihnen große Beachtung. Die Einordnung in das politische Spektrum des Deutschen Reiches fällt bei dieser Zeitschrift schwer. Für Delbrück selbst stellte sich der Charakter der Jahrbücher folgendermaßen dar: Sie waren für ihn die „Vereinigung von Macht und Kultur, von Preußentum und Deutschtum, nationaler Gesinnung aber kein National-Pfaffentum, nationaler Idealismus aber kein nationaler Fanatismus, deutsches Volkstum als Glied der allgemeinen Menschheitsbildung, Staatsgesinnung statt der Parteiengesinung“. Die fast bedingungslose Staatsgesinnung war es, die Delbrück parteipolitische Unabhängigkeit wahren ließ, ihn jedoch nicht daran hinderte Kritik zu üben, wo sie ihm berechtigt erschien.
In dem ersten Artikel zur Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“ ging Hans Delbrück davon aus, daß man darin einen „diplomatischen Meisterzug“ der russischen Diplomatie sehen müßte. Denn er unterstellte dem Zaren, ausgehend von einer baldigen Entscheidung zwischen Rußland und England im fernen Osten, daß er durch diesen Vorschlag „Frist“ schaffen wolle, da Rußland derzeit keinen Krieg wünsche. Eher wollte sich Rußland als Friedensschützer der Welt präsentieren und dadurch Ansehen und Prestige gewinnen. Aber auch auf mögliche Gefahren machte Delbrück aufmerksam, so verwies er u.a. darauf, daß die Friedenskonferenz leicht in ihr Gegenteil umschlagen könnte, wenn es zu Differenzen zwischen den Großmächten kommen würde. Frankreich z.B. würde „sich lieber in Stücke reißen lassen, als ... ihrer großen  nationalen Hoffnung auf Wiedererwerbung von Elsaß Lothringen zu entsagen“ . Als vorläufiges Resümee zog Delbrück folgenden Schluß: Rußland werde den Zusammentritt der Konferenz lange herauszögern und wenn sie dann doch zusammentreten würde, „eine ganz allgemein gehaltene Resolution, die die Segnungen des Friedens preist, (verabschieden lassen, welche) feststellt, wie sehr alle Regierungen von der Überzeugung durchdrungen sind, daß man gut thut, den Untertanen die Last nicht zu schwer zu machen und hofft, daß nunmehr der Friede für lange Zeit verbürgt ist. Wenn es den Engländern und Franzosen recht ist - wir brauchen nichts dagegen zu haben.“
War der erste Artikel von Delbrück noch eher pessimistisch gehalten, so veröffentlichte er Anfang 1899, nachdem deutlich geworden war, daß die Konferenz in absehbarer Zeit zusammentreten würde, in den „Preußischen Jahrbüchern“ einen Grundsatzartikel unter der Überschrift: „Zukunftskrieg und Zukunftsfriede“ .  Hierin legte er auf 26 Seiten seine Über­zeugungen dar, die in Klarheit und Prägnanz in keiner anderen Zeitschrift in Deutschland erreicht werden konnte. Der Aufsatz verdient es breiter dargestellt zu werden, da die Argumente Delbrücks in ihrer Stringenz einzigartig waren und in der deutschen Öffentlichkeit eine neue Sicht auf das Verhältnis von Krieg und Frieden darstellten.
Ausgehend von einem Zitat Schlegels, daß der „Religionskrieg die Blüte der Menschheit“ sei und der These, daß sich „das Erhabene in der Mensch­heits­geschichte nur auf dem Hintergrund des Entsetzlichen“ vollziehe, argumentierte Delbrück dagegen, daß man Krieg einzig als „hohe ethische Erscheinung“ erhalten darf, „wenn er sonst vermeidbar oder abschaffbar wäre“ . Als ein „großes und gewaltiges Schicksal“ erschien ihm der Krieg, der „Prüfungen auferlege“, Leiden schaffe aber auch „Helden“ erzeuge. Dieses Schicksal - Krieg, so der Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ weiter, dürfe aber vom Menschen nicht heraufbeschworen oder herausgefordert werden, „wenn es zu vermeiden (sei), denn das hieße, Gott versuchen“. Um die Menschheit vom Kriegsübel zu befreien, so Delbrück weiter: gehe „heute (1899) eine starke Bewegung durch die gebildete Welt“, die durch den Aufruf des Zaren eine prominente Unterstützung erhalten habe. Allein der Verweis darauf, daß die „Geschichte der Völker wesentlich die Geschichte der Heere bisher gewesen (wäre, sei jedoch) kein Beweis dafür, daß es so sein muß oder daß es immer so sein werde“ . Durch Anschauungen, die aus der Epoche der Aufklärung stammten, würde der Krieg jedoch nicht allein überwunden werden können. Dazu wären, so Delbrück, wirtschaftliche und militärische Voraussetzungen von unbedingter Notwendigkeit.
Hier setzte er ein, um anhand des monumentalen Werkes „Der Krieg“ von Johann von Bloch , einem Warschauer Bankier, die darin vertretenen Aussagen, einer grundlegenden Kritik zu unterwerfen. „Den Blochschen Grundgedanken glaube ich so formulieren zu dürfen: die moderne Waffen-Technik und das Massen-Aufgebot der Völker würde einen Krieg so fürchterlich gestalten, daß das Elend in gar keinem Verhältnis zu irgend welchen zu erwartenden Folgen stehen würde. Die Schlachten sind nicht mehr durchführbar, denn das Feuer der modernen Geschütze und Gewehre fegt alles fort, was in ihre Sphäre eintritt.“ Diese Aussage nicht verneinend beschrieb er anschließend anhand mehrerer Beispiele, die veränderte Ausrüstung der Armeen und die verbesserte Waffentechnik und betonte, daß künftige militärtechnische Entwicklungen nicht abschätzbar wären. Klar stellte Delbrück jedoch heraus, daß keine einzige militärtechnische Entwicklung, die Menschheit bisher davon abgehalten habe, weiterhin Kriege zu führen. Dies war auch einer seiner Hauptkritikpunkte an dem Werk von Bloch, der die Meinung vertrat, daß durch den hohen technischen Stand der Militärtechnik Kriege unmöglich gemacht werden würden. Außerdem wurde die These Blochs, daß der Krieg die nationalen Wirtschaften schwächt und zerstört, mit historischen Vergleichen (z.B. die französische Wirtschaft vor und nach der Revolution von 1789) entkräftet. Speziell für die deutsche Wirtschaft sah Delbrück im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung keine allzugroßen Gefahren, selbst für den Fall, „wenn das Deutsche Reich einmal völlig isoliert werden sollte“, denn „es brauchte darum noch lange nicht, wie Bloch meint, sofort zu verhungern“. Vielmehr könne die deutsche Landwirtschaft, nach einigen Umstrukturierungen, Deutschland „sehr gut allein ernähren“.
Einen großen Teil in dem Delbrückschen Artikel nahm anschließend die Problematik der Schiedsgerichtsbarkeit ein. Dabei ging er davon aus, daß international grundsätzlich ein Recht auf territoriale Veränderungen bestehe, kleinere Staaten diese und andere Streitigkeiten jedoch auf der Basis von Schiedsgerichten lösen könnten, „weil die Macht-Rivalität bei ihnen kaum existiere“. Unter Machtfragen, die besonders für Großmächte von großer Wichtigkeit wären, verstand Delbrück größere territoriale Verschiebungen, wie z.B. die Annexionen Elsaß Lothringens, Schleswig-Holsteins und Hannovers, die Aufteilung Polens und Afrikas und die - im nächsten Jahrhundert seiner Meinung nach erfolgende - Aufteilung Asiens. Größere Staaten aber könnten den Weg eines Schiedsgerichtes bei Machtfragen nicht gehen. Denn „Ueber solche Fragen kann es kein Schiedsgericht geben, weil es keine Rechtsfragen sind und noch weniger als ein Recht giebt es für solche Fragen einen Richter.“  Auch lehnte Delbrück die Festschreibung des derzeitigen „zufälligen“ territorialen Besitzstandes ab, wo „die Engländer, Russen und Franzosen große Reiche besäßen, Deutschland aber dagegen bloß eine kleine Anwartschaft“ hätte. Für ihn war es unvorstellbar, daß sich „dunkle Schicksalsfragen in Gerichtsstuben erledigen lassen“, da es „ja nicht Rechts- (sondern) Machtfragen“ wären; „die höchste Hoffnung zu der wir uns erheben dürfen, ist, daß die Machtfragen nicht durch die Probe des Krieges selbst, sondern durch bloße Abschätzung beantwortet und danach von Fall zu Fall über etwa streitige Objekte verfügt werde. Diese Abschätzung aber können nur die Betheiligten selbst, kann kein Schiedsgericht vollziehen, weil das wesentliche Element der Macht der eigene Wille mit seinem Opfermuth ist, für den es keinerlei Maßstab giebt, als den Willen selbst.“ Gerade wegen dieser schwierigen „Macht-Abschätzung“ war für Delbrück 1899 eine Abrüstung der Staaten geradezu fatal. Die „Verquickung“ von Schieds­gerichts­forderung und Abrüstung, wie sie von der deutschen Friedensbewegung vertreten werde, wertete er als eine reale Gefahr für das Deutsche Reich, denn nicht Abrüstung sei die Lösung der Probleme, sondern die Erkenntnis, daß durch einen zukünftigen Krieg nichts zu erreichen sei, als größtmögliche Zerstörung aller Lebensbereiche. Für ihn war es darum der Verdienst Blochs „unter technischer Begründung (darauf) hingewiesen zu haben“. Durch immer größere Rüstungen der Mächte wäre die Abschreckung bereits so groß, daß keine Großmacht die Gefahr eines Krieges eingehen würde. Dies war für ihn jedoch kein Axiom, sondern eine von „Fall zu Fall für den besonderen Staat und die besonderen Verhältnisse“ zu analysierende Möglichkeit. Fest stand für ihn weiterhin, „daß heute die fortschreitende Rüstung der Völker eher Friedensstimmung als Kriegsversuchung erzeugt“ habe.
Im Anschluß an diese Überlegungen machte Delbrück auf ein Desiderat der Friedensbewegung aufmerksam. Er bedauerte es, daß bisher von keiner Seite der Beweis erbracht wurde, daß „die Rüstungen Europa ruiniren“ würden. Von der Beantwortung dieser Frage erhoffte er sich grundlegende Erkenntnisse „nicht nur für die Friedensfrage, sondern für die gesamte nationalökonomische Wissenschaft namentlich auch (für) die soziale Frage .“ Seine Antwort zu diesem Gegenstand beschrieb er mit folgenden Worten: „Vorläufig bin ich der Ansicht und glaube dabei die ganze national-ökonomische Wissenschaft auf meiner Seite zu haben, daß der europäische Wohlstand in unserem Jahrhundert nicht zurückgegangen ist, sondern Fortschritte gemacht hat, die in der Weltgeschichte bisher unerhört waren.“ Der Grund für diesen ökonomischen Aufschwung sei nicht zuletzt der langanhaltende Frieden, der heute (1899) „jeden Krieg als etwas so Furchtbares erscheinen läßt, daß nur selten sich Jemand gefunden hat, der die Verantwortung dafür übernehmen mochte und jetzt scheints, gar Niemand mehr.“
Am Ende des Artikels beschrieb Delbrück den Stand der Rüstungen in den einzelnen Großmächten, wobei er den USA, als aufstrebende Großmacht, Schwierigkeiten bei der Aufstellung eines stehenden Heeres voraussagte. Für England sah er nicht so sehr Probleme bei einem weiteren Ausbau der Flotte, als vielmehr bei der Besetzung der neugebauten Schiffe mit geschulten Marinesoldaten. Rußland habe dagegen eine „Fülle an Menschen“, jedoch fehle es ihm an Kapital, um die technische Ausrüstung auf dem modernsten Stand zu halten. In Frankreich sei die Aufrüstung abgeschlossen und deshalb eine neue militärische Aufrüstung unnötig; „Italien (wandele) am Rande des Bankerotts“ und Österreich-Ungarn war in seinen Augen „einer Auflösung näher als einer Steigerung seiner Kräfte“ . Als einzige Großmacht, die noch zur Steigerung der Rüstungsaufwendungen fähig wäre, sah Delbrück das Deutsche Reich. Wirtschaftlich prosperierend und mit einem hohen Bevölkerungswachstum ausgestattet, könnte es die „Land- und Seerüstung noch außerordentlich steigern“. Gerade in dieser Möglichkeit und deren Umsetzung sah Delbrück dann auch die Chancen für das Deutsche Reich, das sich auf „die nächste große Landesvertheilung oder Absteckung von Einflußsphären in Asien“ einrichten müsse. Die Aufteilung „nicht mehr lebensfähiger oder kulturunfähiger Staatengebilde“ müsse jedoch nicht unbedingt auf kriegerischer Weise erfolgen, sondern könne, nach Abwägung der militärischen Stärke der Beteiligten, auch auf friedlichem Wege geschehen.
Geradezu mit einem Bekenntnis für die deutsche Welt-, Kolonial- und imperiale Kulturpolitik schloß Delbrück den Artikel: „Es ist eine Lebensfrage für uns, wenn wir eine große Nation bleiben wollen, ... neben den bereits etablirten Kolonial-Nationen einen gleichwerthigen Besitz zu erlangen. (...) Freiwillig werden uns die anderen Nationen nur einen sehr schmalen Antheil gewähren. Warum sollten sie auch? Jedes Volk sorgt für sich selber. Nur wer Macht hat, dem wächst Macht zu und in diesem Machtgebot liegt ein tiefes sittliches Gesetz. (...) Es giebt keine höhere Aufgabe für die kommende Generation, als zu sorgen, daß die Welt nicht zwischen Engländern und Russen aufgetheilt, sondern auch deutsche und französische Art und zwischen den großen Nationen auch die der kleinen, so weit sie Kulturwerth haben, erhalten bleiben. Ohne Krieg, wenn es möglich ist, aber es ist ein Gut, das auch um noch so viel Blut nicht zu theuer erkauft wäre.“
Hans Delbrück präsentierte in diesem Artikel Überlegungen, die weit über die - im „Zarenmanifest“ vorgelegten - hinaus gingen. Für ihn war die Beantwortung der Fragen von Krieg und Frieden, Abrüstung und Schiedsgericht nicht ohne weiteres mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten, sondern müßten in ihrer dialektischen Wechselwirkung und in der jeweiligen Situation ohne Emotionen betrachtet und entschieden werden. Durch diese Betrachtungsweise konnte er kulturimperialistische und machtpolitische Überlegungen neben Forderungen der deutschen Friedensbewegung stellen, ohne in Widerspruch zu geraten. Schiedsgerichte bildeten dabei für ihn eine reale Möglichkeit, um Streitfragen zwischen Staaten zu lösen. Abrüstung dagegen war für ihn denkbar aber bot mehr realpolitische Gefahren als volkswirtschaftlichen Nutzen.
Ebenfalls wurde in der von Maximilian Harden herausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft“ das Manifest der Zaren mehrfach besprochen. „Die Zukunft“ war eine der schillerndsten Zeitschriften im Deutschen Reich und ließ sich Ende des 19. Jahrhunderts, nur schwer einer politischen Richtung zuordnen .
In einem ersten Artikel zum „Zarenmanifest“ kommentierte Harden noch verhalten, daß man über eine „Weltenwende nicht mit flinken Worten hinwegeilen“ sollte. In den folgenden Wochen und Monaten kann man dann von einer lebhaften Diskussion sprechen, ohne daß dabei jedoch grundlegend neue Gedanken in die Betrachtung eingebracht wurden. Einzig in einem längeren Artikel von dem Berner Professor Ludwig Stein, der das Manifest des Zaren mit der Schrift von Immanuel Kant „Zum ewige Friede“ verglich, kam ein neuer Aspekt hinzu. In dem Artikel „Kant und der Zar“ konstruierte Stein ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der kantschen Schrift und dem Manifest des Zaren. Dabei stellte er besonders das „Ideal des ewigen Friedens“ und die „Handelsinteressen, die wachsende Kostspieligkeit der Kriege und den wirtschaftlichen und intellektuellen Fortschritt“ beider Verlautbarungen in den Vordergrund. Andere Forderungen Kants, wie die im ersten Artikel seiner Schrift erhobene: „Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden“ , übertrug Stein kurzerhand auf die Intentionen des Zaren oder erwähnte sie, wie z.B. das Projekt eines europäischen Staatenbundes oder die Kritikpunkte, die bereits von Zeitgenossen Kants vorgebracht wurden, nicht einmal. Insofern war der Artikel Steins als gedankliche Leistung interessant, jedoch erschien die Aussage, daß Kant und den Zaren die gleichen Motive leiteten, eher konstruiert als der Realität angemessen.
Die in Stuttgart erscheinende liberale „Deutsche Revue“ beschäftigte sich in mehreren Artikeln ausschließlich mit der Veröffentlichung des „Zarenmanifestes“. Erstaunlich war dabei, daß nicht ausschließlich Deutsche, sondern auch ein englischer Vizeadmiral das Wort ergriff. P.H. Colomb wertete die Vorschläge des Zaren positiv, verwies aber darauf, daß England bei dieser Konferenz eher „als fünftes Rad am Wagen“ erscheinen werde, da die englische Gesellschaft die Institution der allgemeinen Wehrpflicht nicht kenne und die englische Armee viel zu klein sei, um in Europa als relevante Größe berücksichtigt zu werden. Einzig die englische Flotte sei als Machtfaktor zu betrachten, jedoch stände diese nicht zur Disposition, da allein durch sie die Sicherheit Englands garantiert werden könne. Auf eine mögliche Abrüstung könne man sich deshalb nur einlassen, wenn in der Flottenfrage proportional zur englischen Stärke reduziert werden würde. In einem anderen Artikel, im politischen Monatsrückblick, wurde die Initiative des Zaren eher als Ablenkungsmanöver betrachtet. Durch den Aufruf sollte vom asiatischen Spannungsherd abgelenkt werden, was der russischen Diplomatie nach Meinung der „Deutschen Revue“ auch gelungen sei. Erwähnt sei hier nur noch, daß in zwei weiteren Artikeln hervorragende Wissenschaftler zu Einzelfragen das Wort ergriffen. In der Januarausgabe beschäftigte sich Friedrich von Esmarch mit dem Verbot von Bleispitzgeschossen, der Ausbildung der Sanitätskorps und der Anleitung der Soldaten im Umgang mit Verletzten. Im Februarheft setzte sich dann Henry Dunant mit der Weiterentwicklung des „Roten Kreuzes“ auseinander. Diese Institution bilde, so Dunant, eine wichtige Grundlage für die Humanisierung des Krieges. Er begrüßte den russischen Vorschlag warmherzig und mit eindringlichen Worten. Ohne an der Durchfühbarkeit der Vorschläge zu zweifeln, sah er jedoch für ihre Verwirklichung einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren.
In der Monatsschrift „Nord und Süd“, die meist geistes- und  naturwissenschaftliche Essays oder Arbeiten von „bleibenden Wert“ veröffentlichte , erschien im März 1899 ein Artikel vom Mitbegründer der „Deutschen Friedens­ge­sellschaft“ Eugen Schlief . Er lehnte in diesem Aufsatz die Abrüstung zum derzeitigen Zeitpunkt als „unjuristisch und undurchführbar“ ab, weil die Voraussetzungen dafür noch nicht gegeben seien. Diese müßten erst geschaffen werden durch die Kodifizierung des Völkerrechtes. Erst dann wäre die Möglichkeit gegeben, vom Zustand der „Anarchie zwischen den Staaten“ zu einem „geregelten Miteinander“ zu gelangen. Dieser festgeschriebene juristische Zustand zwischen den Staaten könne von einem Schiedsgerichtshof von Fall zu Fall ausgelegt werden. Erstaunlich war jedoch die Aussage, daß Fragen, die Verschiebung des „status quo“ betreffend , einem Schiedsgerichtshof entzogen werden müßten, da dieses „hochpolitische Differenzen“ wären, die nicht vor Gericht geklärt werden könnten . Abschließend legte Schlief seine Ansicht zu einer möglichen Lösungsvariante des Problems dar: durch einen „Staatengrundvertrag“ müßte das Verhältnis der Staaten untereinander auf eine feste Grundlage gestellt werden, um somit eine weitere Zusammenarbeit zwischen den Großmächten auf friedlicher Basis zu ermöglichen.
Auch in der „Deutschen Rundschau“, einer national - liberalen, alle Bereiche des öffentlichen Lebens betrachtende Zeitschrift, wurde das Zarenmanifest besprochen. Gewertet wurde es hier als eines der „bedeutendsten Dokumente des zur Neige gehenden neunzehnten Jahrhunderts“, ohne jedoch die Schwierig­keiten der Durchführbarkeit zu negieren. Insgesamt sah man in dem Dokument „einen nicht zu unterschätzenden Kulturfortschritt“, der die Annäherung der Staaten weiter voranbringen dürfte. Ein Heft später erhielt Albert von Boguslawski die Möglichkeit sich zum Manifest des Zaren zu äußern. Boguslawski hatte sich bereits Anfang der 1890er Jahre mit seinem Buch „Der Krieg in seiner wahren Bedeutung für Staat und Volk“ gegen jegliche Formen von Abrüstung und Schiedsgerichtsbarkeit radikal ausgesprochen. Ebenso tat er es in diesem Artikel: Ohne auch nur die theoretischen Möglichkeiten der zu erwartenden Konferenz, einer Prüfung zu unterziehen, lehnte er sie in ihrer Gesamtheit ab, da sie im besten Falle „die Aufstellung einiger allgemeiner Grundsätze oder Wünsche versprechen (lasse), nach denen sich jeder Staat so lange richten wird, als es ihm in seiner Sicherheit erträglich erscheint.“
Die von Friedrich Naumann herausgegebene Wochenzeitschrift „Die Hilfe“ betrachtete das Manifest des Zarens eher vorsichtig und mißtrauisch. Für sie war es nur schwer erklärlich, warum der russische Herrscher eine solche Verlautbarung im „Stil Bertha von Suttners“ veröffentlichen ließ und sah darin eher eine „schöne aber zwecklose Herzensbewegung des absoluten Herrschers an der Newa“. Auch in der „Hilfe“ kam der Gedanke zum Ausdruck, daß eine solche Initiative nicht ohne vorherige Konsultation der anderen europäischen Mächte erfolgt sein konnte. Dabei stellte der Verfasser zwei Spekulationen an, die interessant erscheinen und in keiner anderen Zeitung bzw. Zeitschrift auftauchten: Sollte die Konferenz ohne England einberufen werden, dann würde „der weichherzige Erlaß eine Koalition der Kontinentalmächte, eine Art militärisches Syndikat, in dem die militärische Produktion gegenüber einer englisch - amerikanischen Konkurrenz geregelt werden soll“, bedeuten. In diesem Falle könnte Deutschland ohne Bedenken teilnehmen. Würde jedoch England auch an der Konferenz beteiligt sein, so würde dies „einen Vertrag der beiden großen Weltmächte auf Kosten aller übrigen“ bedeuten, da „sie allein nach dem Erlaß weiterrüsten können, wie sie wollen, da der Zar absolut und ganz England für seine Flotte begeistert ist. Die zwischen Rußland und England liegenden Mächte zweiten Ranges sind dann schlecht daran, denn sie haben mit Parlamenten zu rechnen, die sich auf den Abrüstungserlaß berufen werden.“ Hierin sah „Die Hilfe“ die eigentliche Gefahr des Manifestes - die Stärkung der „antimilitaristischen Strömungen in Deutschland, Frankreich und Österreich“ und die daraus resultierende Schwächung der militärischen Kraft. Der Artikel schloß mit einem Aufruf an die Vorsicht der Regierenden: „Unter allen Umständen darf Deutschland in dieser Angelegenheit nicht vertrauensselig sein. Mißtrauen (ist angebracht), wenn der Wolf den Schafspelz anzieht.“ Eine Woche später  erschien ein weiterer, von Friedrich Naumann verfaßter, Artikel, der sich mit dem Zarenmanifest ausführlich auseinandersetzte. Dieser Beitrag war in vier Teile gegliedert und in seiner Form auf fiktive Äußerungen erfundener Personen gegründet. Durch diese stilistische Mittel konnte nun der eine Woche zuvor angeschlagene sehr negative Ton einer differenzierteren Sichtweise weichen. Im ersten Abschnitt des Beitrages, im „Gesang der Wassergeister“, machte Naumann, wenn auch etwas polemisch, deutlich, daß der Vorschlag des Zaren eine neue Ära der Menschheit einleitete: „Was erleuchtete Geister wie Kant vorausgesehen, was die Edelsten im Volke, verlacht und verspottet, in ihrem Herzen getragen, was Bertha von Suttner mit einer Feder, wie nur eine Frau sie haben kann, geschrieben hat, das wird nun schneller, als wir hoffen und ahnen konnten, zum Leitstern des mächtigsten Fürsten, des ersten Geistes an erhabener Stelle. (...) Heil unserem Kaiser, daß er sich mit ihm eins weiß! Jetzt mag man das Mausoleum Bismarcks bauen, wohin man will, wir wissen, daß in den Tempeln einer besseren Zeit ein anderer Name glänzend strahlen wir. Es lebe der Zar!“ Im zweiten Teil, den „Träumereien eines russischen Bauern“, machte Naumann deutlich, daß für die russische Bevölkerung durch das Zarenmanifest, keine Besserung ihres Zustandes zu erwarten sei. Wogegen er im dritten Abschnitt, dem „Brief eines alten Diplomaten“, das Geschick der russischen Diplomatie verdeutlichte: „Stellen sie sich vor, wie man sich in allen Kabinetten Europas dreht und windet. Natürlich glaubt ja keiner an die Predigt Murawjews, aber das dürfen sie ihm ja nicht sagen. Sie müssen jetzt alle nach seiner Friedenspfeife tanzen und dürfen dabei den Säbel nicht verlieren. Großartig. (...) Rußland führt die moralische Polonaise und gewinnt damit die Demokraten aller anderen Kontinentalmächte. (...) Der Slave ist nicht dumm, wahrhaftig nicht, der Slave weiß, was er will. (...) Ihm schadet diese Humanitätsfanfare wenig. Musik für Westeuropa! Das ist das Ganze.“ In den „Gedanken eines deutschen Marineoffiziers“ kamen die Überlegungen, aus dem eine Woche zuvor veröffentlichten Artikel, teilweise wieder. Da das Deutsche Reich seine Rüstung nicht einstellen würde, stelle sich die Frage, „wer abrüsten soll?“ Die im Aufbau begriffene deutsche Flotte käme dafür nicht in Betracht, „denn diese brauchen die Russen ja selber im Krieg gegen England“. Besonders deutlich kam auch der englisch - russische und der englisch - französische Gegensatz auf internationalem Gebiet zum Tragen. Durch diesen Gegensatz sei eine Verständigung zwischen Rußland, Frankreich und Deutschland auf Kosten des englischen Weltreiches möglich. „Wenn jetzt der Zar käme und sagte: „Kampfgenossen, wir alle haben Platz in der Welt, wenn England gestürzt wird. Laßt uns deshalb einen Pakt machen, der bis zum Falle Englands reicht. Wir wollen uns bis dahin unsere Gebiete garantieren, unsere europäischen Landheere einschränken und unserer Flotten nach gemeinsamen Plane vermehren. Was später wird sei Sache unserer Kinder.“ Wenn also der Zar so käme, so ließe sich darüber reden. (...) Freilich wird es den Franzosen sauer werden, in den Apfel dieser kontinentalen Verbrüderung zu beißen. Aber bei Gott, die Franzosen sind nicht unbelehrbar. Sie haben Polen vergessen, vielleicht vergessen sie auch Metz und Straßburg, wenn ihnen Aegypten, Hinterindien, Senegambien, Madagaskar und Algier desto heller leuchten. Kann denn Frankreich mit England gehen? Es ist durch den Suezkanal mit Rußland gebunden, es kann England nicht in Konstantinopel brauchen, es muß bei den Kontinentalmächten sein, wenn nur der Zar ernstlich sagt: Ihr allein seid mir zu wenig gegen England, ich brauche euch und die Deutschen! Es liegt hinter dem süßen Gerede eine harte Logik. Der Friedenserlaß bedeutet einen Kriegsbund. Nur so verstehe ich die Teilnahme Wilhelms II. (...) Sollte er nicht die Konferenz benutzen können, daß der alte Bismarck seine Freude an ihm haben könnte, wenn er noch lebte? Es lebe unser Kaiser!“
Nicht eindeutig klar wurde in diesem Artikel die persönliche Haltung Naumanns zum Zarenmanifest. Naumann war in der Zeit der Jahrhundertwende ein „gemäßigter liberaler Imperialist“ , dem es vor allem auf eine Machtsteigerung des Deutschen Reiches ankam. In diesen Kontext gestellt scheint es eher wahrscheinlich, daß seine Überlegungen, eine Machtsteigerung Deutschlands auf Kosten Englands im Zusammengehen mit Frankreich und Rußland, im vierten Abschnitt zu finden sind. Weiterhin muß man bei Naumann jedoch beachten, daß er sich um 1900 in der Bewertung außenpolitischen Fragen nie wirklich sicher fühlte, da der National-Soziale Kongreß „kein abgerundetes außenpolitisches Bild“ besaß. Für seine eher nüchterne Stellungnahme zum „Zarenmanifest“ bekam er 1898 auf dem Darmstädter Kongreß der Nationalsozialen, doch deutliche Kritik zu spüren. Dieser Vorwurf mag dann auch mit dafür verantwortlich sein, daß zur ersten Haager Konferenz kein weiterer Artikel in der „Hilfe“, weder über die weitere Vorbereitung noch während der Durchführung im darauffolgenden Jahr, erschienen ist.
In vielen der hier dargestellten Stimmen der Zeitgenossen außerhalb der Tagespresse kam deutlich zum Ausdruck, daß die im „Zarenmanifest“ dargelegten Vorstellungen sich nicht auf „Abrüstung der Staaten" verkürzen ließen. Machtpolitische Überlegungen, wie die von Hans Delbrück oder Friedrich Naumann, und Ideen auf einen Ausbau des Völkerrechts gerichtet, besonders deutlich von Eugen Schlief vertreten, standen nebeneinander und verdeutlichten die Breite der Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit. Die in den einzelnen Beiträgen immer wieder reflektierten Chancen eines Schiedsgerichtshofes bei der Lösung von internationalen Konflikten zeugen von einem Bewußtseinsstand, der überraschend erscheinen mag, sich jedoch bei einem kurzen Blick auf die Geschichte der Schiedsgerichtsbarkeit relativiert. Ideen zur Lösung von Streitfällen durch Schiedsgerichte reichen bis in die Antike zurück und waren bereits in der Bibel , der Edda und der fränkischen Geschichte zu finden. Im Mittelalter wurden eine Vielzahl von staatlichen bzw. Lehnsstreitfällen über Schiedsgerichte gelöst, wobei es sich meist um Vertragsauslegungen, Erbschafts- oder Territorialfragen handelte. Während in der Zeit des Absolutismus die Möglichkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit fast vollständig gegenüber der kriegerischen Lösung von Streitfällen, in den Hintergrund traten, begann die moderne Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Vertrag zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten vom 19.11.1794. In diesem Vertrag wurde festgelegt, daß ein Schiedsgericht den Verlauf des Grenzflusses St. Croix fixierte. Ein weiterer Schiedsfall der modernen Zeit war der „Alabamafall“, der von 1864 bis 1871 zwischen den Vereinigten Staaten und England ausgetragen wurde. Hierbei handelte es sich um die Versenkung des englischen Kriegsschiffes „Alabama“, das die Südstaaten im amerikanischen Sezessionskrieg unterstützt hatte. Im Schiedsspruch von 1871 einigten sich beide Staaten auf eine Entschädigung in Höhe von 15 Millionen Dollar, die den USA zugesprochen wurden. Wichtiger als der Schiedsspruch selbst, war die Tatsache, daß sich zwei Staaten auf der Grundlage eines Schiedsvertrages über Fragen einigten, die ihr Prestige als Seemächte berührten. Auch wurde in dem Vertrag zwischen naturrechtlichen Vorstellungen, vertreten durch die USA, und gewohnheitsrechtlichen, vertreten durch England, vermittelt und somit der Schiedsgerichtsbarkeit eine weitere Perspektive eröffnet. Auch in anderen politisch minderwertigen Fragen gelang es z.B. 1862 zwischen England und Brasilien oder 1875 zwischen Japan und Peru, zu einem schiedsgerichtlichen Ausgleich zu gelangen. Bei prinzipiellen Gegensätzen war eine Vermittlung jedoch schwerer, wenn nicht unmöglich. Als z.B. 1889 der deutsche Botschafter in London bei Lord Salisbury einen schiedsgerichtlichen Ausgleich über koloniale Differenzen anregte, antwortete ihm dieser: „daß er ... nicht in der Lage sei, gewisse Entscheidungen selbst zu treffen und der öffentlichen Meinung gegenüber die Verantwortlichkeit dafür auf sich zu nehmen. Jede für englische Interessen ungünstige Lösung würde, wie die Dinge liegen, ihm hier zur Last gelegt werden, wenn eine solche Lösung sich auf einen freiwilligen Verzicht der englischen Regierung auf das, was man hier im Publikum mit Recht oder mit Unrecht als ein berechtigtes englisches Interesse betrachtet, zurückführen ließe ... Ganz vertraulich fügte der Minister hinzu, daß er seinerseits gar nichts dagegen haben würde, wenn in gewissen Fragen unsere Wünsche (d.h. die deutschen - M.B.) mehr Berücksichtigung finden könnten als das hier in manchen Kreisen für annehmbar gelten würde ... Dies würde sich erreichen lassen, wenn Euere Durchlaucht (Fürst Bismarck - M.B.) es für annehmbar und nützlich halten sollten, auf eine näher zu vereinbarende Arbitrage über die fraglichen Punkte einzugehen.“ Letztendlich kam es zu keinem Ausgleich der kolonialen Interessen und auch eine deutsch - englische Annäherung war nicht zu erreichen. Aber diese oben beschriebenen Fälle waren, wenn auch nicht der breiten, so doch zumindestens einem Teil der Öffentlichkeit bekannt und hatten gezeigt, daß ein Interessenausgleich auf schiedsrichterlichem Wege in bestimmten Fällen möglich war.
In den großen Komplex des Interessenausgleich zwischen Staaten fällt auch das in der Literatur als „Gleichgewicht der Mächte“ bezeichnete Prinzip. Der „Wiener Kongreß“ nimmt auf diesem Gebiet eine herausragende Stellung ein, da sich erstmalig in der Neuzeit alle europäischen Staaten zu diesem Prinzip bekannten und eine Ordnung schufen, die über Jahrzehnte den Frieden in Europa garantierte. Dies war möglich nachdem die Großmächte in Europa zur gemeinschaftlichen Hegemonie - durch die Niederwerfung Frankreichs - gelangt waren. Um ihre Vorstellungen von Recht und Ordnung in Europa durchzusetzen, hatten sie „eine neue diplomatische Methode, die Beratung der europäischen Angelegenheiten auf periodischen Kongressen eingeführt und (nahmen) für sich mit dem Recht zur Intervention die Stellung eines obersten Schiedsrichterkollegiums in Anspruch“ . Die am 2. September 1815 unterzeichnete „Heilige Allianz“ war dagegen, und das gilt es besonders zu betonen, nur eine moralische Absichtserklärung, ohne juristische Verbindlichkeit. Erst der am 20. November 1815 unterzeichnete Vertrag gab die juristische Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den vier Großmächten. Nach dem Beitritt Frankreichs 1818 zum Bund der vier europäischen Großmächte hieß es im Aachener Protokoll vom 15. November 1818, „daß diese Vereinigung, die um so realer und dauerhafter ist, als sie von keinem Einzelinteresse, von keiner Augenblickskombination abhängt, kein anderes Ziel haben kann, als die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens, gegründet auf die gewissenhafte Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen, von der die gesamten vertraglichen Rechte abhängen. (...) Sollten die Mächte, die an der gegenwärtigen Urkunde mitgewirkt haben, es für erforderlich halten, besondere Zusammenkünfte, sei es der Souveräne selbst, sei es ihrer Minister und Bevollmächtigten, herbeizuführen, um dort ihre eigenen Interessen, soweit sie sich auf den Gegenstand ihrer jetzigen Beratungen beziehen, zu verhandeln, so werden Zeit und Ort dieser Zusammenkünfte jeweils vorher auf diplomatischem Wege festgesetzt, und wenn diese Zusammenkünfte Angelegenheiten zum Gegenstand haben sollten, die mit den Interessen der anderen europäischen Staaten in besonderer Verbindung stehen, so sollen sie nur stattfinden auf Grund eines förmlichen Ersuchens seitens der Staaten, welche die genannten Angelegenheiten angehen, und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt ihres Rechtes, unmittelbar oder durch ihre Bevollmächtigten daran teilzunehmen.“ Die Unterschied zwischen der „Heiligen Allianz“ und dem Vertrag vom 20. November 1815 (und dessen Erweiterung 1818) gilt es festzuhalten, denn erst durch die rechtliche Fixierung war es den Staaten möglich, international verbindliche Abmachungen zu treffen.
Die Idee - Interessenausgleich durch Kongresse - wurde im 19. Jahrhundert mehrmals erfolgreich praktiziert. Erwähnt werden sollen hier nur der „Berliner Kongreß“ von 1878, auf dem der Friede von San Stefano (3.3.1878) zwischen Rußland und der Türkei revidiert wurde, und die „Kongo Konferenz“ von 1885, auf der Vereinbarungen über den Interessenausgleich in Afrika erlangt worden waren
Es waren also Gedanken und Projekte, die den Interessenausgleich zwischen Staaten auf friedlichem Wege zum Ziel hatten und Überlegungen, wie sie z.B. im „Zarenmanifest“ dargelegt worden waren, nicht völlig neu. Vielmehr hatten sie einen weiten historischen Hintergrund, der Teilen der deutschen Bevölkerung, besonders dem Bildungsbürgertum, durchaus bekannt gewesen sein dürfte. Somit läßt sich die Breite der Erörterungen in den deutschen Zeitschriften erklären, wobei es aber festzuhalten gilt, daß sich die Diskussion nicht in der Reflexion des historischen Hintergrundes erschöpfte, sondern auf die Situation des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die weitere Entwicklung der Staatengemeinschaft bezogen wurde. Gerade in der friedlichen Weiterentwicklung der Staatengemeinschaft sah die deutsche Öffentlichkeit eine Perspektive für die Zukunft. Chauvinistische oder auf breite koloniale Expansion orientierte Gedanken waren dagegen, in den oben genannten Zeitschriften des Deutschen Reiches nicht zu finden.

2. DER VERLAUF DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ

 

2.1. Die Arbeitsorganisation der ersten Haager Konferenz

Die  erste Haager Konferenz fand vom 18. Mai bis 29. Juli 1899 in der niederländischen Hauptstadt statt. Zu ihr hatten sich über 100 Delegierte aus 26 Staaten eingefunden, worunter sich zum größten Teil europäische Länder befanden. Am Rande der Konferenz fanden sich außerdem eine Vielzahl nichtamtlicher Personen ein: Berichterstatter der Presse, Interessensvertreter nationale Minderheiten und Personen, die man heute als Pazifisten bezeichnen würde. Unter ihnen befand sich auch die österreichische Schriftstellerin Bertha von Suttner, die durch ihr Buch „Die Waffen nieder!“ in die Geschichte der Friedensbewegung eingegangen ist. Unklar blieb vor Beginn der Konferenz jedoch, welcher Art die Verhandlungen sein würden, auch war nicht deutlich, mit welchen Vollmachten die Vertreter der einzelnen Länder ausgestattet waren. Die Verhandlungen auf der Konferenz fanden nichtöffentlich statt, jedoch wurden von vielen Delegierten die Zeitungen und Nachrichtenbüros über die laufenden Vorgänge informiert.
Die hauptsächliche Arbeit der ersten Haager Konferenz fand in Kommissionen, Unterkommissionen und informellen Verhandlungen statt, da durch den großen Teilnehmerkreis eine effektive Arbeit im Plenum nicht gegeben war. Insgesamt fanden nur 10 Plenartagungen statt, wobei die offiziellen, d.h. mit Zugang der Öffentlichkeit, bereits mitgezählt sind. Eingerichtet wurden auf der Konferenz drei Arbeitsgruppen, die sich mit folgenden Problemfeldern beschäftigen sollten: Die erste befaßte sich mit der Abrüstungsfrage, die zweite mit Fragen des Kriegsrecht und die dritte mit dem Schiedsgerichts­problem. (In der dritten Kommission wurde also eine Frage erörtert, die in dem ursprünglichen Schreiben Murawjews an die Vertreter der einzelnen Länder gar nicht vorgesehen war. Es wurde erst dem Einladungsschreiben hinzugefügt, nachdem man sich auf den Ort der Konferenz geeinigt hatte.) Einigkeit herrschte bereits zum Beginn der Konferenz darüber, daß man Beschlüsse nur einstimmig fassen würde, weil sonst keine Möglichkeit der Durchsetzung gegeben wäre. Die Durchsetzung der Beschlüsse sollte den Staaten auf „Ehre und Gewissen“ anvertraut werden.
Die Arbeit der ersten Arbeitsgruppe wurde von den Delegierten fast als überflüssig angesehen. Von vornherein war klar zu erkennen, daß kein Staat sich auf eine noch so geringe Rüstungseinschränkung einlassen würde, wenn man in ihr eine strategisch wichtige Waffengattung erblickte. Ein Verbot bestimmter - noch in der Entwicklung befindlicher - Waffensysteme, so z.B. dem Abwurf von Geschossen aus Ballons oder dem Gaskrieg, wurde beraten, jedoch nur in der Hinsicht, da man noch über keinerlei praktische Erfahrung in deren Umgang besaß, daß, wenn es zu einem Verbot kommen würde, dies nur zeitlich begrenzt sein dürfe. Dülffer bewertete dann auch die Arbeit dieser Kommission, als Anstrengung, dem „Abrüstungsvorschlag das von vornherein absehbare „Begräbnis erster Klasse“ - so der interne Sprachgebrauch - zu geben, das dennoch den Anschein eines ernsten Bemühens wahrte.“
Die zweite Arbeitsgruppe erzielte wichtige Übereinkünfte bei der Kodifizierung des Kriegsrechtes, wobei sich diese Arbeit mehr im Hintergrund abspielte. Als wichtigste Arbeitsgruppe entwickelte sich die dritte. Über die Überlegungen und Vorschläge, die hier diskutiert wurden, kam es fast zum Eklat. Die deutsche Seite weigerte sich strikt, einem obligatorisch anzurufenden und permanent tagenden Schiedsgericht zuzustimmen. Dieses sollte bei Streitigkeiten zwischen (mindestens) zwei Staaten angerufen werden und schlichten, sobald der Verhandlungsgegenstand nicht die Ehre eines Staates berührte. (Auf diesen Punkt wird im folgenden Kapitel noch näher eingegangen werden.)
Die Verhandlungen auf der ersten Haager Konferenz wurden daneben von einer doppelten Rücksichtnahme beherrscht: Erstens wollte man Rußland, als den eigentlichen Initiator der Konferenz, nicht brüskieren und zweitens waren die Erwartungen der Öffentlichkeit, besonders in England, Frankreich und den USA, so hoch, daß man innenpolitische Spannungen, bei einem Scheitern der Konferenz, vermeiden wollte.


2.1.1. Instruktionen und Haltung der deutschen Regierung zu den Verhandlungen auf der ersten Hager Konferenz

 

Die deutsche Seite sandte zu der Konferenz nach Den Haag folgende Vertreter: Leiter der Delegation wurde der Pariser Botschafter Graf Münster, den als „wissenschaftliche Delegierte“ der Münchner Völkerrechtsgelehrte Freiherr von Stengel und Professor Zorn aus Königsberg  unterstützten. Als militärische Sachverständige fuhren der ehemalige Pariser Militärattaché Oberst Groß von Schwarzhoff und der Marineattaché Kapitän z.S. Siegel mit zur Konferenz. Bei der Auswahl der Vertreter ging man jedoch nicht unbedingt nach Qualifikation sondern nach Loyalität und Herkunft, so wurde z.B. Freiherr von Stengel delegiert, weil er Bayer war und die bayerische Regierung darauf gedrungen hatte, daß der zweite Delegierte ein Diplomat aus ihrem Lande sein müsse. Dabei wurde vom Auswärtigen Amt „übersehen“, daß Stengel im Frühjahr 1899 eine Broschüre „Der ewige Friede“ verfaßt hatte, die ihn als einen eindeutigen Gegner der Weltfriedensidee kennzeichnete. Auch bei anderen Delegations­mitgliedern war die Motivation für die Teilnahme an der ersten Haager Konferenz nicht besonders hoch. Außergewöhnlich deutlich wurde dies in einem Privatbrief des deutschen Leiters der Delegation Graf Münster an den Leiter des Auswärtigen Amtes von Bülow. Dort hieß es: „Mit Illusionen gehe ich nicht in die Konferenz, so ehrenvoll es auch ist. Leeres Stroh dreschen ist stets eine undankbare Aufgabe, besonders wenn es, ..., russisches Stroh ist, denn darin findet sich immer viel giftiges Unkraut.- Die Aufgabe ist besonders schwierig, weil eine Konferenz wie diese, ..., nicht mit einem Fiasko enden darf und ein Vorbereiten des ewigen Friedens eine kindische Illusion ist.“
Ähnlich dachte man auch in der Führungselite des Deutschen Reiches. Bülow schrieb am 12. Mai 1899 in seinen Instruktionen an den Grafen Münster: „Das von der russischen Regierung mitgeteilte, .., Canevas de programme für die Haager sogenannte Friedenskonferenz ist derart allgemein gehalten, ..., daß es unmöglich  erscheint Ew. pp. im vornhinein mit einer eingehenden Instruktion für ihre Haltung gegenüber allen eventuell auf der Konferenz auftauchenden Fragen zu versehen.“ (Genau diesen Punkt kritisierte dagegen der Völkerrechtsgelehrte Zorn. Bei seiner Vorstellung im Auswärtigen Amt wurden ihm und den anderen deutschen Vertreter keinerlei Instruktionen erteilt. „Allgemeine Weisungen an uns vom Auswärtigen Amt ergingen nicht. Mit einem Worte: es fand nicht die mindeste amtliche Vorarbeit für die Konferenz statt.“ ) Bülow führte dann weiter aus, daß man sich 1. nicht mit einer auch irgendwie gearteten Rüstungs­be­schränkung bereit erklären würde, 2. Deutschland auf Einstimmigkeit bei Entschlüssen orientiert sei und 3. Schiedsgerichte nur für untergeordnete Probleme der zwischenstaatlichen Beziehungen eingesetzt werden dürften, die dabei die vitalen Interessen der Staaten nicht berührten. Abschließend wies Bülow darauf hin, daß Münster keinerlei Befugnisse habe eigene Entscheidungen zu treffe, er sich vielmehr „von Fall zu Fall die allerhöchsten Intentionen Seiner Majestät des Kaisers“ einzuholen habe.
Dies war auch angebracht, denn Wilhelm II. sah der Arbeit der Konferenz mit großer Skepsis entgegen. Seiner Meinung nach war sie eindeutig gegen die deutschen Rüstungsbemühungen gerichtet, „welche Rußland gerne zum Stehen bringen will, um uns in der unterlegenen minderwertigen Position sich gegenüber festzuhalten“; Deutschland habe, so die Meinung des Deutschen Kaisers, 15 Jahre gegenüber Rußland aufzuholen. Bezeichnend für seine Ansichten war folgende unmißverständliche Bemerkung: „Die Conferenzkomödie mache ich mit, aber den Degen behalte ich zum Walzer an der Seite.“
Es ist unmöglich, um auf die Vielzahl der Weisungen von deutschen Seite, zu den Verhandlungen der einzelnen Kommissionen und Subkommissionen näher einzugehen. Nur an dem Beispiel der Behandlung der Schiedsgerichtsproblematik soll gezeigt werden, wie sehr sich die deutsche Regierung dagegen sträubte, verbindliche Zusagen zu machen.
Die deutsche Militärplanung sah bei einer internationalen Krisensituation eine schnelle Mobilisierung aller militärischen Kontingente vor, um einen schnellen Schlag gegen Frankreich bzw. Rußland führen zu können. In der Einsetzung eines obligatorischen Schiedsgerichtes sah man dagegen die Chance für Rußland bzw. Frankreich gegeben, diesen Zeitfaktor für die eigene Mobilisierung zu nutzen. Dies wollte man von deutscher Seite aus, rein vom militärischen Standpunkt aus betrachtet völlig legitim, mit allen Mitteln verhindern. Als dann die Frage der Errichtung eines permanent tagenden und obligatorisch anzurufenden Schiedsgerichts auf der ersten Haager Konferenz diskutiert wurde, erging an den deutschen Vertreter Zorn die Anweisung, gegen jegliche diesbezügliche Vereinbarung aufzutreten. Bülow riskierte damit die völlige Isolierung Deutschlands sowie ein Scheitern der gesamten Konferenz. Nur durch die persönliche Intervention Zorns in Berlin konnten der Kaiser und Bülow davon überzeugt werden, daß die außenpolitischen Folgewirkungen für das Deutsche Reich außerordentlich negativ gewesen wären. Obwohl sich die deutschen Vertreter in Den Haag bemühten „so viele Sicherheitsventile in diesen gekünstelten Apparat zu bringen, daß das ganze nur Sand wird, den wir der öffentlichen Meinung in die Augen werfen können“ , wurde die endgültige Entscheidung für die Errichtung eines Schiedsgerichtes vom Willen des Kaisers abhängig gemacht. Auch hatten sich die Positionen im Auswärtigen Amt geteilt: Holstein war für eine völlige Ablehnung jeglicher Vereinbarungen zu einem Schiedsgericht , wogegen Bülow die Isolation Deutschlands sah und dagegen vorging. Schließlich einigte man sich im Auswärtigen Amt darauf, daß Deutschland einem Schiedsgericht zustimmen würde, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß es nicht obligatorisch anzurufen sei und nur aus einer Liste von Schiedsrichtern bestehen dürfe, aus der die beteiligten Staaten wahlweise die Richter bestimmen sollten. Diese Position wurde dann auch auf der Konferenz durchgesetzt, wobei jedoch in Den Haag die Stigmatisierung Deutschlands als „Friedensstörer“, nicht mehr zu beseitigen war.


2.1.2. Die Berichterstattung in der deutschen Öffentlichkeit zu den Verhandlungen auf der ersten Haager Konferenz

 

Alle deutschen Tageszeitungen berichteten in großer Aufmachung über die Eröffnung der Konferenz in Den Haag. Auch hier kamen die bereits im Abschnitt 1.1.3. vorgestellten Hoffnungen und Befürchtungen zum Tragen. Außerdem kritisierten die liberalen Blätter den Ausschluß der Presse, da hierdurch eine breitere Berichterstattung nicht möglich wäre. In vielen Blättern wurde auf die Schwierigkeiten des Einladungsmodus verwiesen, so schrieb z.B. das „Berliner Tageblatt“: „Da waren gar manche Leute, die sich ordentlich nach einer Einladung drängten, und die man nicht gut vor den Kopf stoßen konnte; so der Heilige Vater, dessen Reich aber nicht von dieser Welt ist, Ferdinand der Bulgarenfürst, der aber des Vasall des Sultans ist, und der alte Ohm Krüger, gegen den leider die Großmama Viktoria etwas einzuwenden hatte.“ Die „Germania“ bedauerte es ihrerseits, daß der Papst keinen Vertreter zu der Konferenz entsenden durfte, stellte dies aber nicht übermäßig heraus, sondern sah darin eher eine Rücksichtnahme auf Italien, das sonst nicht in Den Haag erschienen wäre. Auch war bei einigen liberalen Zeitungen die Hoffnung auf bedeutende Ergebnisse der Konferenz einer doch deutlichen Skepsis gewichen; nun wurde - fast schon an Zweckoptimismus erinnernd - bereits das Zustandekommen der Konferenz als Erfolg gewertet. Die konservativen Zeitungen machten keinen Hehl aus ihrer Ansicht, daß die Konferenz zu keinen oder nur zu unbedeu­tenden Ergebnissen kommen würde. Der sozialdemokratische „Vorwärts“ hatte dagegen nicht einmal die Hoffnung auf ein Ergebnis der ersten Haager Konferenz. „Die Beseitigung der Kriegsbarberei ist ebenso notwendig, wie möglich. Damit ist aber nicht gesagt, daß das Haager Diplomatenkränzchen im stande wäre, die Idee auch nur der Realisierung näher zu führen. Dazu fehlen alle Vorbedingungen.“ Die größten Hoffnungen setzte noch die „Freisinnige Zeitung“ in die Konferenz. Hier hieß es: „Möge (ihr) ein guter Erfolg beschieden sein. Ihre Arbeiten können nicht vergeblich sein, wenn die Vertreter der Mächte wirklich den guten Willen haben, dem Kriege den Krieg zu erklären. Der Zar hat jüngst auf den Hinweis, daß die Einberufung der des Friedenskongresses den Völkern wenigstens die Hoffnung auf Völkerfrieden gebe, erwidert: „Ach, Hoffnungen! Mit diesen Hoffnungen werden die Völker nun schon seit Jahrhunderten getäuscht. Wir wollen nun endlich, daß sie verwirklicht werden, wir wollen Thaten sehen!“ In diesem Sinne begleiten die Hoffnungen und Wünsche aller wahren Friedensfreunde die Arbeiten der Konferenz.“
Im weiteren Verlauf der Konferenz ließ die Intensität der Berichterstattung über die erste Haager Konferenz teilweise nach. Meldungen über die Verhandlungen wurden nun fast immer auf der zweiten oder dritten Seite veröffentlicht, wobei jedoch festzustellen war, daß zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen das Interesse der Öffentlichkeit vollständig erlahmte. Das Scheitern der ersten Kommission zur Abrüstungsfrage wurde ebenso registriert, wie auch die Haltung des Deutschen Reichs zur Frage der Schiedsgerichtsbarkeit. Auch die Reise Zorns nach Berlin, um der Reichsregierung die Brisanz der Lage zu erklären, wurde verzeichnet. Dabei herrschte in allen Zeitungen Unklarheit über den Zweck der Reise. Veröffentlicht wurde, daß Zorn eine Erklärung verlesen haben soll, welche das allgemeine Schiedsgericht ablehnte (so das Berliner Tageblatt), die er jedoch gar nicht, wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben, in Den Haag vortrug. Die sich hinter den Kulissen abspielenden Kontroversen der Reichsleitung und die Instruktionen an die Vertreter Deutschlands auf der Konferenz, waren der deutschen Öffentlichkeit nicht bekannt. Zorn selbst hatte sich bemüht regelmäßige Berichte über die Verhandlungen in großen deutschen Tageszeitungen unterzubringen, jedoch wurde ihm von denen signalisiert, daß kein Bedarf dafür vorliege. Zorns doch deutlich negative Aussage, gilt es hingegen zu relativieren. Die Notwendigkeit einer von ihm getragenen Berichterstattung, schien es tatsächlich nicht zu geben, denn die Tageszeitungen brachten eine umfassende und ausführliche Darstellung der Verhandlungen in Den Haag. Ob Zorn die Verhandlungen hinter den Kulissen und die wahren Absichten seiner Reise nach Berlin in den Tageszeitungen beschrieben hätte, kann wohl mit Recht bezweifelt werden.
Auch in Beiträgen, die nur mittelbar mit der Konferenz zu tun hatten, wurde auf die Verhandlungen in Den Haag und die daran geknüpften Hoffnungen verwiesen. In einem Artikel der „Vossischen Zeitung“ zum Pfingstfest von 1899 hieß es z.B.: „Wenn die christliche Lehre allmählich dem Satz Eingang ... verschafft hat, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, so wird auch das christliche Gebot: „Friede auf Erden!“ sich mit der Zeit Geltung verschaffen. Wie lange es noch dauern wird wissen wir nicht. Es ist möglich, daß wir noch Jahrhunderte lang zu streben haben werden, aber auch möglich, daß unsere Hoffnungen über Erwarten schnell in Erfüllung gehen. (...) Es kommt auch nicht darauf an, ob der Schritt, der uns dem Ziele näher führt, groß oder klein ist, sondern nur darauf an, daß wir uns vom Ziele nicht entfernen.“
In den theologischen Zeitschriften des Deutschen Reiches wurden die Verhandlungen auf der ersten Haager Konferenz ebenfalls verfolgt. Die von Martin Rade herausgegebene „Christliche Welt“ nahm den Kongreß zum Anlaß, um eine lange Artikelserie zu dem Oberthema „Krieg und Frieden“ zu veröffentlichen. In dieser Serie wurden Denkstereotypen der wilhelminischen Zeit über dieses Thema analysiert und verworfen. So wurde z.B. der Ansicht widersprochen, daß ein Krieg ein Volk bessern kann, daß es „sittlich und moralisch gehoben“ würde durch einen Krieg. Verwiesen wurde weiterhin darauf, daß die „Untugenden und Jämmerlichkeiten, die auf Kriegspfaden zu Tage kommen,“ nur „zu gerne verschwiegen“ werden. Der mit R(ade). unterzeichnete Artikel schloß mit den Worten: „Der Krieg ist unter keinen Umständen ein Gut. Folglich muß man mit allen Mitteln den Frieden fördern und allerlei Tugenden im Frieden entwickeln. Es giebt da Streit genug und Gelegenheit, tapferen Mut zu beweisen. Es nutzt auch die Unterscheidung gerechter und ungerechter Kriege nichts. (...) Krieg ist immer ein Ausbruch der Leidenschaft, ... Aller Kriegsenthusiasmus, alle Idealisieren des Krieges ist unmoralisch. (...) Der Krieg mag kommen, wann er kommen soll. Er ist unter allen Umständen von Uebel.“
Mit diesen Ansichten stand jedoch die „Christliche Welt“ im theologischen Spektrum der deutschen Gesellschaft weitestgehend allein. Die „Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung“ verdächtigte z.B. die Anhänger der Friedensbewegung und Befürworter der Haager Konferenz als „Vereinigungen“ hinter denen „politische und sozialradikale Ziele steckten“, wobei nicht versäumt wurde darauf zu verweisen, daß diese „meist von Juden getragen“ seien. Auch verwies sie in ihren Artikeln zu den Verhandlungen in Den Haag darauf, daß diese von England benutzt würden, um Deutschland in der Welt zu desavourieren und die eigene weltpolitische Stellung zu stärken. Dieses war ein gängiger Topos der konservativen Presse, der auch in der „Allgemeinen Konservativen Monatsschrift für das christliche Deutschland“ und auch in der „Neuen Preußischen Zeitung“ nachzuweisen war.
In den periodisch erscheinenden deutschen Zeitschriften wurde die Diskussion über die Haager Konferenz spürbar geringer. Die „Deutsche Revue“ veröffentlichte nur noch drei Artikel, darunter auch einer von Bertha von Suttner, wobei die bereits im Kapitel 1.1.2. dargestellten Argumente wiederkehrten. Sowohl in den „Preußischen Jahrbüchern“ als auch in der Zeitschrift „Nord und Süd“ erschien kein weiterer Artikel zur Konferenz. Anders dagegen die „Deutsche Rundschau“: Hier ergriff der Philosoph und Soziologe Ludwig Stein das Wort um gegen die im Novemberheft 1898 von A. von Boguslawski veröffentlichten Ansichten zu polemisieren. Stein verwarf hierin die von Boguslawski verwandte Methode, sich auf Autoritäten zu berufen (argumentum ad hominem), da sich so keinerlei Beweise führen ließen. Ebenso verwarf er die Aussage, daß der Krieg als Erscheinung „in der Natur des Menschengeschlechtes  begründet sei“, da die „Instincte“ durch „Vernunftsgründe“ im Laufe der Geschichte ersetzt worden seien. Auch Stein sah, ähnlich wie Eugen Schlief, die Möglichkeit der Völkerverständigung in der Einsetzung von Schiedsgerichten und dem Abschluß eines „Weltschiedsvertrages“, der, würde er zustande kommen, „die  größte Tat des Jahr­hunderts“ und den Beginn einer „neuen Zeitrechnung“ darstellen würde.
Gleichfalls setzte sich in der „Zukunft“ die Diskussion weiter fort. Einen Höhepunkt erreichte diese in der Ausgabe vom 20. Mai 1899, die sich fast ausschließlich mit der Haager Konferenz beschäftigte. Hier wurden Artikel von Maximilian Harden , Bertha von Suttner, Lew Tolstoi, Paul Garin und Max Bittrich abgedruckt. Harden und Suttner begrüßten die Konferenzeröffnung, setzten aber nicht so sehr die Hoffnung auf einen schnellen bzw. vollen Erfolg der Zusammenkunft. Die große Dame der Friedensbewegung verwies in ihrem Beitrag darauf, daß „Abrüstung“ nicht ein Ziel der Beratung sei, obgleich alle Welt davon rede und im ursprünglichen Aufruf davon keine Rede gewesen sei. Im Gegensatz zu Tolstoi werteten beide jedoch, wie die liberalen Tageszeitungen auch, bereits das Zusammentreten der Konferenz als Erfolg. Der bekannte russische Schriftsteller sah sie dagegen, als „heuchlerische Veranstaltung, deren Zweck (es sei) nur keinen Frieden und keine Verminderung des Militarismus herbeizuführen“ . Als einzige Möglichkeit „Heere zu vermindern und abzuschaffen“ sah er die totale „Verweigerung des Militärdienstes“.

3. DIE BESCHLÜSSE DER ERSTEN HAAGER KONFERENZ

Auf der Konferenz wurden nach langen Verhandlungen folgende Beschlüsse gefaßt:
1. In der Abrüstungsfrage konnte bzw. wollte man sich weder auf Beschränkung noch auf Vernichtung einzelner Waffensysteme einigen, so daß man sich im Abschlußprotokoll auf die Formulierung einigte: „Die Konferenz spricht den Wunsch aus, daß die Regierungen, in Berücksichtigung der auf der Konferenz gemachten Vorschläge, die Frage der Möglichkeit einer Vereinbarung, betreffend die Beschränkung der bewaffneten Macht zu Lande und zur See und der Militärbudgets, ihrem Studium zu unterwerfen.“ Dadurch daß die Konferenz nur den Wunsch aussprach, die Abrüstungsfrage einem weiteren Studium zu unterwerfen, machte man klar, daß die Meinungen über das Thema zu stark differierten. Kein Staat war bereit, Abstriche bei eigenen militärischen Planungen zu machen. So wurde dann auch dieses Thema auf der zweiten Haager Konferenz 1907 nicht wieder auf die offizielle Tagesordnung gesetzt.
2. Verabschiedete man die Haager Landkriegsordnung, welche Bestimmungen über die Behandlung der Zivilbevölkerung, von Spionen, Kriegsgefangenen, Kranken und Verwundeten u.ä. im Krieg vorsah.
3. Wurde erklärt, daß für einen Zeitraum von fünf Jahren das Abwerfen von „Explosivstoffen“ aus „Luftballons“, der Einsatz von Giftgasen und der Gebrauch von (sogenannten) Dum-Dum-Geschosse verboten sei.
4. Beschloß man den Aufbau eines Schiedsgerichtes, das jedoch nur aus einem Büro in Den Haag und einer Schiedsrichterliste bestand, aus der die einzelnen Richter ausgewählt werden konnten. In diesem Punkte hatte sich Deutschland durchgesetzt. Weiterhin brauchte das Schiedsgericht nicht obligatorisch, sondern nur rein fakultativ angerufen zu werden.
Gemessen an den ursprünglichen russischen Vorschlägen zu dieser Konferenz waren die Ergebnisse von relativ geringer Bedeutung. Das eigentliche Grundanliegen: die Abrüstung voranzubringen, war völlig gescheitert. Einzig auf unwesentliche Vereinbarungen zu Fragen der Kriegführung und der Behandlung von darin beteiligten Personen konnte man sich einigen. Als einen Erfolg, wenn auch mit geringer Wirkung, kann man die Einsetzung des Schiedsgerichtes werten. Dabei gilt es zu beachten, daß erstmalig auf einer großen internationalen Konferenz von allen beteiligten Staaten offiziell das Prinzip akzeptiert wurde, Streitfälle über eine international anerkannte Schlichtungsstelle friedlich zu lösen.


3.1. Wertung der Beschlüsse der ersten Haager Konferenz durch die deutsche Regierung

 

Die deutsche Regierung verfolgte die Entwicklung der Verhandlungen in Den Haag mit großer Aufmerksamkeit. Dabei legte man besonderes Augenmerk auf die Behandlung des Themas der Errichtung eines ständigen Schiedsgerichtes. Die Standpunkte die dabei vertreten wurden sind bereits weiter oben dargelegt worden, so daß hier nur auf die direkte Bewertung der endgültigen Ergebnisse der Konferenz einzugehen ist.
Die „Ergebnisse“ der Kommission, die sich mit der Abrüstungsfrage beschäftigt hatte, wurden nicht weiter kommentiert. Sie entsprachen voll den Erwartungen des Auswärtigen Amtes. Gleiches galt auch für die Resultate der Kommissionen, die sich mit der Landkriegsordnung, der Unverletzlichkeit des Eigentums auf See und dem Abwurf von „Explosivstoffen“ befaßte. Nur die Ergebnisse der Schiedsgerichtskommission wurden einer besonderen Wertung unterzogen.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Bülow schrieb in einer Ausfertigung an den Kaiser, welche Beweggründe er geltend mache, warum Deutschland das Schiedsgericht annehmen sollte: „Die Schiedsgerichtsidee ist an und für sich durchaus unsympathisch. (...) Versagen wir uns ganz der Schiedsgerichtsidee, so bringen wir uns in Gefahr die Früchte von Euerer Majestät weitausblickender Politik, namentlich im Verhältnis zu Rußland und den Vereinigten Staaten von Amerika, wieder zu verlieren. (...) Der Dreibund bleibt unerschüttert, und vor allem gewinnt Euerer Majestät Verhältnis zu Kaiser Nikolaus eine neue Festigung , die an der Themse gewiß wenig gefallen und sehr zum Nachdenken anregen würde.“ Außenpolitische Interessen standen also klar im Vordergrund der Argumentation. Wilhelm II. kommentierte die Ausführungen in beispielloser Drastik: „Damit er sich nicht vor der Europa blamire, stimme ich dem ganzen Unsinn zu! Aber werde in meiner Praxis auch für später mich nur auf Gott und mein scharfes Schwert verlassen und berufen! Und scheiße auf die ganzen Beschlüsse!“
Man kann also sagen, daß sich die deutsche Führungselite von einem Schiedsgericht, wie auch immer es aussehen sollte, nicht den geringsten Nutzen versprach. Vielmehr verstand man die eigene militärische Stärke als Garant für eine erfolgreiche deutsche Politik. Allein außenpolitische Bedenken und die Gefahr einer internationalen Isolierung Deutschlands waren ausschlaggebend für die Zustimmung. 
Abschließend soll noch die Haltung des ersten Delegierten auf der Haager Konferenz Graf Münster dargestellt werden. Er schrieb nach Ende der Konferenz an den Reichskanzler Hohenlohe: „Vor allem wünsche ich als guter Deutscher, daß die europäischen Staaten es niemals wieder erdulden werden, daß ein russischer Zar unter dem heuchlerischen Vorwande der Friedensliebe Europa auszubeuten und zu bevormunden versucht. (...) Was die russischen Konferenzvorschläge betrifft, so sind sie abgelehnt oder so modifiziert worden, daß nicht viel davon geblieben ist. (...) Der Abrüstungsvorschlag war ebenso lächerlich als die Motivierung durch einen Appell an die Sozialisten und das Seufzen der Völker unter den Militärdrucke. Der Zweck war Schwächung der Wehrkraft der europäischen Staaten, Schwächung der Unabhängigkeit der großen Staaten durch Schiedsgerichte, Gewährung eines größeren Einflusses den kleinen Staaten, Neutralisation der Großen durch die Kleinen, Gleichberechtigung derselben, wie beim allgemeinen Stimmrechte (...) Man müßte doch mit geistiger Blindheit geschlagen sein, wenn man an die Aufrichtigkeit des Kaisers und seiner Ratgeber glauben wollte. Ein Blick nach Rußland hin muß uns eines Besseren belehren.“ Für diese Sicht der Dinge und sein Auftreten auf der ersten Haager Konferenz wurde Graf Münster am 29. August 1899 von Wilhelm II. zum Fürsten erhoben.
Für die deutsche Regierungsebene waren die Beschlüsse der ersten Haager Konferenz, so unverbindlich sie auch waren, äußerst unangenehm. Ein Schiedsgericht, dessen Handlungsspielraum noch so gering veranschlagt worden war, sah man als hemmend für die eigene Machtposition an. Die Gefahr, daß man durch kleine Staaten über ein Schiedsgericht zum nachgeben oder zum aufgeben von Positionen gedrängt werden könnte, wurde eher als Bedrohung der eigenen Stellung in der Welt als eine Möglichkeit der Konfliktregulierung angesehen. Auch war der deutsche Politik langfristig nicht an einer Spannungsverminderung im internationalen Maßstab gelegen. Für sie war Ende des 19. Jahrhunderts eher die Verschärfung der Differenzen zwischen den beiden Flügelmächten England und Rußland und die Ausnutzung der Spannungen zum eigenen Vorteil anstrebsam, als ein Ausgleich der Differenzen. Insofern waren der Reichsleitung die Ergebnisse der ersten Haager Konferenz teilweise bedenklich, jedoch glaubte man genug Sicherungen in die Beschlüsse eingebaut zu haben, als daß Beschränkungen der deutschen Weltmachtpolitik in Zukunft nötig wären.


3.2. Wertung der Beschlüsse der ersten Haager Konferenz in der deutschen Öffentlichkeit

 

„In Bezug auf die Abrüstungsfrage ist der Kongreß ausgegangen, wie das Hornberger Schießen; man begnügte sich den „Wunsch“ zu Protokoll zu geben, daß „eine Beschränkung der militärischen Lasten, welche gegenwärtig die Welt bedrücken, in hervorragender Weise wünschenswert ist für die Förderung des materiellen und moralischen Wohlbefindens der Menschheit.“ Während man bei den anderen, daneben noch geäußerten Wünschen auf eine spätere Konferenz vertröstet, ist dieser Zusatz bei dem Wunsch nach Abrüstung nicht gemacht.“ So, oder so ähnlich, kommentierten alle untersuchten Tageszeitungen mit Blick auf die Abrüstungsfrage dieses Ergebnisse der ersten Haager Konferenz. Bis auf die Errichtung eines permanenten Schiedsgerichtes, wurden alle anderen Ergebnisse der Konferenz als eher marginal betrachtet und auch so behandelt. Darum konzentrierten sich die Zeitungen in ihren Kommentaren besonders auf dieses Ergebnis der Konferenz. So schrieb z.B. die „Vossische Zeitung“ in einer eher philosophischen Betrachtung „Der ewige Friede“: „Jede einzelne Streitfrage, die durch Gewalt entschieden werden kann, kann auch durch Einsicht und guten Willen entschieden werden. Die rohe Gewalt ist ein Element im menschlichen Zusammenleben, aber sie ist im stetem Zurückweichen begriffen und zu endlichen Verschwinden bestimmt.“ Deshalb wurde auch die Errichtung des Schiedsgerichtes positiv bewertet. Zu einem ähnlichen Urteil kam auch die „Germania“. Sie sah im Schiedsgericht die „Haupterrungenschaft“ der Konferenz, die „nun als ständige Einrichtung vorhanden sei“ und „für die Völker etwas Beruhigendes“ habe. „Die Kulturwelt hat sich ein gemeinsames Organ gegeben, sie hat sich organisch zusammengeschlossen, sie ist eine organische Gemeinschaft geworden.“ Freilich dürfe man die Wirkung dieser Einrichtung nicht überschätzen, jedoch sein nun ein Anfang gemacht auf dem man aufbauen könne und der weiterentwickelt werden müsse. Die Ergebnisse „sind gewiß nicht glänzend zu nennen, aber es durfte auch kaum Jemand erwartet haben, daß eine einmalige Conferenz der Welt den ewigen Frieden bringen und die Völker von der sie bedrückenden Last des Militarismus befreien würde. Wer ruhig und nüchtern die Ereignisse betrachtete, durfte nicht mehr erwarten, wird daher auch keine Enttäuschung erlebt haben.“ Das „Berliner Tageblatt“ sah dies unter der Überschrift: „Kann ein fakultatives Schiedsgericht ein Fortschritt sein?“ analog: „Die schüchternen Anfänge mit einem Schiedsgerichtshof, ..., (werden) demnach mit aller ihr anhaftenden Weitherzigkeit der Fassung und mit allen Lücken zu einer segensreichen Gewalt für das bedrückte Europa werden. Es dürfte alsdann diese Konferenz tatsächlich, wie es im Manifest des russischen Zaren heißt, „ein günstiges Vorzeichen des kommenden Jahrhunderts“ werden.“ Insgesamt sah man in der Errichtung des Schiedsgerichtshofes „einen wichtigen Schritt auf dem Wege zum Völkerfrieden“.
In der „Deutsche Revue“ veröffentlichte im August 1899 Max Nordau einen Beitrag, der sich mit den Ergebnissen der ersten Haager Konferenz positiv auseinandersetzte. Die Ausführungen Nordaus führten einen weiteren Aspekt in die Bewertungen der Resultate der Friedenskonferenz ein. Für ihn stand es außer Frage, daß eine große Anzahl von „Menschen gibt, denen der Krieg, der thatsächliche Feldzug, Lustgefühle höchster Art gewährt, ganz gleichgültig, warum er geführt wird“. Diese Menschen würden als „Typus des modernen Landsknechts“ den „Krieg suchen, oft auch in weiter Ferne, ..., wenn der Krieg (sie) nicht aufsucht.“ Auch wenn diese Menschengruppe nur eine Minderheit ausmachen würde, so sei „sie doch zahlreich genug, um als Gärungserreger in der ruhigen Menge zu wirken“. Durch die Konferenzbeschlüsse könnten zwar diese „Tiger nicht in Lämmer verwandelt werden, aber sie kann die Daseinsbedingungen im Dschungel verschlechtern und dadurch die Tiger vermindern und schwächen“. Unter dieser „Verschlechterung der Daseinsbedingungen“ verstand Nordau die „Einschränkung der Ungebundenheit im Krieg“, die durch die Haager Konferenz verabschiedet wurden. Zusammenfassend stellte er fest: „Ob Schiedsgerichte den Krieg immer verhindern werden, bleibt zweifelhaft. Ob der Krieg unmöglich geworden ist, das würde erst ein Versuch lehren. Aber es ist möglich, daß man auch der kriegslüsternen Minderheit den Krieg verekelt, wenn man ihn seiner Anziehung für sie beraubt.“
Von konservativer Seite waren die Einschätzungen eher geringschätzig gehalten, jedoch nicht ausschließlich negativ. Die „Neue Preußische Zeitung“ bewertete das Ende der Konferenz sogar erstaunlich positiv, wenn man sich die vorher geäußerten Meinungen noch einmal vor Augen hält. Sie schrieb: „Wer diese Ergebnisse im Ganzen überschaut, muß anerkennen, daß schon die Ausdehnung der Genfer Konvention auf den Seekrieg und die detaillierte Feststellung der Kriegsgesetze und Gebräuche für sich allein einen gewichtigen Fortschritt auf der Bahn der Zivilisation bedeuten, welcher der Konferenz einen ehrenvollen Platz in der Geschichte sichert.“
Aber auch kritischere Töne wurden von konservativer Seite in die Beurteilung eingebracht. Die „Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung“ wertete die Ergebnisse folgendermaßen: „So ernst es zu nehmen ist, wenn das bisher sich so reserviert haltende Deutschland für das Schiedsgericht eintritt, so können wir uns doch nicht verhehlen, daß man trotz alledem wenig für den Weltfrieden gewonnen hat. Unwillkürlich fragt man sich, ob wohl Deutschland sich „veranlassen“ ließe, ein Schiedsgericht anzurufen, wenn seine Staatsmänner dafür sind, daß unverzüglich zum Schwert zu greifen sei. (...) Zudem bleibt es immer eine mißliche Sache, ein gerüstetes Volk „veranlassen“ zu wollen, fremden Urtheilsspruche sich zu unterwerfen. Wenn es nun nicht will, dann - hat man den Krieg. Wir können deshalb von unserem skeptischen Urtheil nicht zurückgehen, selbst wenn alle Staaten heilige Eide schwören würden, sich dem Schiedsgerichte zu unterstellen. Die Ungerechtigkeit, die nun einmal auf unserer Erde waltet, würde alle diese Eide zu nichte machen.“ Eine Ausgabe später wurden die Ergebnisse noch einmal in wenigen Worten zusammengefaßt: „Kurz, jeder that, was er für gut fand, und die Kriegspolitik wird in Zukunft erst recht thun, was sie für gut findet. Für gebunden braucht sich keiner zu halten, um so weniger, als die Freiwilligkeit betont wurde, ob ein Staat nach den schönen Haager Paragraphen sich halten wolle oder nicht.“ Die Argumente gegen „Papierparagraphen“ und „heilige Eide“ waren nicht neu und auch die oben zitierten Worte Wilhelm II. deuteten in diese Richtung, jedoch war die Nichtachtung von Verträgen, in Teilen der deutschen Öffentlichkeit leichter zu äußern, als in der Reichsaußenpolitik durchzusetzen. Aus welchem Grund hätte sich die Deutsche Reichsleitung gegen internationale Vereinbarungen so energisch sperren müssen, wenn sie nicht der Überzeugung gewesen wäre, daß Verträge zu erfüllen seien? Es wäre für sie einfacher gewesen, sich auf ein obligatorisches Schiedsgericht einzulassen, als so entschieden dagegen aufzutreten. Vertragserfüllung galt also schon damals und gilt noch heute als Grundlage für die Anerkennung als verläßlicher Partner in internationalen Verhandlungen, darauf mußte auch die Führungselite des Reiches achten.
Die „Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland“ kommentierte das Ende der Verhandlungen noch etwas schärfer: „Die Haager Konferenz gehört der Geschichte an. Wir glauben aber nicht, daß sie dort den breiten Raum einnehmen werde, den ihr die Zweckmäßigkeitspolitik der Gegenwart zuweisen möchte. Ihre Ziele sind schon früher, namentlich durch die heilige Allianz, viel wirksamer und nachdrücklicher verfolgt worden, ohne daß es dabei zu einem praktischen Ergebnis gekommen wäre. Was im Haag erreicht worden ist, hat für jeden, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, nur den Wert der Phrase, weil keine bindende Verpflichtung im strengen Sinne des Wortes besteht - wenigstens nicht in den Stücken, auf die es den beratenden Mächten ankommen mußte. Daß in bezug auf die Milderung der Kriegsbräuche einiges nicht Unwichtige vereinbart worden ist, dürfen auch wir mit Genugthuung begrüßen. Vergleicht man es aber mit dem, was angestrebt werden sollte, so läuft es Gefahr fast komisch zu wirken.“ Der Verweis auf die „Heilige Allianz“ wirkte hier etwas deplaziert, da diese weder eine Abrüstung anstrebte, noch ein Schiedsgericht zwischen den europäischen Staaten einzurichten beabsichtigte. In diesem Zusammenhang kann der Verweis auf die „Heilige Allianz“ wohl nur so verstanden werden, daß die „Allgemeine Konservative Monatsschrift“ das Prinzip der „Pentarchie“, durch welches die fünf Großmächte ihre Interessen untereinander abwogen, ohne auf andere kleinere Mächte Rücksicht nehmen zu müssen, als wirksamer betrachteten, als internationale Kongresse und deren Beschlüsse.
Der sozialdemokratische „Vorwärts“ bewerteten die Ergebnisse der Haager Konferenz noch negativer, als die konservativen Kräfte des Deutschen Reiches. Schon in den Überschriften der Artikel machte man deutlich, was man von den Beschlüssen hielt, so hieß es in einem Beitrag überschrieben mit „Das Fiasko der Haager Konferenz“: „Was wir voraussagten, erfüllt sich: die „Friedenskonferenz“ in Haag endete mit einem kläglichen Fiasko. Die Schiedsgerichts­kommission hat beschlossen eine Liste von Schiedsrichtern aufzustellen, welche im Falle internationaler Konflikte anzurufen jeder Staat - befugt ist. Von einer Nötigung, das Schiedsgericht anzurufen und sich seinem Urteil zu fügen, ist keine Rede.“ Und in einem anderen Artikel, überschrieben mit „Makulatur“, hieß es dann: „Das Schlußprotokoll ist zwar Makulatur, aber es giebt auch geschichtliche Makulatur. (...) Papier und nichts als Papier. Alle „Punkte“ Papier, alle „Wünsche“ Papier - und nicht einmal sauberes Papier. Von Ernsthaftem zu reden, war auf der Konferenz verboten. Nur Komödie und Narrenpossen.“ Der letzte Artikel zur Haager Konferenz, überschrieben mit „Die Posse ist aus“, ließ keinen Zweifel daran, daß sich die Sozialdemokratie als eigentliche und einzige friedenserhaltende Kraft verstand: „Die gesamte socialistische Presse aller Länder ist einstimmig darin gewesen, die Komödie zu brandmarken und die Wahrheit zur Geltung zu bringen, daß es nur eine Friedensgesellschaft giebt, welche Macht hat und Einfluß: die internationale Socialdemokratie, - und daß die Beseitigung des Militarismus und die Begründung des Weltfriedens eins ist mit dem Siege des Socialismus über den Kapitalismus.“
„Die Zukunft“ Maximilian Hardens ging Mitte August 1899 auf die Ergebnisse der ersten Haager Konferenz ein . Dabei überwog eindeutig eine negative Betrachtungsweise, wobei zwei Gründe für das Scheitern der Konferenz angeführt wurden: „Erstens (habe) sie gelehrt, wie wenig selbst der scheinbar mächtigste Mann heutzutage zu leisten vermag, wenn ihn nicht das Interesse starker Volksschichten stützt. (...) Der junge Reußenherrscher müßte schon eine ungewöhnlich lebhafte Phantasie besitzen, um sich einzubilden, er habe Etwas „erreicht´“. Als zweiten Grund wurde die Unfähigkeit der Diplomaten angeprangert: „Die Leute, die über die Unthätigkeit der in den „Busch“ und nach Scheveningen verbannten Diplomaten Witze machen, bedenken gar nicht, daß diese exzellenten Herren an keinem Ort des Erdballes beträchtlichere Leistungen vollbringen. (...) Kein Wunder: eine Zunft, in der Fürst Chlodwig zu Hohenlohe den Ruhm eines Staatsmannes erwerben und Herr Bernhard von Bülow wie ein schöpferischer Genius angestaunt werden konnte, überstrahlt auch der leidlich begabte Dilettant. Und diese Gesellschaft, die höchstens die für die Eintagsarbeit nöthige Geschäftroutine aufzubringen vermag, sollte einer Lebensfrage der gesitteten Menschheit die Antwort suchen und finden! Wenn die Völker endlich einsähen, daß die müßigen Herren, ..., dieses ganze Zopfzeitsystem jede Existenzberechtigung verloren hat, dann hätte die haager Rednerei einen großen Erfolg gebracht. Und wenn man die adeligen Pfründner höflich zwänge, künftig daheim ihren Kohl zu bauen, statt aus Monarchenschlafstuben und Ministervorzimmern den Klatsch aufzulesen und in Denkschriften zu verpacken, dann hätte man zur Dauerbarkeit des Friedens mehr beigetragen, als durch Konventionen, Paragraphen und Schiedsgerichte je möglich wäre.“ Harden gelang es in diesem Artikel geschickt einen Bogen zwischen außen- und innenpolitischen Gegenständen zu schlagen. Als Gegner der Weltpolitik war er schon früher in Erscheinung getreten, jedoch blieb in seiner Kritik ein gängiger Topos, daß die deutsche Politik ohne klare Ziele von unzulänglichen Politikern geleitet werde. Dieser hier besprochene Beitrag machte diese Grundeinstellung besonders deutlich.
Die Haltung der deutschen Öffentlichkeit zu den Ergebnissen der ersten Haager Konferenz war nicht einheitlich. Noch am Positivsten kommentierten die liberalen und katholischen Zeitungen und Zeitschriften die Beschlüsse, wogegen bei den konservativen Vertretern der deutschen Gesellschaft, eine fast einstimmige Geringschätzung der Ergebnisse zu konstatieren war. Bis auf die sozialdemokratische Presse, welche die Ergebnisse teilweise selbstherrlich ablehnte, sahen jedoch fast alle anderen politischen Strömungen Deutschlands in dem einen oder anderen Ergebnis der Verhandlungen etwas positives und für die Zukunft Hoffnung gebendes Element. Als wichtigstes Resultat wurde dabei die Errichtung des Schiedsgerichtshofes in Den Haag betrachtet, an den, auch wenn er nur aus einer Liste von Namen bestand, zur Regulierung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehrerer Staaten  mannigfaltige Hoffnungen geknüpft waren. Einheitlich war die Haltung in der deutschen Öffentlichkeit in bezug auf die Abrüstungsfrage, sie wurde als unlösbar beschrieben und für die Zeitgenossen war es nur schwer vorstellbar, daß auch in Zukunft diese Frage gelöst werden könnte. Trotz der kritischen Stimmen zur ersten Haager Konferenz läßt sich sagen, daß in der deutschen Öffentlichkeit die Ergebnisse allgemein als respektabel interpretiert wurden und die Meinung vorherrschte, daß erst die Bewährung der Beschlüsse, z.B. des Schiedsgerichtes, in der Praxis, weitere Schlußfolgerungen über die Entwicklung der Haager Institutionen zulassen würde. Forderungen nach einer weiteren Konferenz konnten dagegen nicht registriert werden. Erst als die zweite Haager Konferenz angekündigt wurde, beschäftigten sich die Zeitungen und Zeitschriften erneut mit den Ergebnissen der ersten Zusammenkunft. Als 1906/07 klar wurde, daß in absehbarer Zeit eine weitere „Friedenskonferenz“ einberufen werden würde, hatte sich die Weltstellung Deutschlands jedoch grundlegend geändert. Inwieweit die deutsche Öffentlichkeit diese veränderte Weltstellung in den Be­trachtungen zur zweiten Haager Konferenz reflektierte, soll in den folgenden Abschnitten erörtert werden.


4. VORBEREITUNG UND EINBERUFUNG DER ZWEITEN HAAGER KONFERENZ

Die Vorgeschichte der zweiten Haager Konferenz reicht bis in das Jahr 1904 zurück. Vom 12.-14. September 1904 tagte in St. Louis die XVII. Konferenz der Inter­parla­mentarischen Union (IPU), einem internationalen Zusammenschluß von Parlamentariern, die es sich zum Ziel gesetzt hatten für die Verständigung zwischen den Staaten in den nationalen Parlamenten zu wirken. Dabei spielte der Gedanke einer friedlichen Zusammenarbeit durch die Nutzung von Schiedsgerichten eine bedeutende Rolle. Wichtigstes Ergebnis der Tagung in St. Louis war die Anregung eines Folgetreffens der Haager Konferenz, für deren Einberufung sich Präsident Roosevelt einzusetzen versprach. Dies versicherte er den Vertretern der IPU auf einem am 24.9.1904 gegebenen Empfang im Weißen Haus. Am 21.10.1904 richteten dann die USA ein diesbezügliches Schreiben an die Unterzeichner der Beschlüsse der ersten Haager Konferenz. Die Reaktionen waren vielfach positiv, jedoch verhinderte der gleichzeitig stattfindende russisch - japanische Krieg eine rasche Einberufung der Konferenz. Erst im September 1905 wurde der Plan von russischer Seite wieder aufgegriffen, wobei betont wurde, daß man die Anwartschaft auf die Einberufung habe, da man die erste Konferenz initiierte.
Zwischen den beiden Haager Konferenzen wurden eine Reihe zwischenstaatlicher Schiedsverträge abgeschlossen. Der bedeutsamste unter ihnen war der Abschluß eines Schiedsabkommens zwischen Frankreich und England vom 14. Oktober 1903. Hierin verpflichteten sich beide Staaten juristische und Fragen zur Vertrags­auslegung, obligatorisch von einem Schiedsgericht regulieren zu lassen. Ausnahmen waren dabei nur möglich, wenn Ehre oder Lebensinteressen des jeweiligen Staates bedroht waren. Der Schiedsspruch sollte, wenn ein solcher erforderlich würde, vom Haager Schiedshof gesprochen werden. Durch diesen Vertrag wurde der Weg frei für Verhandlungen über koloniale Interessenssphären und mündeten direkt in die Entente cordiale von 1904. Weitere Verträge, die eine obligatorische Schiedssprechung beinhalteten, wurden zwischen Frankreich und Italien und zwischen England und Italien geschlossen. Ebenso schlossen am 12. Juli 1904 Deutschland und England ein solches Abkommen, wobei der englisch - französische Vertrag als Muster genommen wurde. Dies bedeutete jedoch keine grundlegende Wandlung der Haltung der Reichsleitung zur Schiedsgerichtsbarkeit, da sie sich weiterhin weigerte finanzielle Entschädigungs­fragen über die Samoa Inseln, vom Haager Schiedsgerichtshof klären zu lassen.
Dem Haager Schiedshof wurden bis 1907 vier Fälle zur Schlichtung unterbreitet. Den ersten Fall überwies 1902 die USA nach Den Haag. Dabei handelte es sich um einen Kirchengüterstreit mit Mexiko, der eigentlich nur „eine Art diplomatischen Ärgernisses darstellte“, keineswegs jedoch eine friedensbedrohende Situation. So unbedeutend dieser Fall auch war - der Haager Schiedsgerichtshof hatte seine Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt. Bis 1907 gelangten noch drei weitere Fälle vor den Gerichtshof, von denen der bedeutendste der Venezuela Schiedsspruch vom 22. Februar 1904 war.
Am 13. September 1905, eine Woche nach dem Friedensschluß von Portsmouth zwischen Rußland und Japan, teilte der russische Botschafter Baron Rosen in Washington der amerikanischen Regierung mit, daß Rußland in naher Zukunft die Absicht habe, eine zweite internationale Friedens-Konferenz einzuberufen. Dies war mehr als Information gedacht und noch nicht mit konkreten Verhandlungs­gegenständen gekoppelt. Diese wurden erst in der Folgezeit in bilateralen Gesprächen auf Botschafterebene konkretisiert. Rußland hatte nicht im Kalkül von der Konferenz grundsätzliche Probleme, wie z.B. Abrüstung oder Rüstungseinschränkung, erörtern zu lassen, sondern völkerrechtliche und kriegsrechtliche Gegenstände, die sich während des Krieges im Fernen Osten aufgetan hatten. Dabei handelte es sich um Fragen des Verhaltens der kriegführenden Staaten gegenüber der Zivilbevölkerung und um Fragen des Seekriegsrechtes. Im Gegensatz zur Ankündigung der Einberufung der ersten Haager Konferenz, gab es demnach für die zweite eindeutige Gründe: Geklärt werden sollten nach einem stattgefunden Krieg grundsätzliche Fragen des Völkerrechtes, um somit vor einer künftigen Auseinandersetzung Klarheit zu haben. Außerdem scheint sich nach dem russisch - japanischen Krieg bei den führenden Politiker aller Großmächte, die Überzeugung verstärkt zu haben, daß Kriege zwischen Groß- bzw. Weltmächten möglich wären und darum die Klärung von kriegstechnischen Fragen dringend erforderlich sei. Weiterhin gilt es für die Zeit um 1905/06 festzuhalten, daß die Blockbildung in Europa fast abgeschlossen und das Wettrüsten zur See voll im Gange war. Die internationalen Spannungen hatten zugenommen und in der deutschen Öffentlichkeit sich das Gefühl der „Einkreisung“ herausgebildet. Dieses Gefühl war in weiten Kreisen zu finden. Besonders in der Marokko - Krise von 1905/06 war deutlich geworden, daß sich Deutschland in der internationalen Politik, außer auf Österreich - Ungarn, auf keine der Großmächte zählen konnte und die weit gesteckten Ziele der Weltpolitik, immer schwerer zu verwirklichen waren. Deutschland befand sich 1906 im Gegensatz zu 1899 nicht mehr in einer so glänzenden Position. Der koloniale Interessenausgleich zwischen Frankreich und England in der Entente cordiale von 1904 und die sich anbahnende Verständigung zwischen Rußland und England über die Einflußbereiche im Nahen Osten 1907 machten der deutschen Führung deutlich, daß der internationale Handlungsspielraum immer enger wurde, die Politik der „freien Hand“ keine festen Grundlagen mehr besaß und Vorsicht bei politischen Vorstößen angebracht sei.
Die deutsche Seite reagierte auf die amerikanischen Vorschläge zur Einberufung der Konferenz von 1904 ablehnend. Man wollte sich nicht auf „Mediationsversuche“ zwischen den USA und Spanien, bzw. Rußland und Japan  einlassen, obgleich dies von amerikanischer Seite nicht einmal angedeutet worden war. Nach dem erneuten russischen Vorstoß vom September 1905 reagierte die deutsche Seite positiv und sagte bereits am 9. Oktober 1905 die Teilnahme an einer zweiten Konferenz zu. Die Einberufung der Konferenz verzögerte sich jedoch noch um mehr als 18 Monate. Der für Mitte Juli 1906 ins Auge gefaßte Termin, fiel mit der Eröffnung der panamerikanischen Konferenz in Rio zusammen, so daß sich die Vereinigten Staaten erfolgreich um eine Verlegung der zweiten Haager Konferenz bemühten.
In dem russischen Einladungsschreiben zur Konferenz, vom September 1905, wurden die Behandlungsgegenstände erstmalig konkretisiert. So sollte
1. das Schiedsabkommen der ersten Haager Konferenz durch die Einsetzung von Unter­suchungs­kommissionen und der Errichtung eines wirklich ständigen Schiedshofes verbessert;
2. das Abkommen über Gesetze und Gebräuche des Landkrieges z.B. durch Bestimmungen über den Beginn von Feindseligkeiten und die Rechte der Neutralen zu Lande konkretisiert;
3. ein Abkommen „betreffend die Gesetze und Gebräuche des Seekrieges“ ausgearbeitet werden und
4. die Genfer Konvention auch Anwendung auf den Seekrieg erhalten.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Tschirschky legte diese Vorschläge am 11. April 1906 dem Kaiser vor, der sie billigte. Festgelegt wurde gleichzeitig auch, daß neben einem Botschafter auch Sachverständige zu der Konferenz gesandt werden sollten, da vor allem militärtechnische Fragen zur Verhandlung standen.
Die weitere Entwicklung des Konferenzprojektes in den anderen Staaten wurde in Berlin genauestens beobachtet. So wurde z.B. die in England im Mai 1906 im Unterhaus stattfindende Parlaments­debatte zur zweiten Haager Konferenz mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Dort forderte nämlich der liberale Edward Grey in einer Rede dazu auf, daß England in der Abrüstungsfrage die Initiative ergreifen sollte, da man so der öffentlichen Meinung Rechnung tragen könne. Gleichfalls sollte dies auch ein Signal an die anderen Regierungen sein, daß man ernsthaft daran interessiert sei, das Problem der Abrüstung in Angriff zu nehmen. Damit löste die liberale englische Regierung ein Wahlversprechen ein, das sie im Januar des Jahres im Wahlkampf gegeben hatte. Die liberalen Blätter, wie „Daily News“, „Tribune“ und „Daily Chronicle“, begrüßten dann auch die im Unterhaus beschlossene Resolution. Die Berufung der englischen Regierung auf die erwartungsvolle Haltung der englischen Öffentlichkeit zur Abrüstungsfrage, war augenscheinlich der Hauptgrund für diesen Vorstoß. Durch das Einlösen des Wahlversprechens konnte die Regierung die eigene Friedensliebe unter Beweise stellen, ohne daß man sich große Hoffnungen auf eine Umsetzung der Vorschläge machte.
Dadurch, daß von englischer Seite der Vorschlag gemacht wurde, auch die Abrüstungsfrage auf der Konferenz zu erörtern, kam ein neuer Gegenstand in die Diskussion. Das russische Projekt enthielt solche Überlegungen nicht und auch die deutsche Seite wollte sich auf eine Beratung darüber nicht einlassen. Als europäische Mittelmacht sah man die Möglichkeit auch von partieller Abrüstung als nicht relevant an, da man erwartete, daß die militärische Bedrohung in einem Kriegsfall an zwei Fronten gleichzeitig erfolge. Weiterhin war die Flottenrüstung in Deutschland noch nicht abgeschlossen, deren Ziel es war die englische Übermacht, wenn auch nicht zu brechen, so doch zumindestens zu relativieren.
Wilhelm II. sah die Chancen für europäische Abrüstungsbestrebungen in einer Randbemerkung zu einem Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in London Wilhelm von Stumm folgendermaßen: „Wenn einer seine Rüstungen einschränken kann, ist es nur England! Da es eine so kolossale Übermacht hat! Aber weil es diese hat, will es dieselbe in aeternum behalten, und daher dürfen die anderen nicht ihre Rüstungen i(d) e(st) Flottenbauten weiterentwickeln. Besonders wir nicht!“ Die Flottenfrage blieb auch das bestimmende Moment in der Betrachtung der Abrüstungsfrage. Hinter dem englischen Vorstoß vermutete man die Absicht, von deutscher Seite Erklärungen für die Vermehrung der Flotte zu erhalten, die dann gegen Deutschland verwendet werden könnten. Die Konsequenz der Reichsleitung war dann auch rigoros. Der Kaiser lehnte eine Diskussion auf der Folgekonferenz vollständig ab: „Es muß unser altes Programm von der letzten Haager Conferenz unbedingt aufrecht erhalten bleiben. Nur wenn „Abrüstungsfrage“ total ausgeschaltet wird, werde ich die Conferenz beschicken, sonst nicht“. Auch über eine Begrenzung der Tonnage der Dreadnought Kreuzer, der englischen Antwort auf die deutsche Flottenrüstung, wollte der Kaiser keine Verhandlungen zulassen. Auf einen diesbezüglichen amerikanischen Vorschlag antwortete er scharf: „Ablehnen! Jeder Staat baut das was ihm paßt! Geht keinen Andern was an!“
Nicht nur der deutsche Kaiser sondern auch der englische König Eduard VII. sah dem Konferenzprojekt mit großer Skepsis entgegen. Bei einem Treffen der beiden Monarchen am 15./16. August 1905 im Schloß Friedrichshof im Taunus bezeichnete der englische König die Pläne als „Humbug“, unnütz und gefährlich, „da sich im Ernstfall doch niemand an die Beschlüsse halten würde“ . Um jedoch vor den Augen der Öffentlichkeit nicht als destruktiv zu erscheinen, regte Wilhelm II. eine deutsch - englische Vorverständigung über Marinefragen und Fragen technischer Natur an. Eduard VIII. stimmten diesen Vorschlag zu, jedoch ging das englische Kabinett darauf nicht weiter ein.
Anders reagierte die russische Regierung auf eine Vorverständigung in einzelnen Bereichen, die von der Konferenz erörtert werden sollten. Im Oktober 1906 weilte der russische Außenminister Iswolsky in Berlin und regte bei seinem Besuch eine gemeinsame deutsch - russische Vorbereitung der Konferenz an. Daraufhin erschien im Januar 1907 der Völkerrechtsgelehrte von Martens in Berlin. Seine Aufgabe war es, neben dem Kennenlernen der deutschen Wünsche für die Konferenz, vorzufühlen, unter welchen Umständen die Regierung in Berlin doch noch bereit wäre, über die Abrüstungsfrage zu verhandeln. Man blieb jedoch in Berlin, wie auch in Wien, bei der eingeschlagenen Linie und lehnte weiterhin konsequent eine Beratung der Abrüstungsfrage auf der Konferenz ab. Jedoch deutete sich eine leichte Wandlung des Standpunktes an. War man, wie bereits beschrieben, ursprünglich rigoros gegen eine Behandlung des Themas, so hielt man jetzt eine Diskussion für möglich, jedoch nur von den Staaten, die sich von der Behandlung Erfolg versprachen. So konnte man die eigene Ablehnung relativieren, ohne als Abrüstungsgegner offen in Erscheinung zu treten.
Die deutsche Diplomatie entwickelte in der Abrüstungsfrage eine außergewöhnliche Aktivität. In Wien, Washington, Petersburg, Rom und Paris wurde auf Botschafterebene interveniert, um eine einheitlich ablehnende Haltung der Mächte zu erreichen. Dieses Ziel konnte die deutsche Diplomatie jedoch nicht überall erfolgreich umsetzen. Während man sich in Wien und Rom dem deutschen Vorschlag anschloß, konnte man sich in Washington und Paris nicht durchsetzen. Demgegenüber tat die deutsche Regierung alles, um nicht schon im Vorfeld der Konferenz isoliert zu werden. Ebenso wollte man das Konferenzprojekt nicht von vornherein scheitern lassen, da substantielle Fragen des Seerechts behandelt werden sollten, an denen auch von deutscher Seite Interesse bestanden.
Russischerseits stand man den Verhandlungen über Abrüstungsfragen mehr als skeptisch, wenn nicht gar ablehnend, gegenüber. In einem Gespräch erklärte der russische Außenminister Iswolski dem deutschen Botschafter in Petersburg von Schön: „Er stehe nach wie vor auf dem Standpunkte, den er seinerzeit privatim Grafen Murawiew kundgegeben, daß die Abrüstung ein Gedanke lediglich von Juden, Sozialisten und hysterischen Weibern sei. Deshalb habe er auch die Abrüstungsfrage ausdrücklich vom Programm ausgeschlossen und werde diesem treu bleiben.“ Die russische Seite machte in den weiteren Verhandlungen deutlich, daß ein Scheitern des Konferenzprojektes - durch die Ablehnung einzelner Großmächte - großen innen- und außenpolitischen Schaden für Rußland bedeuten würde. Die Autorität des Zaren würde durch einen Rückzug von der Konferenz stark in Mitleidenschaft gezogen werden, wobei die Konsequenzen im innenpolitischen Bereich unübersehbar wären. Die Angst vor einem erneuten Krieg zwischen Rußland und Japan und vielleicht auch gegen England, ließ die russische Regierung eine erneute Revolution im Innern befürchten, welche die Monarchie beseitigen und Rußland zusammenbrechen lassen würde. Dies waren die Befürchtungen, die der russische Außenminister Iswolsky dem deutschen Botschafter von Schoen in dem Gespräch mitteilte. Da jedoch der deutsche Botschafter weisungsgemäß bei seiner Ablehnung, die Abrüstungsfrage von der Konferenz offiziell beraten zu lassen, blieb, wurde das deutsch - russische Verhältnis hart belastet. Der deutsche Botschafter von Schön beschrieb diese Spannungen mit folgenden Worten: „Er (Iswolsky) war dem Weinen nahe, und wenn ich nicht durch persönliche Freundschaft mit ihm verbunden wäre, so dürfte die Unterhaltung scharfe Formen angenommen haben. Ich kann mich der Vermutung nicht erwehren, daß er hauptsächlich deshalb so ärgerlich bewegt ist, weil er seinen fein gesponnenen Plan eines populären Erfolges (Rußland wollte auf die englischen Abrüstungsvorstellungen zum Schein eingehen - M.B.) zerstört sieht. Mit seiner Verstimmung, die sich nicht so bald verflüchtigen dürfte, werden wir insofern zu rechnen haben ...“.
Letztendlich fügte man sich russischerseits dem Anliegen Deutschlands und lehnte eine Beteiligung an der Erörterung der Abrüstungsfrage auf der Konferenz ab. Durch diese russische Ablehnung gedeckt konnte Bülow am 30. April 1907 in einer Rede vor dem Reichstag über die Vorverhandlungen zur zweiten Haager Konferenz erklären: „Solange nicht einmal sichere Hoffnung auf eine befriedigende Lösung dieser Frage und auf die Möglichkeit ihrer praktischen Durchführung besteht, vermag ich mir von einer Erörterung auf einer Konferenz nichts zu versprechen. (...) Mit Rücksicht auf das russische Programm ... beschränken (wir) uns darauf, diejenigen Mächte, die sich einen Erfolg von der Diskussion versprechen, diese allein führen zu lassen. (...) Es erschien mir richtiger, klüger und würdiger fair play zu spielen und offen zu sagen: an einer, nach unserer Überzeugung, wenn nicht bedenklichen, so doch unpraktischen Diskussion können wir uns nicht beteiligen. Wir denken aber nicht daran, diese unsere Auffassung anderen aufzwängen zu wollen; und wenn bei der Erörterung der Abrüstungsfrage etwas Praktisches herauskommt, so werden wir dann gewissenhaft prüfen, ob dem Schutze unseres Friedens, ob es unseren nationalen Interessen, ob es unserer besonderen Lage entspricht.“
Die Reaktion auf die Rede Bülows in England war, wie es in einem Schreiben des Geschäftsträgers in London Wilhelm von Stumm zum Ausdruck kam, „außerordentlich günstig“. Die konservative Presse kommentierte sie lobend, wogegen sich die liberale zurückhielt. Besonders positiv wirkte sich die Tatsache aus, daß Bülow „von jedem kritischen Hinweise auf die englische Politik freie Darlegung des deutschen Standpunkts“ gefunden hatte. Von englischer Seite wurde nun in Aussicht gestellt, die Abrüstungsfrage auf der Konferenz nicht mehr von allen Beteiligten diskutieren zu lassen, sie jedoch in einer Resolution zur Sprache zu bringen.
Durch die Klärung dieser für das Deutsche Reich scheinbar so wichtigen Frage, konnte man nun der Konferenz ruhiger entgegenblicken. Am 14. Juni 1907 gab der Reichskanzler von Bülow seine Instruktionen an die Delegation auf der zweiten Haager Friedenskonferenz. Die Delegation bestand aus den beiden Hauptdelegierten, dem Botschafter in Konstantinopel, Freiherr von Marschall und dem ersten Vortragenden Rat in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes Dr. Kriege. Weiterhin gehörten dazu: der „wissenschaftliche Beirat“ Prof. Zorn, der Marinedelegierte Konteradmiral Siegel, die beide bereits an der ersten Konferenz beteiligt waren, und der Militärdelegierte und Mitglied des großen Generalstabes General von Gründell. Die Instruktionen Bülows, denen fünf Entwürfe zu Einzelfragen beigelegt waren , hatten folgenden Inhalt: Als einzige Frage, die im Vorfeld von der deutschen Regierung nicht vollständig geklärt werden konnte, wurde das Problem des Seebeuterechts angesprochen. Bülow teilte den Delegierten mit, daß sie diesen Gegenstand in den großen Komplex des Privateigentums zur See einbeziehen sollten, wobei er klar herausstellte, daß dieses einen größeren Schutz als bisher genießen sollte. Weiterhin instruierte er die Abgesandten dahingehend, daß sie sich bei eventueller Behandlung der Abrüstungsfrage nur soweit beteiligen dürften, daß der Beschluß von 1899 erneuert würde. Anderenfalls hätten sie den Verhandlungen fernzubleiben. Der Behandlung der obligatorischen Schiedssprechung sollten sich die Delegierten nicht von vornherein entziehen, sondern Gründe geltend machen, die gegen die Einrichtung sprechen würden. Andererseits verwies Bülow darauf, daß die Reichsleitung nichts gegen ein Abkommen einzuwenden hätte, daß die „Ausführung“ obligatorischer Schiedssprüche zwischen zwei Partnern „für alle Fälle“ festschreiben würde. In einen letzten Punkt wurde darauf aufmerksam gemacht, daß man die Anerkennung der Dragotheorie als unerwünscht betrachten würde und nur dahingehend Abstriche machen würde, daß vor einer militärischen Intervention das Haager Schiedsgericht angerufen werden müsse.
Die Instruktionen der deutschen Regierung an die Abgesandten zur Konferenz waren, im Gegensatz zu 1899, diesmal ausführlich und klar bestimmt. Aus den Vorgaben und den Vorbereitungen war eindeutig zu erkennen, daß sich die deutsche Regierung an den Verhandlungen, soweit es um eigene Interessen ging, konstruktiv beteiligen wollte und nicht, wie es auf der ersten Haager Konferenz der Fall war, sich von Anfang an, in eine ungünstige Position drängen zu lassen. Die umfassende Vorbereitung der einzelnen Verhandlungs­gegenstände, die im russischen Einladungsschreiben vorgegeben waren, ließen dies deutlich erkennen. Auch die Entsendung Marschalls als ersten Delegierten nach Den Haag zeugt von der Ernsthaftigkeit mit der die deutschen Seite die Verhandlungen von 1907 vorbereitete. Marschall hatte sich als Botschafter in Konstantinopel bewährt und war als ehemaliger Leiter des Auswärtigen Amtes mit allen „diplomatischen Feinheiten“ bestens vertraut. Somit war zu erwarten, daß Deutschland auf der zweiten Haager Konferenz ein besseres Bild abgeben wollte, als auf der ersten.
Die Eröffnung der Konferenz erfolgte am 15. Juni 1907 vom niederländischen Außenminister Tets Goudrian in Den Haag. An der zweiten Haager Konferenz nahmen über 250 Teilnehmer aus 44 Staaten teil. Im Vergleich zu 1899 waren diesmal fast alle zum damaligen Zeitpunkt souveränen Staaten an den Verhandlungen beteiligt. Eine der ersten Aufgaben der Konferenz war eine effektive Organisation der Beratungen. Erörterungen im Plenum der Konferenz schieden von vornherein fast aus, da eine Diskussion mit einer so großen Teilnehmerzahl als nicht effektiv angesehen wurde. Auch war die Akustik des Rittersaales, in dem das Plenum tagte, so schlecht, daß man die eigentliche Sacharbeit in Kommissionen und Subkommissionen verlagerte. Insgesamt  wurden vier Kommissionen gebildet, wobei sich die erste mit Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit beschäftigte, die zweite mit dem Krieg zu Lande und zu Wasser, die dritte mit den Rechten und Pflichten der neutralen Staaten im Kriege und die vierte mit Fragen des Privateigentums im Seekrieg. Die ersten drei Kommissionen wurden wiederum in zwei Subkommissionen unterteilt, wobei sich die Effektivität der Beratungen nicht unbedingt erhöhte. So schrieben sich z.B. für den ersten Unterausschuß, der sich mit der Schiedskonvention beschäftigte, nicht weniger als 102 Delegierte ein. Der erste Delegierte Deutschlands, Freiherr von Marschall, kritisierte diesen Zustand, ohne daß es ihn jedoch gelang diesen abzuändern. Man hatte sich nämlich im Vorfeld der Konferenz, aus Gründen der Gleichberechtigung, nicht darauf verständigen können, eine Beschränkung der Teilnehmerzahlen in den einzelnen Gremien durchzusetzen. Die Diskussionen fanden nichtöffentlich statt, jedoch waren die Zeitungen in der Regel gut informiert. Zur Eröffnung der „Friedenskonferenz“ waren eine unübersehbare Zahl von Journalisten nach Den Haag gekommen, wobei auch aus Deutschland viele Zeitungen eigene Korrespondenten entsandt hatten.

4.1. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit vor der Eröffnung der zweiten Haager Konferenz

Die deutschen Tageszeitungen beachteten im Vorfeld der zweiten Haager Konferenz besonders das englische Vorhaben, die Abrüstungsfrage erörtern zu lassen. Dabei fiel auf, daß im Vergleich zur Vorbereitungsphase der ersten Haager Konferenz, der angeschlagene Ton insgesamt moderater geworden war. So lehnte die regierungsnahe „Frankfurter Zeitung“ in einem Kommentar vom 12. Februar 1907 eine Abrüstung der Staaten zwar ab, jedoch nicht pauschal, sondern mit dem Verweis darauf, daß die einzelnen Länder geographisch viel zu verschieden seien und eine Klärung zu umständlich wäre. Weiterhin meinte man hinter dem englischen Vorschlag, eine Spitze gegen Deutschland erkennen zu können, die den „diplomatischen Zweck“ hätte, „die Macht, die sich gegen die Abrüstung erklärt, (zu) isolieren und als Friedenshindernis (hinzustellen)“ . In einem abschließenden Satz kam man dann zu der Feststellung, daß „die Äußerungen, die von deutscher Seite vorliegen, zeigen, daß sich Deutschland zur zweiten Konferenz freundlicher stellt, als es zur ersten Konferenz stand. Das ist immerhin ein Fortschritt.“ Ein im ähnlichen Grundtenor gehaltener Artikel erschien einen Tag später in den „Hamburger Nachrichten“. Dieser Beitrag lehnte entschieden die Vorstellung ab, daß sich Deutschland von einer ausländischen Macht „Abrüstung“ vorschreiben ließe, schloß jedoch mit der Ansicht, daß Deutschland sich „vernünftigen Bestrebungen zur Einschränkung der Kriege und der Rüstungen sicherlich nicht versagen“ würde. Die von Friedrich Naumann herausgegebene Wochenzeitschrift „Die Hilfe“ sah dagegen in dem englischen Vorschlag „eine geschickt eingefädelte Abrüstungskomödie“, die „Deutschland vor dem Areopag von ganz Europa als einzigen Neinsager und Spielverderber“ hinstellen sollte. Ziel der englischen Politik sei es, so vermutete man, „die Mächte zu einer gemeinschaftlichen Haltung gegenüber Deutschland“ zu bringen, „um uns vor die Wahl zu stellen, entweder gegen unsere Interessen nachzugeben und selbst in unserer Schwächung zu willigen, oder gegen „ganz Europa“ uns allein der Abrüstung zu (ver)weigern.“ Darauf könne sich das Deutsche Reich aber nicht einlassen, da dies „ein Aufgeben staatlicher Souveränität ohne Kampf bedeuten“ würde. „Wenn Europa will, daß wir abrüsten, so muß es uns erst auf den Boden zwingen. Es ist genug, daß wir im Bau der Flotte Rücksicht nehmen auf ausländische Empfindlichkeiten, oder daß es wenigstens so scheint, als müßten wir es. Der Reichskanzler hat ganz Recht, wenn er sich auf kein Verhandeln über freiwillige Machtverkürzung einläßt, solange keinerlei Garantie besteht, daß unsere Nachgiebigkeit dem Frieden dient. Er muß fest bleiben, aber gerade deshalb muß die Nation in allen ihren Teilen und auch in ihrer obersten Spitze alles vermeiden, was irgendwie dem Übelwollen des Auslandes Anlaß geben könnte, unsere Friedlichkeit in Zweifel zu ziehen.“
In anderen Zeitungen und Zeitschriften beschäftigte man sich - in Anlehnung an den englischen Vorschlag, die Abrüstungsfrage von der Konferenz diskutieren zu lassen - mit dem deutsch - englischen Flottengegensatz. Dieser bildete in der zeitgenössischen Publizistik eine Grundfrage in der Auseinandersetzung über die Zukunft beider Staaten. Gerade im weiteren Flottenausbau sahen breite Kreise der deutschen Öffentlichkeit die Möglichkeit den erhofften Weltmachtstatus zu erreichen, ohne jedoch einen Krieg mit England unbedingt in Kauf zu nehmen. Vielmehr sah man in der Flotte einen Garant für die Durchsetzung eigener machtpolitischer Vorstellungen, wobei man die maritime Stärke als Druckmittel in politischen Verhandlungen einsetzen wollte. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war man davon jedoch noch weit entfernt, was sich auch in den zeitgenössischen Stimmen widerspiegelte. So meinte z.B. die „Halbmonatsschrift für deutsche Kultur - März“, daß die deutsche Flotte auch perspektivisch nicht in der Lage sein dürfte, die englische Hegemonie auf diesem Gebiet zu brechen. „So reich sind wir nicht, auch nicht in absehbarer Zeit, (neben dem Heer) eine Flotte zu bauen, die - selbst verbündet mit noch einer Marine zweiten Ranges - zur Niederwerfung Englands ausreicht.“ Ähnlich, jedoch in der Grundaussage etwas schärfer, formulierte der „Berliner Börsen Courier“ den deutsch - englischen Flottengegensatz: „Die Quelle der Beunruhigung dürfte vielmehr darin zu suchen sein, daß England in seiner insularen Lage sich nicht mehr sicher glaubt. Von jeher hat England das Wachstum der deutschen Flotte mit großer Beklemmung erfüllt. Nicht an unserem Handel, sondern stets nur an unserer Flotte haben sich die feindseligen Gesinnungen Englands angeknüpft. Nun wird es zwar die deutsche Flotte für alle Zeiten nicht mit der englischen aufnehmen können. Das ist selbstverständlich.“ Aber in einer Kombination mit der französischen oder russischen Flotte könnte eine Bedrohung Englands möglicherweise Realität werden.
In anderen Artikeln beschäftigten sich die Zeitungen rückblickend mit den Ergebnissen der ersten Haager Konferenz. Dabei fiel besonders auf, daß man dem Aufbau des Haager Schiedsgerichtes hohe Anerkennung zollte. So betrachtete beispielsweise die „Neue Preußische Zeitung“ dieses als größtes Ergebnis der ersten Haager Konferenz. Dabei blieb sie jedoch nicht stehen, sondern forderte von der Folgekonferenz, daß man nun daran gehen müsse, obligatorische Schiedsgerichte für Fragen bei Post- und Telegraphenstreitigkeiten, in der internationalen Schiffahrt, bei Copyright und Verfasserschutzfragen sowie für internationale Erbrechtsregulierungen und technische Grenzziehung einzusetzen. Wenn ein solches Abkommen abgeschlossen werden könnte, so würde dies „eine bedeutsame Stärkung des Rechtsgedankens in den internationalen Verhältnissen“ bedeuten. Die „Kölnische Zeitung“ bezeichnete in einem Artikel, der sich ebenfalls mit den Ergebnissen der ersten Konferenz beschäftigte, „Vorschläge der allgemeinen Abrüstung und Entwaffnung ... (als) zum eisernen Bestand der öffentlichen Behandlung der Kulturfragen“ gehörig, jedoch war man auch hier der Meinung, daß die Einsetzung des Haager Schiedsgerichtes als bedeutendste Leistung zu würdigen sei. „Der Glanzpunkt sämtlicher Leistungen der Friedenskonferenz bildet aber die von der dritten Kommission ausgearbeitete „Konvention“ zur friedlichen Beilegung internationaler Konflikte, die ohne weiteres eine der bedeutendsten und großartigsten Errungenschaften der modernen Kultur genannt werden darf.“
Ein prinzipieller Artikel, der sich umfassend mit den oben beschriebenen Problemen auseinandersetzte, erschien im Mai 1907 in den „Preußischen Jahrbüchern“ . Auch der Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ Hans Delbrück sah in dem englischen Vorschlag, die Abrüstungsfrage von der Konferenz behandeln zu lassen, einen „Antrag“, der „keine Aussicht auf Erfolg habe“, jedoch von England eingebracht wurde, um der englischen „öffentlichen Meinung“ Rechnung zu tragen und um Deutschland in eine schwierige Lage zu bringen. „Ohne gerade mit Deutschland Streit suchen zu wollen, liegt es doch in der Natur der Dinge, daß England es gern sieht, wenn die öffentliche Meinung der Völker ihre Sympathie ihm zuwendet und auf das Deutsche Reich mit Argwohn blickt; wenn England in den Augen der gebildeten Welt als Hort humaner, Deutschland als die Höhle rückständiger, barbarischer Ideen gilt.“ Durch diesen Vorschlag wäre es aber zu internationalen Spannungen gekommen, die zeigten, „daß gerade Abrüstungsbestrebungen es sein können, die die Kriegsgefahr vermehren, statt sie zu vermindern“. Dagegen sah Delbrück im weiteren Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit „Bestrebungen, die man nur willkommen heißen kann, wenn man nicht zu viel von ihnen erwartet“. Größere Konflikte, wie z.B. der russisch - japanische und der englisch - burische Krieg, wären durch Schiedsgerichte nicht zu verhindern gewesen, aber „kleine Reibungen, die aus bloßer Ungeschicklichkeit und Mißverständnis oft zu größeren Bränden entflammen, können durch solche Mittel gelindert und gehoben werden, und Deutschland würde sehr unklug und seinen  eigenen Grundsätzen und Bestrebungen entgegenhandeln, wenn es solche Veranstaltungen nicht unterstützte.“ Grundsätzliche Fragen der weltpolitischen Veränderung blieben jedoch Machtfragen zwischen den Staaten, in der kein Schiedsgericht Urteile sprechen könnte, da es die „schwere weltpolitische Pflicht jedes Volkes und Staates sei, sich ... zu behaupten“. Die Lösung von Machtfragen zwischen den Staaten bedingten jedoch nicht automatisch eine kriegerische Auseinandersetzung, denn „es ist auch möglich, daß die bloße Abmessung, Abschätzung der Kraft und des Willens, die von jeder Seite eingesetzt werden, hinreicht um sich friedlich über eine Neubildung zu verständigen. Es ist also nicht nötig, daß ein Staat der rüstet, deshalb auf Krieg ausgehe - es bedarf aber der Rüstung, damit auf den diplomatischen Kongressen sein Wort das rechte Gewicht habe und das Interesse seines Volkes gewahrt bleibe. In dieses Lage ist heute niemand mehr als Deutschland. So gefürchtet und beargwöhnt unser Reich heute ist, so ist doch sein Einfluß in der allgemeinen Politik noch immer recht gering.“ Hierfür brachte Delbrück als Beleg die internationalen Schwierigkeiten, die sich beim Bau der Bagdadbahn und bei den Verhandlungen über Marokko im Jahre 1906 ergaben, an. Hier wären Deutschland bei seiner „Friedensarbeit“ und „seinen berechtigten Interessen, auf Schritt und Tritt Hindernisse in den Weg gelegt“ worden. Aus diesem Grund müßte Deutschland seine Rüstungen weiter steigern und wäre dazu politisch und wirtschaftlich auch in der Lage. England, Frankreich und Rußland dagegen hätten ihre Grenzen im militärischen Ausbau erreicht. Im weiteren Verlauf des Artikels ging Delbrück auf seine Ausführungen von 1898 „Zukunftskrieg und Zukunftsfriede“ und warf die Frage auf, ob nicht durch den russisch - japanischen Krieg seine damaligen Überlegungen widerlegt seien. Dies bestritt Delbrück jedoch und meinte, daß diese Auseinandersetzung nicht mit einem europäischen Krieg vergleichbar wäre, sondern  den Charakter eines „Kolonialkrieges“ getragen hätte. Für Europa dagegen sei die Durchführung eines bewaffneten Konflikts „fast unmöglich“. Anschließend griff er seine Abschreckungsthese von 1899 erneut auf und verschärfte sie sogar noch: „Es gibt kein besseres Mittel, ..., als wenn von vornherein deutlich zu erkennen ist, daß der Kampf aussichtslos sein würde. In Europa sind die Rüstungen heute so gesteigert und die diplomatischen Beziehungen so verknüpft, daß keine der großen Mächte Aussicht hat, eine andere völlig niederzuringen; die Verwüstungen aber, die ein Krieg anrichten, die Opfer, die er verlangen würde, sind so riesenhaft, daß auch der Härteste oder Frivolste den Entschluß (zu einem Krieg - M.B.) kaum über sich gewinnen wird. Und wenn wirklich ein leitender Staatsmann ohne absolute Notwendigkeit ihn wollte fassen wollen, so wird er das Volk nicht hinter sich herziehen können. (...) Je größer der Krieg, je schwerer die Verantwortung für seine Entfesselung. (...) Der Schluß, der sich hieraus ergibt ist, daß gerade die Größe und Intensität der Rüstungen ein Schutz gegen den Krieg ist.“ Deutschland als Großmacht sei derzeit machtpolitisch in einer günstigeren Position, da Rußland durch seine Niederlage im Krieg gegen Japan und die Revolution von 1905 innen- und außenpolitisch geschwächt sei. Würde das Deutsche Reich jedoch diese Stellung in Europa auf Kosten kleinerer Staaten versuchen weiter auszubauen, würde „sofort eine Koalition gegen Deutschland hervorgerufen (werden), der wir nicht gewachsen wären.“ Im abschließenden Teil des Artikels behandelte Delbrück das deutsch - englische Verhältnis, welches in der damaligen Zeit für ihn den Hauptgegensatz darstellte. Dabei lehnte er die Meinung der „deutschen Chauvinisten“ ab, daß der „Handelsneid“ Grundlage für die „Spannungen zwischen den beiden Nationen“ sei. Delbrück sah als „letzten Grund der englischen Verstimmung ... die Furcht vor dem Wachsen (der deutschen) Seemacht“. Die englische „Superiorität seiner Seemacht“ sei durch die deutschen Flottenrüstungen, wenn noch nicht bedroht, so doch zumindestens perspektivisch gefährdet. Da Deutschland aber, bedingt durch seinen wachsenden Welthandel, auf eine Flotte nicht verzichten könne, müsse man eine Möglichkeit finden um „England ruhig schlafen zu machen, auch wenn Deutschland weiter Schiffe baut.“ Dieses Mittel sah Delbrück im Aufbau einer englischen „Volksmiliz“, „die in jedem Augenblick und an jedem Punkt der langgestreckten Küste auftreten könne“. Somit wäre die Möglichkeit einer Invasion abgewehrt und England „brauchte sich nicht mehr um jedes Kriegsschiff, das irgendwo sonst auf der Welt gebaut wird, zu beunruhigen“. Die Verwirklichung dieser Überlegungen würde jedoch einen längeren Zeitraum beanspruchen und derzeit würde „die öffentliche Meinung (in England) die allgemeine Wehrpflicht auch in dieser mildesten Form“ ablehnen.
Erscheint diese Logik Delbrücks auf den ersten Blick verwunderlich, waren doch Volksmilizforderungen damals nur aus dem Lager der Sozialdemokratie bekannt, so scheinen diese Überlegungen für die damalige Zeit, doch Alternativen geboten zu haben. Durch die Sicherung des englischen Festlandes vor einer möglichen feindlichen Invasion durch eine Volksmiliz hätte eine Möglichkeit bestanden, den englisch - deutschen Gegensatz zu entschärfen. Dabei blieb Delbrück jedoch seinen eigenen früher schon geäußerten Anschauungen treu. Für ihn war die Durchsetzung  deutscher Weltpolitik nur soweit möglich, wie sie auf friedlichem Wege zu erreichen und nicht eindeutig englandfeindlich orientiert war. Dies schloß den Auf- und Ausbau der deutschen Flotte und eine aktive deutsche Kolonialpolitik nicht aus. Eine weiterführende Auseinandersetzung mit der zweiten Haager Konferenz fand in den „Preußischen Jahrbüchern“ nicht statt. Weder den Verhandlungen noch den Ergebnissen wurde ein eigenständiger Artikel gewidmet; auch in den monatlichen Zusammenfassungen (der „Politischen Korrespondenz“) konnte kein weiterführender Hinweis entdeckt werden.
Die „Zukunft“ widmete Mitte und Ende April 1907 zwei längere Artikeln der bevorstehenden zweiten Haager Konferenz. Dabei wurde im ersten Beitrag, überschrieben mit „Monte Carlino“ , neben einer sehr polemischen Betrachtung der deutschen Außenpolitik der letzten Monate, ebenso, wie im zweiten, überschrieben mit „Die Haager Mausefalle“ , auf die Gefahren verwiesen, die der englische Abrüstungsvorschlag für Deutschland bedeutete. In der Abhandlung „Monte Carlino“ wurde deutlich herausgestellt, daß Abrüstung einzig für Deutschland eine reale Gefahr darstellen würde, da „alle anderen (Staaten bereits) dem Britenconcern angehören oder können ihm, wenn’s ihnen paßt, morgen beitreten. Und alle eint der Wunsch: keine Mehrung deutscher Macht.“ Für diesen Zustand wurde die „unstete und geräuschvolle Politik“ Deutschlands verantwortlich gemacht, die geprägt war von „hastigem Flottenbau; (wobei) jede Schiffstaufe, jeder Stapellauf zum historischen Ereignis (wurde). Reden und Depeschen (regten) die Nachbarschaft auf. „Der Dreizack gehört in unsere Faust!“ „Das größerer Deutschland.“ „Herrlichen Zeiten führe ich Euch entgegen.“ (...) „Deutschland in der Welt voran.“ „Hohenzollern Weltherrschaft.“ Genug; zu viel schon.“ Diesen kraftvollen Äußerungen wären jedoch keine Taten gefolgt, „eine Machterweiterung in größerem Stil nie versucht worden“, so daß es „jetzt heißt: Deutschland tut nichts; bellt höchstens, beißt aber nicht; wenn wir grob werden und auf den Tisch hauen, giebts nach. Die Zeit der schlechten Behandlung ist gekommen. (...) Wahrscheinlich. Wer eine Ohrfeige eingesteckt hat, darf sich aber nicht wundern, wenn er mehr bekommt. Ein Friedfertiger, dem ins Gesicht gespien ward, mag freundlich fragen, ob der Regen wohl anhalten werde; merkt eines Tages, nach Stunden oder nach Jahren aber, daß er auf den alten Respekt nicht mehr zu rechnen hat.“ Aus diesen Gründen müßte jetzt die deutsche Regierung zum englischen Vorschlag, die Abrüstung auf der Konferenz behandeln zu lassen, einen festen Standpunkt einnehmen und erklären: „Auf die Abrüstungsfrage bekommt ihr von uns keine Antwort; was darüber zu sagen war, hat Schwarzhoff 1899 gesagt, statt durch ruhige Festigkeit unziemliche Zumuthung von vornherein abzuwehren, muß der „Ferienleiter“ der internationalen Politik des Deutschen Reiches über den Kanal rufen, die Erörterung dieser Frage sei uns ganz recht“ . Diese Gedanken wurden wenige Wochen später in dem Beitrag „Die Haager Mausefalle“ weiter ausgeführt. Karl von Thaler machte darin deutlich, daß „eine allgemeine Abrüstung, für Deutschland nur annehmbar wäre, wenn Frankreich sich damit einverstanden erkläre und mit gutem Beispiel voranginge“. Dies würde Frankreich aber nicht tun, da die Elsaß - Lothringen Frage weiterhin ungelöst wäre. Deshalb müsse „Deutschland die schwere Bürde (der Rüstungen) weiter tragen. Das wird der aufrichtig Gegner des Militarismus kaum bestreiten, wenn ihm die Erhaltung des Reiches am Herzen liegt und sein Nationalgefühl nicht in kosmopolitischen Dusel oder sozialdemokratischen Nebel untertaucht.“

Überblickt man diese Zusammenstellung der Meinungsäußerungen vor Eröffnung der Konferenz, so ist festzustellen, daß der Ton im Vergleich zu 1898/99 moderater geworden war. Wenn einerseits der englische Abrüstungsvorschlag von der deutschen Öffentlichkeit einhellig abgelehnt wurde, so sah sie andererseits aber im Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit einen Fortschritt in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Daneben wurden jedoch auch Meinungen geäußert, die von der deutschen Außenpolitik mehr Engagement und den Einsatz der zweifellos vorhandenen militärischen Stärke als Druckmittel in politischen Verhandlungen forderten. Dabei bildete die Erinnerung an die schlechte Haltung der deutschen Diplomatie auf der Algeciras Konferenz ein immer wiederkehrendes Argument. Einen Krieg zur Durchsetzung von machtpolitischen Zielen forderte indes keine Stimme. Die Verfasser der Kommentare erhofften vielmehr von der zweiten Haager Konferenz, daß durch die Weiterentwicklung der Beschlüsse von 1899, eine weitere friedliche Annäherung zwischen den Staaten zu erreichen sei und dies auch im deutschen Interesse liege. Diese veränderte Grundstimmung in der deutschen Öffentlichkeit registrierte auch der Berner Völkerrechtsgelehrte Otfried Nippold in einem Artikel für die „Deutsche Revue“. Dort schrieb er: Es läßt sich „eine wesentliche Veränderung in der Beurteilung der Haager Konferenzen gegen früher konstatieren, namentlich in Deutschland, wo man früher nur skeptische Urteile zu hören bekam und wo neuerdings, ..., die öffentliche Meinung sich wenigstens nicht mehr ablehnend verhält und die Möglichkeit weiterer Fortschritte wenigstens nicht mehr von vornherein von der Hand weist. Das ist immerhin schon etwas, und diese Tatsache erlaubt vielleicht auch, wenn man einigen Preßnotizen Glauben schenken darf, Rückschlüsse auf die Stellungnahme der deutschen Reichsregierung zu dem künftigen Haager Programm zu ziehen.“  


 

5. DIE ZWEITE HAAGER KONFERENZ

5. 1. Die Verhandlungen auf der zweiten Haager Konferenz

Die bereits im vierten Teil der hier vorliegenden Arbeit erwähnt, war die Zusammensetzung der zweiten Haager Konferenz, im Vergleich zu 1899, um etwa das Doppelte gewachsen. Die Verhandlungen auf der Konferenz mußten organisiert werden, womit auch die Konferenz ihre ersten Wochen verbrachte. Die eigentliche Sacharbeit fand in den Subkommissionen statt, die zum Teil sehr stark besetzt waren. Jeder Staat hatte die Möglichkeit erhalten so viele Vertreter in die einzelnen Kommissionen zu entsenden, wie es ihm beliebte, so daß die Verhandlungen nur schleppend vorankamen. Der erste Delegierte Deutschlands, Freiherr Marschall von Bieberstein, erwähnte dies auch in seinem ersten Bericht an die deutsche Regierung: „Sechs Wochen sind nunmehr vergangen, seitdem die zweite Friedenskonferenz zusammengetreten ist. Und noch hat sie nach außen hin erkennbare positive Arbeit nicht geleistet. (...) Man kann sich unmöglich einen ungefügigeren Versammlungskörper denken als diese Friedenskonferenz. In ihr sind 46 Staaten mit zirka 250 Delegierten vertreten. Dabei fehlt das einzige Mittel, mit welchem man eine größere Versammlung dirigieren kann, nämlich das Majoritätsprinzip.“   Auch auf der zweiten Konferenz waren sich die Verhandlungsteilnehmer einig, daß völkerrechtlich bindende Beschlüsse nur einstimmig erfolgen dürften. Ebenso ging man davon aus, daß die Beschlüsse im Anschluß durch die Parlamente in nationales Recht überführt würden, wie es sich auch nach der Konferenz von 1899 vollzogen hatte.
Gründlich vorbereitet wurde die Konferenz von 1907 nur durch die Großmächte Deutschland, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Als eine solche Vorbereitung kann das Vorlegen von Vorschlägen betrachtet werden, die zum Beginn der Konferenz von den Hauptdelegierten in das Plenum eingebracht wurden. So machte z.B. Deutschland den Vorschlag ein internationales Prisengericht einzusetzen, das bei Streitfällen obligatorisch anzurufen sei und seinen ständigen Sitz in Den Haag haben sollte. England seinerseits wollte den Begriff der Kriegskonterbande abschaffen lassen, wobei jedoch die Kriegsschiffdefinition weiter gefaßt werden sollte. Rußland als einladende Großmacht brachte keine eigenen Vorschläge ein und Österreich - Ungarn befand sich im „vollen Einverständnis“ mit der deutschen Verhandlungslinie. Es würde hier zuweit führen die Verhandlungen in den Kommissionen und Subkommissionen nachzuzeichnen. Nur auf die Schwerpunkte der Verhandlungen soll deshalb hier verwiesen werden.
In minderschweren Fragen einigten sich die Staaten recht schnell auf eine einheitliche Meinung. So konnte beispielsweise ohne lange Beratungen die Genfer Konvention auch auf den Seekrieg angewandt werden und Einigung über das Verbot der Beschießung von offenen Städten und Häfen im Krieg erreicht werden. Anders sah es dagegen bei der Beratung von grundsätzlicheren Fragen aus. Eine solche war die Beurteilung ob ein obligatorisches anzurufendes Schiedsgericht eingesetzt werden kann und welche Verhandlungs­gegenstände vor ein solches gebracht werden sollten. Die Beantwortung dieser beiden Fragen zog sich wie ein roter Faden durch den gesamten Verlauf der Konferenz, ohne daß man sich letztendlich einigen konnte. Die deutschen Instruktionen waren in dieser Angelegenheit eher hinhaltend und Marschall verfolgte diese Linie auch konsequent, jedoch nicht ohne Schwierigkeiten, die sich im Verlauf der Konferenz ergaben. So war sich auch die englische Regierung im Vorfeld der Konferenz nicht eindeutig klar, welche Linie sie einschlagen werde. Noch im Juni 1907 herrschte in Berlin die Einschätzung vor, „daß die englischen Delegierten nicht für (ein) obligatorisches Schiedsgericht eintreten werden“ und auch der englische Delegierte Sir Edward Fry erklärte dies in einem Gespräch mit Marschall nach der Eröffnung der Konferenz. Wenige Wochen später, nachdem die Vereinigten Staaten Anfang Juli einen Vorschlag zur Installierung eines obligatorischen Schiedsvertrages eingebracht hatten, änderte sich jedoch die englische Haltung. Nun trat England für den Abschluß eines solchen Obligatoriums ein. Auch war der ansonsten feste Bundesgenosse Österreich in dieser Frage von Deutschland abgerückt. In Wien hielt man ein Eingehen auf diese Form der Konfliktregulierung für möglich. Erst nach einer scharfen Intervention des deutschen Auswärtigen Amtes, lehnte man sich wieder an die deutsche Position an. In der Kommission, die sich mit der Errichtung eines obligatorischen Schiedsgerichtes beschäftigte, hielt am 23. Juli 1907 der deutsche Vertreter Marschall eine vielbeachtete Rede zu dieser Thematik. Hierin stellte er fest, daß sich der deutsche Standpunkt zu dieser Frage im Vergleich zur ersten Haager Konferenz grundlegend geändert hätte. War man damals (1899) davon ausgegangen, daß für eine solche Einrichtung die Erfahrungen fehlten, sei man nun für dessen Errichtung. Deutschland sei auf diesem Wege auch bereits Schritte gegangen und hätte mit England und den USA Schiedsverträge abgeschlossen, die das gesamte Gebiet der juristischen Streitigkeiten abdeckten. Gegen einen obligatorischen Weltschiedsvertrag hätte man aber von deutscher Seite grundlegende Bedenken, da man in einem bilateralen Vertrag konkrete geographische, wirtschaftliche, finanzielle und historische Beziehungen und Traditionen berücksichtigen könnte, die in einem globalen Vertrag nicht eindeutig zu definieren wären. Politische Konflikte, so Marschall weiter, gehörten ohnedem nicht vor ein Schiedsgericht, wogegen juristische Auslegungsfragen von Verträgen meist keinen genügenden Anlaß bieten würden, um von einem Schiedsgericht verhandelt werden zu müssen. Auf diesem Gebiete könnte man jedoch zu Übereinkünften kommen, wobei das Gebiet des internationalen Verkehrs- und Postrechts prädestiniert wären. Abschließend stellte Marschall fest, daß er in einem Ausbau der Beschlüsse von 1899 eine weitere Förderung des Schiedsgerichtsgedankens sehe und forderte die Konferenz auf, einen wirklichen permanent tagenden Gerichtshof in Den Haag zu schaffen. Die Reaktion des Plenums auf diese Rede war stürmisch bis begeisternd; lang anhaltender starker Beifall und Glückwünsche von allen Seiten machten dies deutlich. Rückblickend äußerte sich Marschall jedoch, daß ihm selbst nicht klar war, ob die gehaltene Rede, für oder gegen das Weltschiedsgericht gerichtet war.“ Dies war in diesem Moment des Konferenzverlaufes jedoch nicht von allzu großer Wichtigkeit, denn Deutschland gewann durch die Ausführungen Marschalls bei vielen Teilnehmern großes Ansehen und Anerkennung. Desweiteren entwickelte sich Marschall im Verlauf der Konferenz zu einer allseits geachteten und respektierten Persönlichkeit.
Die Intentionen der deutschen Regierung waren aufgegangen: Deutschland stand im Mittelpunkt des Konferenzgeschehens und nicht im Abseits, eine Isolierung war nicht mehr zu befürchten und das Deutsche Reich hatte seine friedlichen Absichten unter Beweis stellen können. Dies war für die Reichsleitung außerordentlich wichtig, da Deutschland nicht, wie es während der ersten Haager Konferenz 1899 der Fall war, in der internationalen Öffentlichkeit als „Friedensstörer“ stigmatisiert wurde und auch die Situation wie auf der Marokkokonferenz von 1906, wo sich Deutschland in völliger Isolation wiedergefunden hatte, nicht erneut einzutreten schien. In der Reichsleitung registrierte man dieses positives Zwischenergebnis mit Befriedigung. Ebenso wurden auch mit großer Aufmerk­samkeit die englischen und amerikanischen Pressestimmen zur Rede Marschalls verfolgt.  Die „Daily News“ überschrieb z.B. einen Artikel mit „Hague Debacle“ und kritisierte darin, daß die britische Delegation nichts für den Frieden täte (British do Nothing for Peace). Dem Artikel war ein Interview mit dem bekannten amerikanischen Pazifisten W. T. Stead beigefügt, in dem er konstatierte, daß Deutschland - durch die Rede Marschalls - auf der Konferenz die Führung übernommen habe (Germany Takes the Lead) und England nichts täte, um selber positiv in Erscheinung zu treten. Ähnlich sah dies auch der „Standard“, er kommentierte in einem Artikel vom 29.7.1907 folgendermaßen: „The event of the week was the speech of Baron Marschall von Bieberstein to the First Commission (Arbitrage). It was an remakable address. (...) The lead in this respect has been completely taken out of the hands of Great Britain.“
Das Auswärtige Amt verfolgte jedoch nicht nur die Reaktionen ausländischer Zeitungen. Auch die in Deutschland und Österreich erscheinenden Tageszeitungen wurden einer gründlichen Auswertung unterzogen. Davon zeugen sechs Ordner, die in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes während der Haager Konferenz angelegt wurden. Aus den Anmerkungen an die dort abgelegten Artikeln geht hervor, daß der Reichskanzler von Bülow ständig umfassend über die Berichterstattung in der Öffentlichkeit informiert war. Weiterhin wurde ein großer Teil der Artikel auch an die deutsche Delegation in der niederländischen Hauptstadt weitergeleitet, so daß diese ebenfalls detailliert unterrichtet war. Freiherr Marschall von Bieberstein unterhielt selbst gute Beziehungen zu den in Den Haag vertretenen Journalisten. Seinen dabei verfolgten Grundsatz beschrieb er folgendermaßen: „Ich pflege die Korrespondenten hervorragender Blätter zu empfangen und ihnen zu sagen, was ich für richtig halte. Ich glaube, die Konferenz hat ein Interesse daran, daß die Presse richtig informiert werde. Sonst schreibt dieselbe Falsches oder gar nichts über die Konferenz. Beides ist nicht wünschenswert.“ Ergänzend stellte er fest, daß außer der „Kölnische Zeitung“ und der „Frankfurter Zeitung“ keine weiteren deutschen Spezialkorrespondenten mehr in Den Haag wären. Anders sah es dagegen mit Pressevertretern aus England und Amerika aus. Diese waren bis zum Ende der Verhandlungen stark vertreten und Marschall unterhielt bis zuletzt ein gutes Verhältnis zu ihnen.
Auch kann man davon ausgehen, daß man nun in der Reichsleitung das Prinzip einer obligatorischen schiedsgerichtlichen Regelung von Streitigkeiten in minderschweren Fällen akzeptierte, jedoch wollte man sich die Partner dafür selbst auswählen können. Deutlich wurde dies in einem Bericht des Reichskanzlers von Bülow an Wilhelm II., der sich unmittelbar auf die Ausführungen Marschall bezog. In diesem Bericht hieß es: „Freiherr von Marschall hat im Eingang seiner Rede der Idee der obligatorischen Schiedssprechung gewisse Konzessionen gemacht, um daran die Mitteilung zu knüpfen, daß Deutschland selbst im Jahre 1904 mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika für Rechts- und Auslegungsstreitigkeiten obligatorische Schiedsverträge geschlossen hat. Der Abschluß solcher Verträge war England und der Union gegenüber angängig, weil wir durch das Meer von diesen Ländern getrennt sind. Anders verhält es sich mit unmittelbar benachbarten Staaten, die uns infolge engerer Wechselbeziehungen des Verkehrs und zum Teil langausgedehnter Grenzen ständige Reibungsflächen bieten. Vollends unannehmbar aber wäre ein Weltschiedsvertrag , der uns ganz allgemein und auch böswilligen kleineren Staaten gegenüber der Möglichkeit berauben würde, den Machtfaktor zur Geltung zu bringen.“ Der Grund für die deutsche Ablehnung liegt also, folgt man den Ausführungen Bülows, mehr in einer Politik der „freien Hand“ und der Demonstration von Stärke als sich bewußt, wie es Dülffer formulierte, „außerhalb der internationalen Ordnung zu stellen.“ Marschalls Haltung auf der Konferenz zur Schiedsgerichtsfrage wich jedoch grundlegend von der 1899 eingenommenen Position und zeigte deutlich die veränderte Haltung des Deutschen Reiches. Man sah nun in einem Schiedsgericht eine begrenzte Möglichkeit der Konfliktregulierung, ohne jedoch grundsätzliche Machtinstrumentarien aus der Hand geben zu müssen. Insoweit ist die deutsche Haltung in Den Haag ehrlich vertreten worden. Dülffer würdigte diese veränderte Position in seinen Ausführungen kaum. Er wertete die deutsche Haltung vielmehr als eine vom Parlament unabhängige deutsche Außenpolitik, die „Nein sagen (konnte), ohne daß dies andere Staaten etwas anginge“ . Die deutsche Politik in Den Haag wurde jedoch von der deutschen Öffentlichkeit in großen Zügen gedeckt. In den Veröffentlichungen der Zeitungen und Zeitschriften war, wie im folgenden Abschnitt der Arbeit noch zu zeigen sein wird, eine fast völlige Übereinstimmung und Identifizierung, mit der deutschen Haltung zu finden. Insofern mußte sich die Reichsleitung über mögliche innenpolitische Schwierigkeiten keine Gedanken machen.
Im weiteren Verlauf der Verhandlungen in Den Haag blieb Deutschland bei seinem in der Rede Marschalls eingenommenen Standpunkt. Das Prinzip eines Obligatoriums zwischen zwei Staaten bejahend lehnte man einen Weltschiedsvertrag jedoch weiter kategorisch ab. Mit dieser Haltung stand man indes nicht allein. Marschall suchte und fand in kurzer Zeit Bundesgenossen zu denen neben Österreich - Ungarn auch die Schweiz, Rumänien, Belgien, die Türkei, Griechenland. Bulgarien und Montenegro gehörten. Italien, Luxemburg und Japan enthielten sich in der abschließenden Abstimmung Anfang Oktober der Stimme. Die Vereinigten Staaten machten ihrerseits einen Vorbehalt geltend: jeder Schiedsspruch sei dem amerikanischen Senat zur Billigung vorzulegen. Dies hätte aber bedeutet, daß bei der Ablehnung eines Urteils durch den amerikanischen Senat, von einem Obligatorium nicht mehr die Rede sein kann.

Einen weiteren Schwerpunkt bei den Verhandlungen in Den Haag bildete die Auseinandersetzung über die Gesetze und Gebräuche des Seekrieges. Im Vorfeld der Konferenz war es über die Frage nach der Abschaffung des Seebeuterechts zwischen einzelnen deutschen Ministerien zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Das Reichsamt des Innern und das Handelsministerium waren für die Abschaffung, wobei man wirtschaftliche Gründe in den Vordergrund stellte, wogegen das Reichsmarineamt und der Admiralstab der Marine militärische Überlegungen in den Vordergrund stellten und für eine Beibehaltung plädierten. Das Auswärtige Amt trat ebenfalls für eine Abschaffung des Seebeuterechts ein, sowohl aus taktischen, hoffte man in dieser Frage mit den USA, auf der Konferenz zusammenarbeiten zu können, als auch aus Gründen der „Humanität und der friedlichen Entwicklung“ . In dieser grundsätzlichen Auseinandersetzung entwickelte der Staatssekretär des Reichsmarine­amtes von Tirpitz eine außergewöhnliche Aktivität. In mehreren Denkschriften an den Reichskanzler von Bülow trat er für die unbedingte Beibehaltung des Seebeuterechts ein, da nur dadurch Englands maritime Machtstellung in einem künftigen Krieg relativiert werden könnte. „Die gewaltige maritime Machtstellung,“ so Tirpitz an Bülow, „die England heute schon allen anderen Staaten gegenüber besitzt, wird durch Beseitigung des Seebeuterechts noch ins Ungemessene gesteigert werden. Die Achillesferse für England, die einzigste Stelle, an der es sich selbst noch für verwundbar hält, nämlich die Zufuhr von Nahrungsmitteln und Rohmaterialien, soll durch Beseitigung des Seebeuterechts gegen jede Störung gesichert werden. Und dazu wollen wir selbst helfen!“ Anders sah dies der Botschafter Metternich in London, der im Mai 1907 einen bemerkenswerten Bericht für den Reichskanzler anfertigte. In ihm diskutierte er die von Tirpitz vorgebrachten Argumente und trat für eine Abschaffung des Seebeuterechts ein, denn: „Ein deutsch - englischer Krieg mit Seebeuterecht bedeutet für uns die Vernichtung unseres Seehandels und des größten Teils unserer Handelsflotte. Wo bleibt da nachher unsere Weltpolitik? Ein deutsch englischer Krieg ohne Seebeuterecht unter den erforderlichen Garantien bedeutet für uns die Schädigung unseres Seehandels und die Lahmlegung eines großen Teils unserer Handelsflotte während des Krieges, aber nicht deren Vernichtung. Nachher können wir unsere Weltpolitik wieder aufnehmen, wenn auch ... in beschränkteren Maße. (...) Was vorzuziehen ist, liegt auf der Hand.“ Metternich führte anschließend weiter aus, daß das Seebeuterecht noch nicht im „Bewußtsein der Völker“ als ein großer Unrecht betrachte würde, die Zerstörung von Privateigentum zur See im „Rechtsbewußtsein der Kulturvölker“ jedoch immer mehr auf Ablehnung stoße. Der eigentliche Hauptgrund für die Spannungen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich sei jedoch die Handelsrivalität, wegen derer England jedoch keinen Krieg mit Deutschland beginnen würde. Zum Abschluß seines Berichtes verwies der Deutsche Botschafter in London darauf, daß „keine Fraktion oder Partei in England ... den Krieg mit Deutschland wünscht oder darauf hinarbeitet“. Jedoch die Beunruhigung über den Ausbau der deutschen Flotte immer größer würde. „Wir jedoch sind entschlossen, unserer Flotte auszubauen, und müssen daher die damit verbundene Gefahr eines Krieges mit England mit in den Kauf nehmen. Wir müssen uns aber hüten, die Ursachen unseres Verhältnisses zu England auf einem falschen Terrain zu suchen, und sollen versuchen, den Argwohn und die Beunruhigung, welche unsere Flotte in England erzeugt, durch die Anbahnung eines vertrauensvollen und freundschaftlichen politischen Verhältnisses zwischen beiden Ländern auszugleichen. Gelingt dies während der nächsten Jahre nicht, so wird die Lage infolge der Erstarkung unserer Flotte noch gespannter und gefährlicher werden, denn so stark wird sie auch in zehn Jahren nicht sein, daß der Engländer sich unbedingt vor ihr beugen muß. Gelingt es hingegen, was ich allerdings vorläufig nicht für durchführbar halte, unsern Seehandel völkerrechtlich vor den Gefahren eines Krieges mit England zu schützen, so sinkt damit die Gefahr dieses Krieges selbst. Denn außer der Vernichtung unserer Handelsstellung zur See kann England uns fast nichts anhaben. Nur um zu sehen, ob das englische oder das deutsche Schlachtschiff das stärkere ist, wird es kaum einen Krieg führen.“ Der Unterschied der Anschauungen zwischen Tirpitz und Metternich liegt auf der Hand. Für Tirpitz war ein Krieg gegen England unumgänglich, für Metternich war dieser möglich aber vermeidbar, wobei sich die deutsche Weltpolitik dieser Konstellation anpassen und auf einen freundschaftlichen Ausgleich orientieren müsse. Unter Weltpolitik verstand Metternich eine auf Welthandel orientierte Wirtschaftspolitik, die durch die deutsche Flotte geschützt werden sollte. Da diese aber erst in mehr als zehn Jahren fertig gestellt sein würde, und auch dann die englische Vorherrschaft auf dem Meer vermutlich nicht gebrochen sei, käme es auf ein freundschaftliches Verhältnis gegenüber England an.
Damit war die Diskussion in der Reichsleitung jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Vortragende Rat in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes Kriege entwarf ein „Votum betreffend Stellungnahme der deutschen Delegierten für die zweite Haager Friedenskonferenz zur Abschaffung des Seebeuterechts“, worin er sich für die Abschaffung des Seebeuterechts aussprach. Dabei sollten die deutschen Delegierten jedoch nicht die Initiative ergreifen sondern einem - von einer anderen Großmacht (USA) unterbreiteten - dies­bezüglichen Vorschlag beitreten. Weiterhin verwies Kriege darauf, daß nur bei Einstimmigkeit der Großmächte und bei gleichzeitiger Einrichtung eines internationalen Oberprisen­gerichtshofes Deutschland für die Abschaffung des Seebeuterechts eintreten könnte. Gegen diese Vorgabe intervenierte wiederum Tirpitz - diesmal jedoch an höchster Stelle bei Kaiser Wilhelm II. Dessen Stellungnahme gegen die Abschaffung des Seebeuterechts veranlaßte dann das Auswärtige Amt die endgültigen Instruktionen in dieser Angelegenheit, erst während der Konferenz den deutschen Delegierten zukommen zu lassen.
Deutlicher als bei allen anderen Fragen in der Vorbereitungsphase der Haager Konferenz traten hier grundsätzliche Unterschiede der Anschauungen in der deutschen Führungs­ebene zutage. Einerseits: Wollte man den Flottenausbau weiter vorantreiben, so mußte man in der Vorgehensweise auf internationalem Parkett vorsichtigere Töne anschlagen; andererseits bestand aber auch die Gefahr, daß man sich in maritimen Fragen selbst die Hände bände und in ferner Zukunft, nach Abschluß des Flottenaufbaus, völkerrechtlichen Verpflichtungen unterläge, die eine Weltmachtpolitik erschwerten.
Marschall von Bieberstein brachte auf der ersten Sitzung der Kommission den Vorschlag ein, daß die zweite Haager Konferenz die Einsetzung eines internationalen Oberprisengerichts­hofes beschließen möge. Dieser Antrag wurde von englischer und amerikanischer Seite unterstützt. Der deutsche Vorschlag lief auf einen Oberprisengerichtshof hinaus, der zwar im internationalen Recht Schiedsgerichtscharakter tragen, jedoch in einem Krieg bei Streitigkeiten obligatorisch angerufen werden sollte. Ebenso regte er an, daß die „Ehrenklausel“, die es Staaten ermöglichte einen Streit, zu einer Frage der Ehre zu erklären, und ihn somit nicht von einem Schiedsgericht verhandeln zu lassen, fallengelassen werde. Gerade hier wurde die Wandlung des deutschen Standpunktes zu 1899 besonders deutlich. Ein obligatorisches Schiedsgericht in maritimen Fragen sollte die deutsche Handelsschiffahrt schützen, wobei man jedoch nicht vergessen darf, daß ein Prisengericht erst während einer kriegerischen Auseinandersetzung zusammentreten sollte. Auf diesem Gebiet sah man Handlungsspielräume, die durch internationale Vereinbarungen im deutschen Interesse gelöst werden konnten. Dabei war man sich mit England darüber einig, daß die Errichtung eines Oberprisengerichtshofes ein völkerrechtlicher Fortschritt wäre und im beiderseitigen Interesse läge. Auch erzielte man in langen Verhandlungen über die Errichtung, Besetzung, Zuständigkeit und Verfahrensweise Einigung, jedoch konnte die Frage nicht geklärt werden, nach welchem Recht ein solcher Gerichtshof die Gerichtsbarkeit ausüben sollte. Eine diesbezügliche völkerrechtliche Einigung war bislang nirgendwo fixiert. Die großen Fragen des Seekriegs: Beuterecht, Konterbande und Blockade konnten abschließend von der zweiten Haager Konferenz nicht gelöst werden, so daß die Deklaration, nach der der „Prisenhof, ... mangels von Staatsverträgen und allgemein anerkannten Regeln des internationalen Rechtes, nach den allgemeinen Grundsätzen der Gerechtigkeit  und Billigkeit“, Recht sprechen sollte, von keinem Staat ratifiziert werden konnte. Intern einigten sich die englischen und deutschen Delegierten jedoch darauf, daß England im folgenden Jahr eine Konferenz zu Seerechtsfragen einberufen werde, um die noch strittigen Fragen zu lösen. Diese Konferenz fand dann tatsächlich vom 4.12.1908 bis zum 26.2.1909 in London statt. An ihr beteiligten sich alle Großmächte, sowie Spanien und die Niederlande. Die dort verabschiedete „Londoner Deklaration“, in der sich die teilnehmenden Staaten über fast alle Fragen des Seekriegsrechts einigen konnten , trat jedoch nie in Kraft, da in der englischen Öffentlichkeit der Widerstand gegen die Ergebnisse so groß wurde, daß es der englischen Regierung nicht möglich war die Beschlüsse zu ratifizieren. Insofern wurde hier eine Chance vergeben, da es eine Fixierung des Völkerrechts auf einem Gebiet bedeutet hätte, das gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts von immens großer Bedeutsamkeit war.
Im Laufe der Verhandlungen in Den Haag brachte England Mitte August auch das Abrüstungsthema zur Sprache. Durch die, im Vorfeld der Konferenz geäußerte ablehnende Haltung der deutschen Regierung, sich an der Diskussion dieser Frage zu beteiligen, war eine Übereinkunft zwischen Nelidow, dem Leiter der Konferenz, und dem englischen Vertreter Edward Fry erzielt worden, die beinhaltete daß Fry eine Resolution an die Konferenz einbringe, die ohne Diskussion angenommen werden sollte. Die von dem englischen Vertreter vorgeschlagene Resolution hatte folgenden Inhalt: „Sie (die Konferenz - M.B.) bestätigt den auf der Konferenz von 1899 in Ansehung der Begrenzung der Militärlasten angenommenen Beschluß und erklärt im Hinblick darauf, daß die Militärlasten seit jenem Jahr in fast allen Ländern erheblich gewachsen sind, daß die Frage dringender denn je ist, und hält es für höchst wünschenswert, daß die Regierungen das Studium dieser Frage wiederaufnehmen.“ Der Wortlaut dieser Resolution wurde zwischen Fry und Marschall abgestimmt, da der deutsche Vertreter sich an der Formulierung „dringender denn je“ stieß und ähnelte in seinem endgültigen Wortlaut stark der 1899 verabschiedeten Entschließung. Nun hieß es: die Konferenz halte es „für höchst wünschenswert, daß die Regierungen das ernstliche Studium dieser Frage wiederaufnehmen.“ Der Amerikaner Choate und der Russe Nelidow erreichten außerdem, daß keiner der Konferenzteilnehmer das Wort zur Thematik ergriffen, so daß die Resolution per Akklamation angenommen wurde. Fast zu einem Eklat wäre es gekommen, als der französische Delegierte Bourgeois - ohne Genehmigung des Präsidiums - eine kurze Rede hielt, in der er die englische Resolution unterstützte. Jedoch ergriff kein weiterer Redner das Wort, so daß die deutsche Delegation, die Sitzung nicht zu verlassen brauchte. Es war also erneut ein „Begräbnis erster Klasse“, das man dem Abrüstungsgedanken bereitete. Abermals sprachen die Konferenz­teil­nehmer den unverbindlichen Wunsch (voeu) aus, daß sich die Staaten weiter mit der Abrüstungsfrage beschäftigen sollten, mehr jedoch nicht.

5.2. Die Stellung der deutschen Öffentlichkeit zur zweiten Haager Konferenz

 

Zur Eröffnung der zweiten Haager Konferenz fanden sich in der niederländischen Hauptstadt eine Vielzahl von Vertretern der deutschen Presse ein. Jede größere deutsche Zeitung hatte einen Sonderkorrespondenten entsandt. Neben den bereits erwähnten Vertretern der „Frankfurter Zeitung “ und der „Kölnischen Zeitung“ hatten zumindestens auch das „Berliner Tageblatt“ , die „Vossische Zeitung“ und die „Germania“ Berichterstatter entsandt. In großer Aufmachung wurde jedoch nicht nur in diesen Blättern über den Beginn der Konferenz berichtet. Die „Neue Preußische Zeitung“ berichtete über die Eröffnung , wie auch der „Berliner Börsen Courier“ und der „Hamburgische Correspondent“ . Andere Zeitschriften, wie z.B. die „Berliner Illustrirte Zeitung“ und „Der Tag“ brachten zur Konferenzeröffnung jeweils einen bebilderten Teil, in dem die Hauptdelegierten der einzelnen Staaten mit Bild und Namen vorgestellt wurden. Der Verlauf der Konferenz wurde in vielen Zeitungen fast minutiös nachgezeichnet, andere dagegen berichteten nur sporadisch über die Verhandlungen in Den Haag. Besonders intensiv war die Berichterstattung in der „Frankfurter Zeitung“, der „Vossischen Zeitung“, der „Kölnischen Zeitung“, dem „Berliner Tageblatt“ und der „Germania“. So brachte z.B. die „Germania“ im Zeitraum vom 16.6. bis zum 31.10.1907 insgesamt 77 Artikel über die Konferenz ; das „Berliner Tageblatt“ im gleichen Zeitraum 87 Veröffentlichungen; und sogar das „Teltower Kreisblatt“ berichtete in 55 Beiträgen über die Verhandlungen. Anders sah es dagegen mit der Intensität der Berichterstattung in der sozialdemokratischen Parteipresse aus. In den fast vier Monaten in denen die Friedenskonferenz tagte, veröffentlichte der „Vorwärts“ nur 12 Artikel über die Verhandlungen in der niederländischen Hauptstadt, wobei diese auch noch sehr kurz und polemisch gehalten waren.
In Grundsatzartikeln legten nach der Konferenzeröffnung mehrere Zeitungen ihre Ansichten zu den Verhandlungsgegenständen der zweiten Haager Friedenskonferenz dar. So beschäftigte sich die konservative „Neue Preußische Zeitung“ am 19. Juni 1907 mit den Erfolgsaussichten der Beratungen. Sie schrieb in diesem Artikel folgendes: „Völkerrechtskonferenz - nicht Friedenskonferenz sollte man jetzt den in Haag tagenden Staatenkongreß nennen. Die Bezeichnung „Friedenskonferenz“ trifft nur einen kleinen Teil seiner Arbeiten und nicht den wesentlichsten. Ebenso wenig wie die erste Haager Konferenz eine „Friedenskonferenz“ in dem Sinne war, daß damals nur die Kriegsvorbeugung Gegenstand der Beratungen gewesen wäre, wird auch die zweite Konferenz der Fortbildung des Völkerrechts nicht nur in seinem friedensrechtlichen Teile dienen. Vielmehr wird gerade die Ausgestaltung des Seekriegs- und Neutralitätsrechts die lohnendste und, wie wir hoffen, segensreichste Frucht der Konferenzarbeiten bilden. (...) Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, möchten wir noch besonders betonen, daß wir auch der friedensrechtlichen Arbeit der Konferenz unsere Sympathie entgegenbringen. Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit wird sich noch weiter entwickeln lassen, ja es wird sich vielleicht die Einführung einer obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit in einzelnen, die Lebensinteressen und die Ehre der Staaten nicht berührenden Fragen ermöglichen lassen. Prinzipiell ablehnend wird sich hier kein Staat verhalten können.“ In Fragen der Kriegführung lehnte die „Neue Preußische Zeitung“ ein obligatorisches Schiedsgericht jedoch kategorisch ab. Mit einem bemerkenswerten Bekenntnis für die breitere Behandlung von Themen des Völkerrechts in der Presse schloß der Artikel: „Die Presse sollte mehr noch, als dies bereits geschehen ist, den gegenwärtigen Zustand des Völkerrechts, über den in den weitesten - selbst juristischen - Kreisen oft große Unkenntnis anzutreffen ist, darstellen und würdigen. So erst ergibt sich ein richtiger und gerechter Maßstab für die Leistungen der Völkerrechtskonferenzen und wird die öffentliche Meinung vor Über- oder Unterschätzung ihrer Ergebnisse bewahrt. (Die) Warnung, man dürfe nicht einzelne Punkte aus dem Zusammenhange reißen, ist ebenfalls sehr angebracht. Man kann sich für eine humane Forderung der Völkerrechtsreform begeistern und sich doch nur dann für sie erklären und sie als bindend anerkennen, wenn andere, damit in unlösbarem Zusammenhang stehende Forderung durchgesetzt werden können. Um eines schönen Prinzips willen dürfen Lebensinteressen nicht aufs Spiel gesetzt werden, wenn sie nicht durch andere völkerrechtliche Abmachungen sichergestellt werden können. Im ganzen wird ein gesunder Fortschritt des Völkerrechts wirkliche nationale Interessen schwerlich gefährden.“
Ähnlich sah dies auch das „Berliner Tageblatt“, wobei es jedoch andere Schwerpunkte ausmachte. Ein solcher war die Frage der Abrüstung, an dessen Diskussion sich das Deutsche Reich ja nicht beteiligen wollte. Theodor Wolff sah darin jedoch nicht unbedingt einen Makel, obgleich Deutschland damit bereits im Vorfeld der Konferenz als „Störenfried“ in Erscheinung getreten war, denn Bülow behielt in seiner Rede vom 30. April 1907 vor dem Reichstag „einen Pfeil in seinem Köcher“. Dieser „Pfeil“ waren für Wolff, die „zu wenig beachtete Worte Bülows“, daß Deutschland „wenn bei der Erörterung etwas Praktisches herauskommt“, diese Ergebnisse auf Umsetzbarkeit prüfen wolle. „Mit diesen Worten läßt sich einiges anfangen. Wir haben darauf verzichtet, moralische Gewinne einzuheimsen, aber unser Leben ist versichert.“ Anders als ein Jahr zuvor in Algeciras sah Wolff auch nicht die Gefahr einer deutschen Isolierung, denn „1906 wurde Deutschland „nur „isoliert“, weil unsere Diplomatie die Lage nicht richtig erkannt hatte, weil sie Illusionen nachhing und falsch unterrichtet war. Eine geschickte und gut informierte Diplomatie kann solche Situationen vermeiden. Und eine selbstsichere Diplomatie braucht nicht, wie der furchtsame Wanderer, bei jedem Schatten am Wege auszurufen: „Weh mir, ich bin umzingelt!“ Unsere auswärtige Politik ist seit der Marokko-Affäre eine Politik der Defensive. Fürst Bülow ist nicht der Mann weit ausschauender stetig verfolgter Pläne - es genügt ihm, Tag für Tag ärgerliche Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.“ Für das gesamte Arbeitsspektrum der Konferenz sah der stellvertretende Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“ besonders in den Fragen des Seekriegsrechts und der Weiterentwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit Handlungsbedarf. Jedoch meinte er auch, daß bislang alle Fragen, welche die „Gesetze und Gebräuche des Seekrieges“ und des „Privateigentums zur See“ betrafen, an dem „Widerstande Englands“ scheiterten. Dagegen hätte die Weiterentwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit größere Aussicht auf Erfolg, denn, obgleich sich gegen „Schiedsgerichte natürlich mancherlei einwenden“ ließe, sei es doch falsch, daß sich Großmächte „bei Differenzen mit kleineren Staaten nicht ohne Einbuße an Ansehen einem Schiedsspruch unterwerfen“ könnten. Dies sei möglich, da nämlich „die Völker heutzutage eine feinere Empfindung für Würde (haben), und ... eine Großmacht, die gegen die Kleinen gleich Kanonen braucht, verliert Sympathien und Ansehen.“
Die liberale „Vossische Zeitung“ ging in ihrem Grundsatzartikel auf die Erfolge der ersten Konferenz von 1899 ein, wobei sie besonders die Einrichtung des ständigen Schiedgerichtshofes in Den Haag und seine Funktionsfähigkeit in dem Venezuelafall herausstellte. Gerade auf diesem Gebiet erwartete man dann auch weitere Fortschritte. Ebenso erhoffte man die Klärung der Rechte und Pflichten der neutralen Staaten im Krieg und der Klärung des Begriffes der Kriegskonterbande, da sich hier besonders in den letzten Kriegen Fragen ergeben hätten, die einer völkerrechtlichen Festschreibung bedürften. Auf die Verdienste der „Interparlamentarischen Union“ bei der Vorbereitung der Konferenz verwies allein die „Vossische Zeitung“. Dazu schrieb sie: „Sonst aber liegt dieser Konferenz ein ganz gewaltiges Arbeitspensum vor, für das, ..., die letzte interparlamentarische Konferenz in London sehr schätzenswerte Vorarbeiten geliefert hat. Dort wurden von der Beschränkung der Militärausgaben abgesehen, Beschlüsse gefaßt über die Unverletzbarkeit des Privateigentums zur See, über die Recht und Pflichten der Neutralen, über Gebrauch und Verbot mancher Waffen, über die Beschießung von Häfen und offenen Städten durch Kriegsschiffe, über die Definition des Begriffes Kontrebande, sowie über die zweckmäßigsten Mittel, dem Schiedsverfahren eine noch größere Rolle zuzuerkennen. Wenn die Konferenz nur einen Teil dieser Fragen im Sinne der interparlamentarischen Konferenz erledigen kann, wird sie sich ein sehr bedeutendes Verdienst um die Menschheit erwerben.“
Die katholische Tageszeitung „Germania“ hingegen bedauerte es, daß der Papst nicht zu der Konferenz eingeladen wurde, da man  in ihm dem Garanten für Frieden und Gerechtigkeit sah. Ansonsten hielten sich die grundsätzlichen Aussagen in dem bereits oben beschriebenen Tenor der anderen deutschen Tageszeitungen. Eher ein wenig pessimistischer als die anderen Aussagen, waren die Hoffnungen auf die Ergebnisse der zweiten Friedenskonferenz: „Was nun das wirkliche Ergebnis der Haager Konferenz sein wird, läßt sich nicht voraussehen und voraussagen. Der Pessimismus früherer Jahre ist allerdings nicht mehr vorhanden, aber zu optimistischen Hoffnungen liegt auch heute noch kein Anlaß vor. (...) Was aber immer auf der Konferenz im „Huis ten Bosch“ beschlossen werden möge: die Wünsche der ganzen Welt sind dahin gerichtet, daß die Arbeit der Friedenskonferenz dem wirklichen Frieden, der Humanität und dem Wohle der Völker dienen möge.“
Kritisch bis ablehnend sah dagegen der sozialdemokratische „Vorwärts“ den Verhandlungen in Den Haag entgegen. Man erhoffte von der Zusammenkunft nur die Erörterung „nebensächlicher Fragen“, obgleich man in der Einsetzung des Schiedsgerichtshofes 1899 einen, wenn auch geringen völkerrechtlichen Fortschritt erblickte. In den Seekriegsfragen, die 1907 zur Sprache gebracht werden sollten, erhoffte man sich jedoch keine Lösung, da England sich dagegen sperren würde. Besonders nachdrücklich wurde noch einmal auf die destruktive Haltung Deutschlands in der Abrüstungsfrage verwiesen. Durch diese Haltung hätte die deutsche Regierung die Hauptschuld an der „voraussichtlichen Ergebnislosigkeit“ der Konferenz übernommen.
Ebenfalls eine entschieden ablehnende Haltung zu den Verhandlungen in Den Haag nahm die streng konservative, dem „Bund der Landwirte“ nahestehende, „Deutsche Tageszeitung“ ein. Sie beschrieb ihre Sicht folgendermaßen: „Die Haltung Deutschlands auf der Konferenz ist klar gegeben: Wir dürfen uns in keiner Weise die Hände binden lassen bezüglich irgend eines kriegstechnischen Fortschritts oder sonstigen kriegerischen Mittels wodurch der einfache Kraftunterschied abgeschwächt wird. Ein Land von der maritimen Schwäche und den technischen Fortschritten Deutschlands muß sich die volle Freiheit wahren, namentlich im Seekriege von allen neuen Kriegsmitteln Gebrauch zu machen, auch unter Wasser und in der Luft. Und nur unser Interesse darf in solchen Fragen entscheiden, nie eine humane Phrase. (...) Wir können in voller Ruhe dem zweiten Akt der großen Komödie zuschauen: haben aber auch keinen Grund zu einer Haltung im Vordergrunde des Streites, die uns in Verstimmungen hineinziehen könnte. (...) Das Spiel kann beginnen.“
Kommen in den beiden letzten Zeitungsstimmen die negativen Vorbehalte gegen die zweite Haager Konferenz besonders deutlich zur Sprache, so überwogen in den anderen Tageszeitungen die positiven und hoffnungsvollen Stimmen doch deutlich. Der Grundtenor blieb, daß man von der zweiten Haager Konferenz nicht zuviel erwarten dürfe, jedoch eine Weiterentwicklung der Beschlüsse von 1899 sehr zu begrüßen wären. Als einziges Paradigma galt, daß Deutschland auf keine Schwächung seiner Verteidigungskraft eingehen könnte. Diese Frage stand auf der zweiten Konferenz nicht zur Diskussion, war jedoch im öffentlichen Bewußtsein, durch die starke Wirkung des englischen Abrüstungsvorschlages, ständig präsent. Die Beratungen konzentrierten sich, wie weiter oben bereits beschrieben wurde, auf die Punkte, die im russischen Einladungsschreiben vorgegeben waren. Im Gegensatz zu 1899 berichteten die Tageszeitungen 1907 fast täglich über die Anträge, Kommissionsitzungen, Reden und Beschlüsse die auf der Konferenz eingebracht bzw. gehalten wurden. Dabei fiel wiederum auf, daß es relativ wenig eigenständige Beiträge gab, die sich vertiefend mit einzelnen Sachfragen beschäftigten. Vielfach beschränkte man sich auf die Wiedergabe der Meldungen, die von Nachrichtenbureaus übermittelt wurden. Besonders deutlich wurde dies beim „Teltower Kreisblatt“, das im gesamten Verlauf der Konferenz nur zwei selbständige Sachartikel veröffentlichte. Die deutschen Tageszeitungen, so sie keine eigenen Vertreter in der niederländischen Hauptstadt hatten, bezogen ihre Informationen hauptsächlich vom „Wolffschen Telegraphenbureau“. Dieses dagegen hatte jedoch schon Ende Juli 1907 keinen eigenen Vertreter mehr in Den Haag, wie Freiherr Marschall von Bieberstein in einem Bericht an den Reichskanzler erwähnte, und erhielt seine Nachrichten von einer kleinen holländischen Nachrichtenagentur. Dagegen hatten die „Frankfurter“ und die „Kölnische Zeitung“ über den gesamten Verlauf der Konferenz eigene Vertreter in Den Haag und gehörten somit zu den, in der Berichterstattung, am besten informierten Zeitungen Deutschlands. Der Nachweis, daß die deutsche Regierung direkten Einfluß auf die Berichterstattung in der Presse genommen hat, gelang nicht, da der Ordner für das Jahr 1907 aus den Nachlaß Hammann verschollen ist. Anzunehmen ist dieser Einfluß jedoch, da das Auswärtige Amt sehr gute Beziehungen zur Tagespresse unterhielt. Besonders deutlich wurde diese Einflußnahme auf die Berichterstattung der Tageszeitungen in der Algeciras Krise 1906. Im Nachlaß Hammann finden sich hierzu eine Vielzahl von Briefen und Karten des Reichskanzlers an den Leiter des Presseamtes Otto Hammann, worin Bülow Vorschläge unterbreitete, wie der Regierung von Seiten der Presse Unterstützung zukommen könnte. Auch ließ sich ein streng geheimer Brief an Bülow finden, in dem er die Mitteilung erhielt, daß der Verleger Mosse „strikte Anweisung“ gegeben habe, „der Regierung und speziell dem Herrn Reichskanzler ... in der auswärtigen Politik keine Schwierigkeiten zu bereiten“. Zumindestens die Mitarbeiter des Verlegers Mosse erhielten danach regelmäßig Informationen über die regierungsamtliche Politik in der Marokkoangelegenheit. Da die Pressepolitik von Seiten der Regierung weitergeführt wurde, wie Hammann schreibt, ist davon auszugehen, daß in der Zeit der Haager Konferenz auch Einfluß auf die Berichterstattung der Presse zur zweiten Haager Konferenz genommen wurde.
Der erste deutsche Delegierte Marschall stellte nach Ende der Verhandlungen in einem Bericht an Bülow die These auf, daß „der ungeheure Arbeitsstoff ... für die Allgemeinheit kaum ein Interesse“ bot und die „große Mehrheit der Zeitungsleser sehr bald alles, was aus dem Haage kam, sorgfältig übergangen“ haben, da die „Journalisten außerstande waren den Verhandlungen, die sich in Kommissionen, Subkommissionen und Redaktions­kommsissionen vollzogen, zu folgen“ Selbst wenn diese Aussage, cum grano salis, wahr wäre, steht sie jedoch im Widerspruch zu der Vielzahl von Artikeln und Berichten, die in den deutschen Tageszeitungen zu finden waren.
Eine Erklärung dafür lieferte die „Vossische Zeitung“. In einem Beitrag nach Abschluß der Konferenz dankte man ausdrücklich dem „norddeutschen Lloyd“, der sich „während der Konferenz nicht nur um die Delegierten, sondern in ganz hervorragender Weise auch um die Berichterstatter verdient gemacht hatte“ . Durch die Einrichtung eines „besonders geräumigen Saales“ und durch „Belehrung und gesellschaftlichen Unterhaltung“ wurde er zum „diplomatischen und schriftstellerischen Heim der Konferenz.“ Weiter führte die „Vossische Zeitung“ aus: „Keiner der Delegierten aus allen Herren Länder wird hier vergebens nach einer heimatlichen Zeitung gesucht haben. Die Depeschen der deutschen, englischen und französischen Telegraphenbureaus konnte man dort bereits lesen, ehe die Abendblätter sie bringen konnten. Die Berichterstatter fanden alles, was für ihren Beruf hauptsächlich Not tat, Ruhe, bequeme Gelegenheit zu rascher Arbeit und jedwede Erleichterung ihrer Berufstätigkeit. Zwei Maschineschreiberinnen hatten den ganzen Tag vollauf zu tun Zeitungsberichte zu vervielfältigen; ein Post- und Telegraphenbote stellte sich alle zehn Minuten ein, um seine Dienste anzubieten. Die Delegierten fanden hier ein Auskunftsbureau, wie man es sich reichhaltiger gar nicht denken kann. (...) Der Verein der Konferenzberichterstatter hat auch in einer Adresse an den Norddeutschen Lloyd seinen Gefühlen innigster Dankbarkeit beredten Ausdruck gegeben. (...) Wir Deutschen können aber stolz darauf sein, daß es die große deutsche Gesellschaft gewesen ist, die, wie sonst auf dem Meere, diesmal auch auf dem Lande ein Band um die Völker des Erdballs geschlungen hat.“
Die Schwierigkeiten der Darstellung der Konferenzverhandlungen wurde von der Presse sehr wohl registriert, jedoch zog man daraus nicht die Schlußfolgerung, daß die Materie zu undurchsichtig und deshalb nicht darstellbar wäre. Die Zeitungen konzentrierten sich vielmehr auf die Schilderung der Haltung der einzelnen Mächte, ganz speziell der Großmächte, und die Wirkung der Vertreter auf die Konferenz. Mitte August machte sich in der deutschen Presse dann eine Art Müdigkeit in der Berichterstattung deutlich, und man erwartete das nahe Ende der Konferenz. Bald stellte sich jedoch heraus, daß diese Möglichkeit nur eine theoretische war und von der russischen Delegation als Gerücht ausgestreut wurde, um die Verhandlungen zu beschleunigen. Bis zum Ende der Konferenz Mitte Oktober 1907 war eine kontinuierliche und sachbezogene Darstellung der Verhandlungen, in der deutschen Tagespresse zu verzeichnen.
Die Gegenstände der Berichterstattung in den deutschen Tageszeitungen über die Verhandlungen in Den Haag ließen sich grob in drei Kategorien einteilen: Das erste große Thema war die Darstellung der Verhandlungen über die Errichtung eines Weltschiedsgerichtes und die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit in einzelnen Fällen, das zweite Thema waren Fragen des Seekriegsrechts und der Errichtung eines Oberprisengerichtes und als drittes Feld betrachteten die Tageszeitungen die Abrüstungsfrage auf der Konferenz.
In den nun folgenden Abschnitten soll die Berichterstattung der Zeitungen zu den beschriebenen drei Grundthemen näher beschrieben werden. Ein gesonderter Unterpunkt (5.2.4.) wurde dabei den Betrachtungen der deutschen Zeitschriften gewidmet, da sich die dort geäußerten Überlegungen doch deutlich von den Berichterstattungen in den Tageszeitungen unterschieden. Ein zweiter Unterpunkt (5.2.5.) enthält die Vorstellungen der Sozialdemokratie, die auf dem 1907 in Stuttgart durchgeführten Sozialistenkongreß die Frage von Militarismus und Krieg breit diskutierte, wobei auch die zweite Haager Konferenz Beachtung erfuhr.


5.2.1. Die Schiedsgerichtsfrage in der öffentlichen Auseinandersetzung

 

Die Probleme der Errichtung eines permanent tagenden Schiedsgerichtes und die obligatorische Anrufung eines solchen muß man scharf voneinander trennen. Die im Abschnitt 5.1. dargestellte Rede Marschalls machte hier auch deutliche Unterschiede. Deutschland würde sich mit der Errichtung eines permanent tagenden Schiedsgerichtes einverstanden erklären, jedoch einer obligatorische Anrufung in bestimmten Fällen, die in einem Weltschiedsvertrag festgelegt werden sollten, keine Zustimmung erteilen können; jedoch akzeptiere man in bilateralen Abkommen obligatorische Schiedsklauseln. Diese Rede Marschalls wurde in der deutschen Presselandschaft besonders beachtet und vielfach im Wortlaut abgedruckt. Die darin dargelegte Position Deutschlands wurde gewürdigt und auch der Eindruck, den diese Rede bei den Delegierten gemacht hatte, wohlwollend registriert. So schrieb das „Berliner Tageblatt“ am 25.7.1907: „Seine ... Rede in der Schiedsgerichtskommission der Haager Konferenz, die ... das ganze Schiedsgerichtsproblem aufrollte, dürfte die ausgezeichnete Stellung des Freiherrn von Marschall noch befestigen. Und man muß dem Vertreter der Deutschen Reiches zugestehen, daß er hier genau den Punkt getroffen hat, wo das eigentliche Ergebnis der zweiten Konferenz liegen dürfte. Die Abrüstung ist für absehbare Zeit ein Phantom; die Beseitigung des Seebeuterechts scheitert an der Seeherrschaft Englands; aber das internationale Schieds­gerichts­verfahren ist entwicklungsfähig. Gelingt es dieses Verfahren durchzuführen und wenigstens bis zu einem gewissen Grade obligatorisch zu machen, dann wird auch die zweite Haager Konferenz eine Etappe auf dem Wege der Weiterbildung des internationalen Rechts bedeuten.“ Weiterführend betonte das „Berliner Tageblatt“, daß „Machtfragen“ derzeit noch nicht vor ein Schiedsgericht gehören könnten, dies jedoch nicht für alle Zeit so bleiben müsse. „Vorläufig kommen wir nicht weiter, wenn wir die Befugnisse des Schiedsgerichtshofes nicht auf das heute Mögliche bemessen. (...) Man darf hoffen, daß einst der Tag kommt, wo Macht und Recht nicht mehr als unvereinbare Gegensätze erscheinen, sondern zusammen zu einer höheren Entfaltung der Menschheit wirken.“ Ähnlich kommentierten auch die „Kölnische Zeitung“ und die „Frankfurter Zeitung“ , wobei jedoch die Einwände Marschalls gegen ein obligatorisches Schiedsgericht deutlicher herausstellt wurden. Die „Deutsche Tageszeitung“ hob demgegenüber die „Zurückhaltung in der deutschen Politik“ auf der Konferenz hervor und hoffte darauf, daß diese erhalten bleibe, da man so einer erneute möglichen Isolierung entgehen könnte. Besonders betont wurde das Geschick Marschalls, seine Rede so positiv gehalten zu haben, „obgleich er eigentlich „Nein“ gesagt“ habe .
Mit besonderer Aufmerksamkeit registrierten die deutschen Tageszeitungen die Reaktionen auf das gewonnene Prestige des deutschen Vertreters in der englischen Presse. Die „Kölnische Zeitung“ verzeichnete mit großer Befriedigung das bereits erwähnte Interview in der „Daily News“ mit dem bekannten Pazifisten Stead und betonte seinerseits, daß England sich zwar im Vorfeld der Konferenz durch seinen Abrüstungsvorschlag exponiert, diese damalige „Führung“ nun jedoch an Deutschland abgegeben hätte. Das „Berliner Tageblatt“ registrierte dies als  Erfolg der „liberalen Politik Deutschlands“ im Gegensatz zur „reaktionären Haltung Großbritanniens“ ebenso, wie alle anderen großen Tageszeitungen Deutschlands auch.
Eine der wenigen kritischen Stimmen zum deutschen Auftreten in Den Haag äußerte erneut das „Berliner Tageblatt“, das Ende September einen Meinungsumschwung unter den Konferenzteilnehmer auszumachen glaubte. Es schrieb: „Während der ersten Wochen nach Beginn der Haager Konferenzarbeiten hat man auch in der auswärtigen Presse über die Haltung Deutschlands ... nur sehr Günstiges lesen können. Der deutsche Delegierte Freiherr von Marschall hat mit sehr viel Geschick und mit klugen und liebenswürdigen Reden den üblen Eindruck einigermaßen zu verwischen gewußt, den die Ablehnung der deutschen Regierung, an einer Debatte über die Abrüstungsfrage teilzunehmen ganz naturgemäß hervorgerufen hat. Wer nun die Berichte las, die das offiziöse deutsche Telegraphenbureau über die Konferenzverhandlungen verbreitete, konnte auch der Meinung sein, daß die günstige Stimmung nicht nachgelassen, und daß Deutschland auf der Konferenz durch sein Eintreten für jeden Fortschritt die Sympathien aller anderen Staaten gewönne. Leider trifft diese Auffassung nicht völlig das Richtige, und beinahe hat es den Anschein, als ob Deutschlands Haltung in des Schiedsgerichtsfrage die Wirkung all der geschickten  Marschallschen Reden einigermaßen zerstören sollte.“ Um diese Aussage zu bekräftigen wurde ein Artikel des „Courier de la Conférence de la Paix“ herangezogen, worin die strikt ablehnende Haltung Krieges gegen das obligatorische Schiedsgericht, als Grund für die nun mehr und mehr kritischere Betrachtungsweise der deutschen Delegation gegenüber gewertet wurde. Diese eher bedenkliche Stimme in der deutschen Presselandschaft blieb indes eine Einzelaussage, und kehrte selbst in der Berichterstattung des „Berliner Tageblattes“ nicht wieder.
Die weiteren Verhandlungen der Kommission, die sich mit der Schiedsgerichtsfrage auseinandersetzte, wurden weiter mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Vorschläge, die z.B. vom belgischen Vertreter Bernaert eingebracht wurden, und eine Beibehaltung der 1899 geschaffenen Einrichtung der Schiedsrichterliste forderten, wurden ebenso registriert, wie auch die dann doch deutlichere Zurückweisung des zweiten deutschen Vertreters Kriege und die endgültig negative Beantwortung durch Marschall im Oktober 1907 in der Frage der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit. Dieser hatte in einer wiederum sehr geschickt formulierten Rede juristische Vorbehalte geltend gemacht, die ein Weltschiedsgericht der nationalen Gesetzgebung bereiten würde. Ein Kommentar der „Germania“ lautete dazu völlig zustimmend: „Freiherr von Marschall dürfte die Unausführbarkeit des gefaßten Beschlusses, d.h. die Entscheidungen eines obligatorischen Schiedsgerichtes, wie der Entwurf der Kommission es schaffen will, überzeugend dargelegt haben, denn man kann hundert gegen eins wetten, daß große mächtige Staaten, die Differenzen mit anderen bekommen, den Spruch eines ihnen aufgezwungenen Schiedsgerichts, das sie nicht für vorurteilslos halten, nicht anerkennen würden. Ein solches Schiedsgericht würde also eine reine Farce sein, die man mit einer so ernsten Sache nicht machen soll, und deshalb wäre es besser, von der Schaffung eines Schiedsgericht überhaupt abzusehen, als eine Einrichtung ins Leben zu rufen, von der man von vornherein weiß, daß sie sich nicht bewähren wird.“ Der „Berliner Lokal-Anzeiger“ sah dies entsprechend: „Deutschland zieht es vor, in den Grenzen des Erreichbaren ernste und ehrliche Sicherungen des Friedens anzubahnen, statt Formen ohne Inhalt schaffen zu wollen“ . Neben der Zurückweisung eines Weltschiedsvertrages durch das Deutsche Reich registrierten die regierungsnahen Zeitungen aber auch die deutliche Ablehnung anderer Staaten. So beschrieb z.B. die „Frankfurter Zeitung“ die Vorbehalte der USA und „fast aller südamerikanischen Staaten“. Die USA forderten, daß jeder Schiedsspruch dem amerikanischen Senat zur Ratifizierung vorgelegt werden müsse, was in der Praxis bedeutet hätte, daß bei einer Nichtannahme durch den Senat, sich die Vereinigten Staaten einem Schiedsspruch nicht zu beugen beabsichtigten. Die südamerikanischen Staaten machten ihrerseits Ansprüche auf die Vergabe der Schiedsrichterstellen in dem zu errichtenden ständigen Schiedsgerichtshof geltend, was aber von den Großmächten abgelehnt wurde. Die fordernde Haltung der südamerikanischen Staaten ließ letztendlich das Projekt eines permanent tagenden Schiedgerichtshofes neben der bereits bestehenden Schiedsrichterliste in Den Haag scheitern. Das Fehlschlagen dieses Projektes und die von den USA unabhängige Position der südamerikanischen Staaten kommentierte die „Kölnische Zeitung“ auf folgende Weise: „Südamerika ist durch diese Haager Konferenz in das Weltkonzert eingetreten. Es hat sich gezeigt, daß Amerika nicht nur aus den Vereinigten Staaten im Norden besteht, sondern daß Brasilien und Argentinien und Chile und Columbien, so gut, wie Mexiko ihren Platz an der Sonne fordern. Hier im Haag ist es ihnen gelungen sich durchzusetzen.“
Betrachtet man nun die Aussagen der deutschen Tagespresse zur Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer Gesamtheit, fällt dabei auf, daß man sich in allen Zeitungen völlig, der von den deutschen Delegierten in Den Haag eingenommenen Haltung anschloß. Die einzig kritische Stimme des „Berliner Tageblatts“ verstummte sofort wieder, so daß man hier von einer völligen Übereinstimmung zwischen regierungsamtlicher Politik und veröffentlichter Meinung, in Deutschland zu dieser Frage sprechen kann. Insgesamt waren also die Hoffnungen auf eine positive Wirkung der Schiedsgerichte 1907 deutlich größer als noch acht Jahre zuvor.


5.2.2. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über die Fragen des Seerechts

 

Die Darstellung der Verhandlungen der zweiten Haager Konferenz zu maritimen Fragen bildeten in der deutschen Öffentlichkeit einen weiteren Schwerpunkt. Hier wurden nämlich Gegenstände berührt, die für die Entwicklung der deutschen Stellung zur See und den Ausbau der Flotte von großer Wichtigkeit waren. Bei der Auswertung von den zu dieser Problematik veröffentlichten Artikel fiel auf, daß sich Polemiken bezüglich des deutsch - englischen Flottengegensatzes nur in sehr geringem Umfang finden ließen. Die Tageszeitungen beschränkten sich fast ausschließlich auf die Darstellung der Verhandlungsmaterie und machten in teilweise längeren Ausführungen die technischen Fragen der Verhandlungen deutlicher. Die Veröffentlichung des deutschen Vorschlages zur Einsetzung eines obligatorischen internationalen Prisengerichtes zu Beginn der Konferenz wurde als ein deutscher Erfolg gewertet, der „alle beschämen (müßte), die Deutschland, weil es sich gegen akademische Erörterungen utopischer Abrüstungs­gedanken ablehnend (verhielt), lauwarmer Friedensfreundlichkeit bezichtigt (hatten)“ . Ebenso sah die „Kölnische Volkszeitung“ in dem deutschen Vorschlag eine „ganz hervorragende Förderung des Völkerrechts und des Schiedsgerichtsgedankens“, und wertete die Tatsache, daß der Vorschlag von Deutschland kam, als Beweis dafür, „daß es mit der von seinen Vertretern im Jahre 1899 bekundeten Abneigung gegen die Schiedsgerichtsbarkeit gebrochen habe!“ Auch in anderen deutschen Tageszeitungen wurde bereits die Einbringung des deutschen Vorschlages als Erfolg gewertet . Einzig die „Deutsche Tageszeitung“ fragte in einem Artikel nach, ob „nicht in einem Seekriege (ein internationales Oberprisengericht) recht lästig werden könnte“, verneinte dies jedoch, da die englische maritime Überlegenheit derzeit unbestreitbar wäre und Deutschland kein Nachteil aus einer solchen Vereinbarung erwachsen dürfte.
Die „Vossische Zeitung“ nutzte die Diskussion über die Einsetzung eines Oberprisengerichts zu einem historischen Rückblick über dieses Problem. Dabei stellte das liberale Blatt fest, daß „das Verfahren in Prisensachen völkerrechtlich bisher als Ausfluß der souveränen Kriegsgewalt galt“, obgleich sich „Rechtslehrer und Staatsmänner“ seit Jahrzehnten „um eine zeitgemäße Fortbildung des Völkerrechts“ bemühten. Die immer wieder auftauchenden Fragen und Probleme bei Prisenfragen und die dabei erzielten Kompromisse ließen den Schluß zu, „daß es sich nicht um einen unabänderlichen, durch die Natur der Sache gebotenen Grundsatz handeln kann“. Denn bereits 1794 hätten England und die Vereinigten Staaten von Amerika „eine gemischte Kommission zur Beurteilung der von England im Krieg gegen Frankreich aufgebrachten nordamerikanischen Schiffe eingesetzt“ und damit den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit des „Nehmerstaates“ verlassen. Aber auch von deutscher Seite wären in dieser Sache bereits vor mehr als 200 Jahren Anregungen erfolgt. Friedrich der Große hatte, als in den Jahren 1744 bis 1748 „britische Kriegsschiffe eine Anzahl preußischer Handelsschiffe aufbrachten“, eine Denkschrift an England überreichen lassen, in der es hieß: „Wenn zwei Mächte unter sich mit einander streitig sind, können von beiden Seiten keine Landesgesetze angeführt werden, weil der eine Teil denselben nicht unterworfen ist, sondern beide Höfe tractieren untereinander de cour à cour (d.h. preußische und britische Gerichte - M.B.), und muß die Sache mit gemeinschaftlicher Harmonie und allein nach dem Völker-Recht oder durch Mittel, welche in dem Völker-Rechte gegründet sind, ausgemacht werden.“ Aus diesem Grunde habe er als preußischer König eine eigenen „Commission“ eingesetzt, die sich mit den von England gemachten Prisen beschäftigte. England lehnte damals dieses preußische Ansinnen mit dem Verweis darauf ab, daß „über die Rechtmäßigkeit von Prisen nur derjenige Staat zu befinden habe, unter welchem der Captor stehe. Alle seefahrenden Nationen Europas, die Krieg geführt haben, hätte seit den urältesten Zeiten dieses Verfahren zur Richtschnur gewählt. (...) Die vom König von Preußen eingesetzt Commission sei etwas ganz unerhörtes; keine Krone habe das Recht, Prisen untersuchen zu lassen, die von den Organen eines anderen gemacht sind, oder das Urteil umzustoßen, welches das Tribunal der Krone gefällt hat; die einzige rechtmäßige Art, vorgegebene Irrtümer ins Licht zu setzen oder zu beseitigen, sei die Berufung an die höhere Instanz“. Dieser hier beschriebene Weg sei jedoch, so der Verfasser des Artikels weiter, immer mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen, da sich die Geschädigten vor einem Gericht des Schädigerlandes verantworten mußten und diese meist die Interessen der eigenen Untertanen verfolgten. „Die stärksten Ausschreitungen des Prisenrechts haben in der Zeit des ersten Napoleons und der Kontinentalsperre stattgefunden. Aber auch später hat es an Unbilligkeiten nicht gefehlt. Deshalb ist das bisherige Verfahren vielfach angegriffen und ... verurteilt worden.“ Aus diesen hier angeführten Gründen sei es als sehr positiv zu bewerten, daß sich Deutschland zum Protagonisten des internationalen Prisengerichtshofes erhoben habe. Die bereits ergangenen Urteile in einzelnen Streitfällen und deren Umsetzung hätten gezeigt, daß eine Durchführbarkeit der Schiedssprüche möglich wären und somit ein internationales Oberprisengericht genügend Autorität besitzen würde.   
Das „Berliner Tageblatt“ wies in einem von dem Göttinger Juristen Ludwig von Bar verfaßten Artikel auf den derzeitigen Zustand des Völkerrechts in Prisenfragen und die Schwierigkeiten der Installierung eines internationalen Prisengerichtshofes hin. Das damalige völkerrechtliche Prinzip in Beutefragen zur See formulierte er folgendermaßen: „Seit langer Zeit gilt der Grundsatz, daß jede zur See gemachte Beute (Prise), Staatseigentum des feindlichen Staates selbst ausgenommen, vor einer besonderen Behörde des kriegsführenden Staates, einem sogenannten Prisengerichte, als zu Recht erfolgt deklariert werden muß.“ Da sich nun aber dieses vor ein nationales Prisengericht gebrachte Verfahren nicht selten durch alle Instanzen zöge und immer mindestens zwei Staaten bzw. dessen Bürger beteiligt wären, wäre es zu empfehlen diese Rechtsprechung einer „höheren Instanz d.h. einem internationalen Gerichtshofe zu übertragen“. Dabei täten sich aber noch eine Vielzahl ungeklärter juristischer Streitfragen auf, die noch gelöst werden müßten. Zu den wichtigsten Punkten gehörten dabei die Probleme des Blockadebruchs und der Klarstellung des Begriffes Kriegskonterbande, zu dessen Beschlagnahme jeder kriegführende Staat berechtigt sei. Derzeit läge die Festlegung dieser beiden Punkte völlig im Ermessen der kriegführenden Parteien. Wolle man also eine internationale Institution mit der Rechtssprechung in diesen Fragen beauftragen, müßten diese erst allgemein geklärt und international anerkannt sein. Bar selbst plädierte für eine „radicale Beseitigung des Rechtes der Wegnahme von Konterbande auf neutralen Schiffen in offener See“, da dieses ein rein „auf geschichtlichen Vorgängen beruhende Recht“ sei. An eine Lösung schon auf dieser Haager Konferenz glaubte er jedoch nicht, begrüßte es aber, daß diese Frage zur Diskussion gebracht wurde.
Über die hier klar benannten Problempunkte kam es zu einer längeren Diskussion auf der Haager Konferenz, ohne daß sich jedoch die Staaten auf eine gemeinsame Resolution einigen konnten. Die deutschen Tageszeitungen bedauerten dies übereinstimmend und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, daß auf einer Folgekonferenz, die Fry im September 1907 für das kommende Jahr ankündigte, die angesprochenen Fragen gelöst werden können. Dabei wurde hervorgehoben, daß die Einigung der Großmächte, einen internationalen Prisengerichtshof zu schaffen, als bedeutendes Ergebnis der Konferenz zu werten sei.
Die deutsche Öffentlichkeit sah demnach im weiteren Ausbau des Seerechts eine Möglichkeit der Verständigung zwischen den Staaten. Dabei wurde die Rivalität zwischen Deutschland und England auf handels- und rüstungspolitischem Gebiet fast völlig ausgeblendet, jedoch die Überlegenheit der englischen Flotte anerkannt und auch in ferner Zukunft als unüberwindlich angesehen. Handels- und Seerechtsfragen bildeten demzufolge keinen Gegensatz, zur Flottenrüstung bzw. wurden in der deutschen Öffentlichkeit nicht als gegensätzlich verstanden. Und obwohl sich die Beratungen auf der zweiten Haager Konferenz fast ausschließlich mit Gegenständen des Seerechts beschäftigten, die erst in einem Krieg zur Disposition standen, bewertete man z.B. in der Konterbandefrage die Abkopplung vom nationalen Recht als einen bedeutenden Fortschritt. Dabei mag die Sorge vor der englischen Seemacht in einem künftigen Krieg eine Rolle gespielt haben, jedoch wurde darauf weder in den Tageszeitungen noch in der Zeitschriften explizit verwiesen. Flottenrüstung und Welthandel standen auf der einen - völkerrechtliche Weiterentwicklung des Seerechts auf der anderen Seite. Daß durch einen deutschen Verzicht oder durch eine Verminderung des Tempos beim weiteren Ausbau der Flotte eine Verbesserung des Klimas zwischen Deutschland und England möglich gewesen wäre, war für die Zeitgenossen dagegen nicht im Bereich des Vorstellbaren.


5.2.3. Die Reflexionen der deutschen Öffentlichkeit über die Abrüstungsfrage auf der zweiten Haager Konferenz

Die im Vorfeld der zweiten Haager Konferenz soviel Aufregung erzeugende Ankündigung Englands, die Abrüstungsfrage behandeln zu lassen, und die darauf erfolgte Ablehnung des Reichskanzlers von Bülow, sich an der Diskussion zu beteiligen, war in der deutschen Öffentlichkeit Ende April 1907 einmütig begrüßt worden.
Als Ende Juli der englische Vorschlag hinter den Kulissen der Konferenz behandelt und klar wurde, daß nur der unverbindliche Wunsch, nach einem „ernsthaften Studium dieser Frage“ zu erwarten war, behandelten die deutschen Tageszeitungen die Abrüstungsfrage erneut.
Die „Kölnische Volkszeitung“ beschrieb den eingetretenen Zustand folgendermaßen: „So ist denn aus den tausend Masten, mit denen gegen die „friedensfeindliche, militaristische“ Opposition in See gestochen wurde, ein bescheidener geretteter Kahn geworden.“ Und der „Hamburgische Korrespondent“ sah bereits in der „Bescheidenheit des englischen Vorschlags ... einen bedeutenden Erfolg der deutschen Diplomatie“, da „die Offenheit und Ehrlichkeit des deutschen Auftretens zu auffällig war, als daß Intrigen dagegen hätten aufkommen können.“
Noch bevor die endgültige Formulierung in die Öffentlichkeit gelangte, schien die „Kölnische Volkszeitung“ gut informiert zu sein, denn sie beschrieb „den Kampf hinter den Kulissen“ als einen „Kampf um einzelne Wörter“. Weiter hieß es: „Nun scheint die Erledigung des Rüstungsantrages festgestellt zu sein. Eine Resolution soll es sein, ... worin die Mächte ihr Verlangen ausdrücken, daß die Frage studiert werde. (...) Man wird das Ergebnis jedenfalls harmlos nennen. Man wird es als Papier bezeichnen. (...) Eine solche Auffassung sollte gerade in Deutschland nicht aufkommen“, denn „man könnte den deutschen Zeitungen, die über das „Mäuslein“ sich ergötzen werden, das der „kreißende Berg“ geboren, im Ausland leicht vorhalten, daß es Deutschlands Schuld war, wenn der kreißende Berg nichts anderes geboren hat. Auf diesen Vorwurf, der gefährlich werden könnte, wenn es in das Inventar der deutschfeindlichen Presse aufgenommen wird, ist zu entgegnen, daß die deutsche Regierung sich nicht dazu hergegeben hat, eine Farce zu unterzeichnen, daß sie gerade in voller Erkenntnis der ganzen Tragweite dieser Resolution um ihren Wortlaut so energisch gekämpft hat, und daß sie gerade deshalb durch ihn engagiert ist.“ Deutlich wurde in diesem Artikel die bekannte negative Einstellung Deutschlands zu Abrüstungsfragen stark relativiert, denn es wurde der Kampf um Formulierungen als Kampf um Prinzipien beschrieben. Deutschland sei, so erklärte der Verfasser des Artikels weiter, nicht prinzipiell gegen Abrüstung eingestellt und „man werde diese Frage auch weiter studieren“, jedoch sei eine Umsetzung derzeit praktisch nicht möglich.
Das „Berliner Tageblatt“ dagegen kritisierte in einem Artikel die ablehnende deutsche Haltung im Vorfeld der Konferenz vorsichtig aber deutlich. Da man in dem englischen Vorstoß nur die Einlösung eines liberalen Wahlversprechens sah und die Opposition dagegen selbst in England und Frankreich sehr groß war, hätte sich das Deutsche Reich nicht so zu exponieren brauchen. „Es erschien manchem sehr überflüssig, daß gerade Deutschland sich herausstellen und eine Debatte verhindern wollte. Wir hätten die Konferenz ruhig wie andere Leute herankommen lassen sollen, hätten gemächlich und ohne Erregung die Dinge erwarten sollen. Wir hätten dies um so leichter um so gefahrloser tun können, da die deutschen Interessen auf dieser zweiten Haager Konferenz ganz vortrefflich vertreten werden.“ Marschall von Bieberstein hätte es nämlich glänzend verstanden in „stiller Diplomatenarbeit“, alle Schwierigkeiten zu beseitigen, die eine solche Diskussion hätte bereiten können. „Aus dem englischen Abrüstungsvorschlage“ wäre nun „ein einfacher „Wunsch“, eine platonische Resolution geworden. (...) Das ist harmlos, besagt wenig oder nichts, läßt jedem freie Hand und tut niemandem wehe. Ein solcher Vorschlag konnte naturgemäß einstimmig angenommen werden, und es gab denn auch keinen Delegierten, der dagegen gestimmt hätte. Ob sehr zahlreiche Regierungen „das ernste Studium dieser Frage“ nun in Angriff nehmen, kann etwas zweifelhaft erscheinen.“ Fast mit demselben Wortlaut wertete die „Germania“ den „Wunsch“ als eine „platonische Resolution“ und vermerkte mit Befriedigung, daß „England seinen Antrag erheblich gemildert hatte und es dadurch den anderen Mächten, insbesondere Deutschland, Österreich-Ungarn, und Rußland, welche eine Debatte über den Antrag von vornherein ablehnten, möglich gemacht hat, ihrerseits einen Schritt entgegen zu kommen und England vor einer Niederlage zu bewahren.“  
Die konservative „Neue Preußische Zeitung“ wertete „die problemlose Erledigung“ des englischen Abrüstungsantrages als „einen unzweifelhaften Erfolg“ Deutschlands und unterstrich noch einmal die herausragende Stellung Marschalls auf der Konferenz. Somit hätten sich die „Befürchtungen, die anfangs an die offenbar gegen Deutschland gerichtete britische Aktion geknüpft worden waren ... als unbegründet erwiesen. Auch in diesem Punkte hat es sich gezeigt, daß ein Volk von über sechzig Millionen Einwohnern mit einer Armee wie die deutsche sich nicht so ohne weiteres isolieren läßt.“
Der Grundtenor fast aller Zeitungen war also durchgängig von der Meinung bestimmt, daß es der festen deutschen Haltung im Vorfeld der Konferenz und bei den Verhandlungen selbst zu verdanken sei, daß Deutschland vor einer Isolierung in der Abrüstungsfrage bewahrt blieb und, da der englische Resolutionsentwurf letztendlich als bedeutungslos angesehen wurde, das Reich in dieser Frage einen diplomatischen Erfolg errungen hätte. Diese Gedanken erschienen auch in anderen deutschen Tageszeitungen, wie z.B. in der „Kölnischen Zeitung“ und in der „Frankfurter Zeitung“ . Gelegentliche Gedanken, die besagten, daß man eventuell in ferner Zukunft zu einer Einigung in Abrüstungsfragen kommen könnte, blieben dagegen vereinzelt. Ob die „feste deutsche Haltung“ tatsächlich einen diplomatischen Erfolg bedeutete, ist zu bezweifeln. Zu viele Staaten hatten bereits vor der Konferenz deutlich gemacht, daß sie in der Abrüstung keinen Handlungsspielraum sahen und auch die deutsche Regierung lehnte sie ja rigoros ab. Die Haltung der deutschen Zeitungen erschien hier eher so, als wenn sie einen Erfolg der deutschen Außenpolitik herbeireden, bzw. einen solchen der Masse suggerieren wollte.
Abrüstung wurde demzufolge in der Zeit der zweiten Haager Konferenz von der deutschen Öffentlichkeit als eine Frage betrachtet, von der man sich kurzfristig keine Lösungen oder auch nur Teillösungen versprach. Die Schwierigkeiten auf  diesem Gebiet erschienen den Zeitgenossen als unüberwindbar und waren es wohl auch; anderen Verhandlungs­­­gegenständen der Konferenz gab man dagegen mehr Chancen auf Verwirk­lichung.


5.2.4. Die Behandlung der zweiten Haager Konferenz in den Zeitschriften des Deutschen Reiches

Bei der Darstellung der zweiten Haager Konferenz in den Zeitschriften des Deutschen Reiches fiel auf, daß die Beschäftigung - im Vergleich zu 1898/99 - deutlich abgenommen hatte. In den „Preußischen Jahrbücher“, in der Zeitschrift „Nord und Süd“, in der „Konservative Monatsschrift für Politik, Literatur und Kunst“ und in der „Christlichen Welt“ wurden keine Artikel, die sich direkt oder indirekt mit der Konferenz beschäftigten, veröffentlicht. In der „Zukunft“ erschien nur ein weiterer Artikel , die „Deutsche Rundschau“ veröffentlichte in ihrem monatlichen Rückblick im August 1907 eine kurze Betrachtung und auch „Die Hilfe“ beschäftigte sich in drei Beiträgen eher marginal mit diesem Thema . Einzig in der „Deutsche Revue“ erschienen in regelmäßigen Abständen Beiträge über die Verhandlungen in Den Haag. Gründe für die eher bescheidene Beschäftigung mit der zweiten Haager Konferenz lassen sich nur vermuten: einerseits wird es der eher unspektakuläre Verhandlungs­verlauf gewesen sein, der zu einer weiteren Beschäftigung keinen Anlaß gab, andererseits berichteten die Tageszeitungen so ausführlich über die Verhandlungs­gegenstände, daß eine detailliertere Inhaltsbeschreibung und tiefergehende Betrachtung möglicherweise als nicht notwendig erschien. Als einen weiteren Aspekt der eher mäßigen Auseinandersetzung mit den Verhandlungen, gilt es noch Folgendes zu beachten: Im Vorfeld der zweiten Haager Konferenz wurden die Positionen zu den Verhandlungen in allen Zeitschriften klar benannt, wodurch die weiterführende Diskussion möglicherweise als nicht notwendig erschien und erst nach Ende der Verhandlungen weitergeführt werden sollte.
Betrachtet man nun die Veröffentlichungen in den einzelnen Zeitschriften, so treten auch hier die Schiedsgerichtsfrage und Fragen des Seerechts hervor. Walter Schücking z.B. sah in der weiteren Entfaltung der „internationalen Staatenorganisation“, zu der er auch die Schiedsgerichtsbarkeit zählte, eine Möglichkeit der „Fortentwicklung des Völkerrechts“. Dazu könnte die zweite Haager Konferenz einen Beitrag leisten. Ähnlich sah dies auch „Die Hilfe“. Hier hieß es: „Zweifellos würde ..., nachdem im Laufe der Zeit das Schiedsgericht eine feste Spruchbasis ausgebildet hat, der internationale Rechtsschutz, namentlich für die Angehörigen der gebildeten Nationen gegenüber den halbzivilisierten, aber noch zum Haager Konzert gehörigen, ein besserer werden. Es bleibt nur zu hoffen, daß Venezuela oder ähnliche Größen, wenn sie verurteilt sind, sich auch fügen.“
Mit Fragen des Seerechts befaßten sich mehrere Artikel , wobei der Beitrag des Vizeadmirals z.D. Freiherrn von Schleinitz in der „Deutschen Revue“ sich am ausführlichsten mit diesem Problem auseinandersetzte. Schleinitz würdigte hierin den deutschen Antrag auf Schaffung eines internationalen Oberprisengerichtshofes und dem prinzipiellen Einverständnis Englands als einen „großen Fortschritt auf diesem Gebiet“, wodurch das Prisenverfahren von nationalem Recht abgekoppelt und somit einer neutralen Rechtssprechung unterliegen würde. Besonders hervorgehoben wurde in dem Artikel weiterhin der deutsche Vorschlag, die Grundsätze der Genfer Konvention auch auf den Seekrieg anzuwenden. Durch die Annahme desselben sei „die wohlbegründete Aussicht vorhanden, (daß) die Haager Konferenz einen Teil ihrer großen der Humanität gewidmeten Aufgaben lösen und einige der Milderung schwerer Kriegsgreuel dienende Vereinbarungen der beteiligten Staaten zur Geltung zu bringen“.
Einig waren sich alle Zeitschriften darin, daß man von der zweiten Haager Konferenz keine außergewöhnlichen Ergebnisse erwarten dürfte. Anerkannt wurde jedoch, daß der Zusammentritt der Konferenz allein schon ein Ergebnis sei, das nicht unterschätzt werden dürfte. „Die Hilfe“ war der Ansicht „sollten auch die praktischen Ergebnisse der Konferenz dürftiger Natur sein, ..., man doch keineswegs den ideellen Wert dieser Tagung als Manifestation für Frieden und Humanität unterschätzen (dürfe). Auch durch ... platonischen Manifestationen werden Ideen erzeugt oder gestärkt, welche zwar das Handeln der Menschen nicht primär bestimmen, wohl aber einschränken und begrenzen können. Je mächtiger und imposanter der allgemeine Wunsch nach Frieden zum Ausdruck gebracht wird, desto weniger leicht wird es die einzelne Persönlichkeit wagen, gegen diesen Strom des allgemeinen Willens zu schwimmen.“ Übereinstimmend sah dies auch die „Deutsche Rundschau“. Hier hieß es: „Der Idealismus, aus dem Gedanken eines „ewigen“ Friedens und der Versuch zur Einschränkung der Kriege entsprungen sind, gelangte in der Konferenz zu einem so lebendigen Ausdruck, daß die Wirkung auf weitere Kreise, das Echo in der Volksseele nicht ausbleiben kann.“ Diese Überlegungen tauchten erneut in der Bewertung der Ergebnisse der Konferenz auf.


 

5.2.5. Die Stellung der Sozialdemokratie zu Fragen des Militarismus auf dem Stuttgarter Kongreß der sozialistischen Internationale 1907

Eine grundlegend verschiedene Haltung, als die in den oben beschriebenen Meinungsäußerungen, nahm in Deutschland nur die Sozialdemokratie ein. Durch die bereits beschriebene dürftige Berichterstattung der sozialdemokratischen Presse, wurde klar gezeigt, welchen Wert man den Verhandlungen in Den Haag beimaß. Eine öffentliche Auseinandersetzung erfolgte erst im August 1907 auf dem internationalen sozialistischen Kongreß in Stuttgart. Der Haager Konferenz selbst maßen die Delegierten keinen eigenständigen Wert bei und bezeichneten den Stuttgarter Kongreß als eine „unabhängige Friedenskonferenz“. Besonders deutlich wurde dies Haltung in einer Ausführung des österreichischen Delegierten Viktor Adler. Dort hieß es: „Erlauben Sie mir, ..., hinzuzufügen, daß für die Regierungen im Haag von denen man ja hier nur mit Ehrfurcht sprechen darf (Große Heiterkeit) - ich bin an Ehrfurcht aber ja gewöhnt (Erneute Heiterkeit) - so schwach ihre Kräfte sind, um zu etwas Positiven zu gelangen, zweifellos als Triebfeder für diesen Versuch, den sie machen, nicht die Liebe zum Frieden haben, sondern die Furcht vor den Folgen des Krieges. Und zwar wissen die Leute im Haag, daß die eigentliche Friedenskonferenz, die den Frieden bereitet und auch die Macht darstellt, den Frieden auf Erden herzustellen, weil es das Lebensinteresse des Proletariats ist, daß diese eigentliche Friedenskonferenz nicht im Haag sondern hier in Stuttgart tagt. (Erneuter lebhafter Beifall.) Glauben Sie mir, daß die im Haag genauso viel durchsetzen werden, als wir ihnen die Impulse dazu geben: genau so viel Friedens­­bedürfnis, als wir den Herrschenden einzubleuen vermögen, werden sie bekunden. (Lebhaftes Sehr richtig!)“
In Stuttgart fand eine lange und ausgiebige Diskussion zum Oberthema „Der Militarismus und die internationalen Konflikte“ statt, wobei sich die Delegierten einig waren, daß der Konkurrenzkampf um Absatzmärkte, das „Wettrüsten des Militarismus“ und der Chauvinismus ursächlich für die Entstehung von Kriegen verantwortlich seien. In einer von allen Delegationen verabschiedeten Resolution hieß es: „Kriege liegen ... im Wesen des Kapitalismus; sie werden erst aufhören, wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung beseitigt ist oder wenn die Größe der durch die militärtechnischen Entwicklung erforderliche Opfer an Menschen und Geld und die durch die Rüstungen hervorgerufenen Empörung die Völker zur Beseitigung dieses Systems treibt.“ Dies war ein deutliches Zugeständnis an die nationalen Friedensbewegungen, die besonders in Frankreich und England eine nicht zu vernachlässigende Größe darstellten, jedoch blieb die Grundlage die Beseitigung des kapitalistischen Systems. Weiter führte die Resolution aus, daß der internationale Kongreß der Überzeugung sei: „Daß unter dem Druck des Proletariats durch eine ernsthafte Anwendung des Schiedsgerichte an Stelle des kläglichen Veranstaltungen der Regierungen die Wohltat der Abrüstung den Völkern gesichert werden kann, die es ermöglichen würde, die enormen Aufwendungen an Geld und  Kraft, die durch die militärischen Rüstungen und die Kriege verschlungen werden, für die Sache der Kultur zu verwenden.“ Hier erscheint die Logik der Aussage nicht überzeugend, denn nach dem allgemeinen Verständnis der Zeitgenossen, wie weiter oben schon ausführlich dargelegt wurde, hatten Schiedsgerichte nicht die Aufgabe die Rüstungen zu beschränken, sondern bei Streitfällen Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten.
Uneinigkeit herrschte bei den Konferenzteilnehmern in Stuttgart nur bei der Beantwortung der Frage, welche wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung und zur Beendigung eines Krieges angewandt werden könnten. Dabei nahm die deutsche Seite, vertreten von August Bebel, den Standpunkt ein, daß man „energisch alle Mittel anwenden müsse“, ohne diese jedoch zu nennen. Der französische Vertreter, Vaillant, dagegen zählte diese Maßnahmen auf: Intervention, öffentliche Aktion, Generalstreik und Insurrektion. Dagegen sprachen sich erneut die Vertreter Deutschlands aus, da, wie Vollmar meinte, ein Verteidigungskrieg ihn „in keinem Moment daran hindern könne, ein guter Deutscher zu sein“ . August Bebel betonte, daß die Propagierung von Massenstreik und Aufstand in Deutschland „unmöglich und undiskutabel“ sei, denn sechs Millionen Männer, darunter zwei Millionen Sozialdemokraten, würden sofort einberufen werden und „Wo bekämen wir da noch die Menschen für einen Massenstreik her? ... Vier Millionen Familien wären in höchster Not, das ist schlimmer als jeder Generalstreik.“ Die deutsche Sozialdemokratie bekämpfe mit allen Mitteln den Krieg, „aber darüber hinaus (könne sie sich) nicht zu Kampfmethoden drängen lassen, die dem Parteileben und unter Umständen auch der Existenz der Partei verhängnisvoll werden könnten.“ Diese Haltung, Ablehnung der Benennung der Mittel zur Vermeidung eines Krieges und das Eintreten für das Vaterland in einem Verteidigungskrieg, trug den deutschen Delegierten wiederum den Vorwurf ein, daß sie aus Angst vor Verfolgungen in Deutschland einer deutlicheren Aussage auswichen. Letztendlich einigte man sich in Stuttgart auf eine allgemein gehaltene und deshalb unkonkrete Resolution, die folgende Erklärung enthielt: „Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren parlamentarischen Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, ..., alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der Verschärfung der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“
Die nichtsozialdemokratische Presse verfolgte ihrerseits die Verhandlungen in Stuttgart mit großem Interesse. Dabei beschäftigte sie besonders das Verhältnis der deutschen Sozialdemokratie zum Militarismus und das Verhalten der Mitglieder der SPD bei Ausbruch eines Krieges. Das „Berliner Tageblatt“ bezeichnete die „Stuttgarter Kongressisten“ als „starre, unbeugsame Dogmatiker, die bei ihren Erörterungen von geschichtsphilosophischen Konstruktionen aus der Hegelschen Denkschule“ ausgingen und dadurch die „schwierigsten Probleme mit einer wahrhaften Sigfried-Naivetät ... durch Resolutionen, die durch Mehrheiten angenommen wurden“ , lösen könnten. Die „Germania“ sah dagegen in der zum Militarismus verabschiedeten Resolution nur „einen faulen Kompromiß“, da der „Feuerwehrmann Bebel“ nicht „genug Schläuche herbeischaffen konnte um den Brand zu löschen“, den der französische Vorschlag, Generalstreik bei Kriegsausbruch, ausgelöst hatte. Deutlich habe bei den deutschen Delegierten die Angst vorgeherrscht, daß bei Annahme der französischen Fassung der Resolution, „der gesamte sozialdemokratische Parteivorstand vor das Reichsgericht gestellt worden wäre und die Sache einen Umfang genommen hätte, die kein Mensch absehen“ könnte. Wenige Wochen später griff die „Vossische Zeitung“, anläßlich der Diskussion die auf dem „Essener Parteitag“ der SPD über die Resolution von Stuttgart entbrannt war, das Thema erneut auf. Sie wertete das Zustandekommen der Beschlüsse als „Wahnwitz, da es unmöglich einer Partei überlassen werden kann, zu entscheiden, ob es sich um einen Angriffs- oder einen Verteidigungskrieg handelt, und die Regierung  und die Militärverwaltung nicht erst die Einberufung und Abhaltung eines sozialdemokratischen Parteitages und eine Abstimmung, vielleicht mit 250 gegen 249 Stimmen, abwarten kann, ehe sie die Mobilmachung und den strategischen Aufmarsch vornimmt“ . Mit einer sehr realitätsnahen Feststellung, wie sich beim Kriegsausbruch 1914 zeigte, schloß die „Vossische Zeitung“ ihren Artikel: „Für die Praxis sind die Verhandlungen ohne Belang. Denn im Kriegsfall würde sich sofort zeigen, daß die „antimilitaristische“ Bewegung nicht den mindesten Boden im Volke hat. (...) Alle Verekelungen der Kasernen und Untergrabung der Disziplin würde sich als verlorene Liebesmüh erweisen. Wie ein Mann würde sich das deutsche Volk zur Verteidigung des Vaterlandes erheben und sich der Phrasenhelden entledigen, die ihm mit Redensarten von internationaler Solidarität kämen. Die Verhandlungen ... über den Militarismus sind nichts als törichte Rodomontaden.“
Der Wert der Stuttgarter Beschlüsse wurde von der bürgerlichen Presse demzufolge als nicht sehr hoch angesetzt, da man sah, daß es sich „nur“ um einen Kompromiß handelte, wenn er auch nur, als ein „fauler“ anzusehen sei. Die Sozialdemokratie - als gesellschaftliche Kraft - war jedoch zu bedeutend, als daß man in der deutschen Öffentlichkeit über eine so grundsätzliche Debatte hätte hinweggehen können.

6. DIE ERGEBNISSE DER ZWEITEN HAAGER KONFERENZ

 

Die zweite Haager Friedenskonferenz ging nach über viermonatiger Dauer im Oktober 1907 zu Ende. Die von ihr verabschiedeten Beschlüsse wurden in 14 Abkommen fixiert, die jedoch teilweise so sehr ins Detail gingen, daß hier nur die Hauptergebnisse dargestellt werden sollen.
In der Schiedsgerichtsfrage konnten sich die Delegierten, wie bereits beschrieben, nicht auf die Einrichtung des obligatorischen Schiedsgerichtsverfahrens für bestimmte Fälle einigen. Da selbst eine „quasi-unanimité“ nicht erreicht werden konnte, einigten sich die Delegierten auf eine „Erklärung“, die folgende Formulierungen enthielt: „Sie (die Konferenz - M.B.) ist einstimmig
1. in der grundsätzlichen Anerkennung der obligatorischen Schiedssprechung;
2. in der Erklärung, daß gewisse Streitigkeiten, insbesondere solche über die Auslegung und Anwendung internationaler Vertragsabreden, geeignet sind, der obligatorischen Schiedssprechung ohne jede Einschränkung unterworfen zu werden;
            Sie ist endlich einstimmig darin, anzusprechen, daß, wenn es ihr auch nicht gelungen ist schon jetzt ein Abkommen in diesem Sinne zustande zu bringen, doch die hervorgetretenen Meinungsverschiedenheiten die Grenzen einer juristischen Auseinandersetzung nicht überschritten haben und daß alle Mächte der Welt während ihres hiesigen viermonatigen Zusammenarbeitens nicht nur gelernt haben, einander besser zu verstehen, und einander näherzutreten, sondern auch verstanden haben, während dieses langen Zusammenwirkens ein sehr hohes Gefühl für das Gemeinwohl der Menschheit zur Entwicklung zu bringen.“
Diese Erklärung ließ zwar einen großen Spielraum für Auslegungen, jedoch muß betont werden, daß von allen Verhandlungsteilnehmern das Prinzip der obligatorischen Schieds­gerichts­barkeit offiziell anerkannt wurde. Wilhelm II. hat dies auch klar erkannt, als er die Ausführungen Marschalls „Es ist schwer, in mehr Worten weniger zu sagen“ folgendermaßen kommentierte: „Na? es kann aber viel hinein interpretiert werden“ .
Gegenüber 1899 wurde das „Abkommen zur friedliche Erledigung internationaler Streitigkeiten“ verbessert. In vier Punkten legte die Konferenz fest, auf welche Weise eine friedliche Schlichtung bei Streitfällen zu erfolgen habe. Die vier Titel des Abkommens lauteten: 1. Erhaltung des allgemeinen Friedens, 2. Gute Dienste und Vermittlung, 3. Internationale Untersuchungskommissionen und 4. Internationale Schiedssprechung. Der vierte Titel war der umfangreichste und regelte die praktische Durchführbarkeit von Schiedssprüchen. Dabei waren die ersten drei Artikel des vierten Titels von besonderem Interesse, da sie in grundlegender Form die Frage nach dem Eintreten eines solchen Falls beantworteten.
„Art. 1. Um in den Beziehungen zwischen den Staaten die Anrufung der Gewalt soweit wie möglich zu verhüten, erklären sich die Vertragsmächte einverstanden, alle ihre Bemühungen aufwenden zu wollen, um die friedliche Erledigung der internationalen Streitfragen zu sichern.
Art. 2. Die Vertragsmächte kommen überein, im Falle einer ernsten Meinungs­ver­schiede­nheit oder eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten Macht oder mehrerer befreundeter Mächte anzurufen, soweit dies die Umstände gestatten werden.
Art. 3. Unabhängig hiervon halten die Vertragsmächte es für nützlich und wünschenswert, daß eine Macht oder mehrere Mächte, die am Streite nicht beteiligt sind, aus eigenem Antriebe den im Streite befindlichen Staaten ihre guten Dienste oder ihre Vermittlung anbieten, soweit sich die Umstände dafür eignen.
Das Recht, gute Dienste oder Vermittlung anzubieten, steht den am Streite nicht beteiligten Staaten, auch während des Ganges der Feindseligkeiten zu.
Die Ausübung dieses Rechts kann niemals von einem der streitenden Teile als unfreundlicher Akt angesehen werden.“
Diese Bestimmungen waren im Völkerrecht neu, da bis dahin der Grundsatz galt, daß eine Vermittlung nur angestrebt werden könne, wenn beide Kontrahenten damit einverstanden waren.
Auf besonderes Streben Deutschlands hin wurde der Artikel 38 in den Vertrag aufgenommen. „In Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der Auslegung oder der Anwendung internationaler Vereinbarungen wird die Schiedssprechung von den Vertragsmächten als das wirksamste und zugleich der Billigkeit am meisten entsprechende Mittel anerkannt, um die Streitigkeiten zu erledigen, die nicht auf diplomatischem Wege haben beseitigt werden können.
Demzufolge wäre es wünschenswert, daß bei Streitigkeiten über die vorerwähnten Fragen die Vertragsmächte eintretendenfalls die Schiedssprechung anrufen, soweit es die Umstände gestatten.“
Eine weitere Neuerung im Vergleich zu 1899 war die Einführung abgekürzter Schiedsverfahren. Hierfür sollte von jeder Streitpartei ein Schiedsrichter benannt werden, die sich dann auf einen Obmann verständigten. Das anhängige Verfahren sollte dann auf ausschließlich schriftlichen Weg erledigt werden.
Das wichtigste Ergebnis der zweiten Haager Konferenz mit der größten Fernwirkung, da es zwei Weltkriege überdauerte, war das „Abkommen betreffs die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs“ und die „Haager Landkriegsordnung von 1907“.  Das Abkommen setzte sich zum Ziel: „So lange, bis ein vollständiges Kriegsgesetzbuch festgestellt werden  kann, halten es die Hohen vertragschließenden Teile für zweckmäßig festzusetzen, daß in den Fällen, die in den Bestimmungen der von ihnen angenommenen Ordnung nicht einbegriffen sind, die Bevölkerung und die Kriegsführenden unter dem Schutze und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts bleiben, wie sie sich ergeben aus den unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens.
Sie erklären, daß namentlich die Artikel 1 und 2 der angenommenen Bestimmungen in diesem Sinne zu verstehen sind.
Art. 1. Die Vertragsmächte werden ihren Landheeren Verhaltungsmaßregeln geben, welche der dem vorliegenden Abkommen beigefügten Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges entsprechen.
Art. 2. Die Bestimmungen der in Artikel 1 angeführten Ordnung sowie des vorliegenden Abkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegsführenden sämtlich Vertragspartner sind.
Art. 3. Die Kriegspartei, welche die Bestimmungen der bezeichneten Ordnung verletzen sollte, ist gegebenenfalls zum Schadensersatz verpflichtet. Sie ist für alle Handlungen verantwortlich, die von den zu ihrer bewaffneten Macht gehörenden Personen begangen werden.“
Die „Landkriegsordnung“ wurde dem Vertrag beigegeben und enthielt drei Abschnitte: Kriegführende, Feindseligkeiten und militärische Gewalt auf besetztem feindlichem Gebiete. Hierin wurde geregelt, wie sich die bekriegenden Staaten gegeneinander und der Zivilbevölkerung und den neutralen Staaten gegenüber zu verhalten haben.
In den Seekriegsfragen gelangte man zu keiner einheitlichen Lösung, wie bereits in Punkt 5.1. erläutert wurde; ebensowenig konnte die Konferenz das Abrüstungs­problem über die Form des „Wunsches“ hinaus klären.
Auch einigten sich die Delegierten darauf, daß eine Folgekonferenz, acht Jahre nach der jetzigen, einberufen werden sollte. Diese sollte aber von den teilnehmenden Mächten durch im Vorfeld stattfindende Treffen besser vorbereitet werden. Dieser Beschluß sicherte die Periodizität der Haager Konferenzen, jedoch ist es zu einer dritten Haager Konferenz infolge des Kriegsausbruches 1914 nicht mehr gekommen.

Betrachtet man die Ergebnisse der Konferenz in ihrer Gesamtheit, so fällt auf, daß man viele Themen behandelte und auch zu bedeutenden Abschlüssen gelangte, die sich jedoch fast ausschließlich mit der Fixierung des damaligen juristischen Zustandes des Völkerrechtes, mehr noch mit der des Kriegsrechtes beschäftigte. Der Name „Friedenskonferenz“ war somit also nicht gerechtfertigt. Vergleicht man daneben die angestrebten Ziele, so sind die Ergebnisse zweifellos beachtlich. In der Schiedsgerichtsfrage erreichte man eine Einigung, die jedoch keine allgemeine Verbindlichkeit enthielt, da sie die Staaten nicht zu einer in bestimmten Fällen obligatorischen Anrufung eines Schiedsgerichtes verpflichtete. Die in dieser Frage von den Staaten allgemein gemachten Äußerungen zeigten jedoch, daß man sich des Schiedsgerichtes in besonderen Fällen unbedingt bedienen wollte. Dies entsprach dem Zeitgeist in den einzelnen Ländern, und wie der nächsten Abschnitt der hier vorliegende Arbeit zeigt, auch dem Verständnis der deutschen Öffentlichkeit.


6.1 Die Bewertung der Ergebnisse der zweiten Haager Konferenz durch die deutsche Öffentlichkeit

Wie bereits erwähnt, erwarteten die Vertreter der Presse bereits Mitte August das Ende der Konferenz, was sich jedoch als Falschmeldung erwiesen hatte. Dennoch nutzten einige Tageszeitungen dieses Gerücht zu einem Rückblick auf die bereits geleistete Arbeit der Konferenz.
Die „Kölnische Volkszeitung“ sah in einem Kommentar nicht so sehr in den Verhandlungs­ergebnissen als vielmehr in dem bloßen Zusammentritt und der bisherigen Verhandlungsführung einen Erfolg der Konferenz. Der Korrespondent schrieb in einem Bericht: „Das ist das wichtigste Ergebnis der Haager Konferenzen, daß sie zum Vertrauen zur späteren Tat erziehen. Ich habe es zu wiederholten Malen aus dem Munde von Delegierten selbst gehört, wie bei allen Beteiligten an dieser Haager Arbeit in deren Verlauf die Erkenntnis für ihre Größe und Wichtigkeit wächst, wie das gegenseitige Vertrauen zunimmt und wie die Notwendigkeit einer Verständigung sich immer mehr aufdrängt.“ Die „Notwendigkeit einer Verständigung“ sah in gleicher Weise auch die „Weser Zeitung“. Sie meinte, daß man die Konferenz nicht ergebnislos auseinandergehen lassen würde, da ja „auch bei den Diplomaten so etwas wie eine Standesehre“ vorzufinden sei. Außerdem hätte man auf „kriegstechnischen Gebiete so ziemlich alles abgeschlossen, was zur Diskussion stand“ .
Die Beschlüsse der zweiten Haager Konferenz wurden in keiner der deutschen Zeitungen im vollen Wortlaut veröffentlicht, was bei dem großen Umfang auch verständlich erscheint. Jedoch beschäftigten sich alle mit dem Ende der Konferenz und den verabschiedeten Verträgen.
Als sich das tatsächliche Ende der Konferenz abzeichnete, kehrte die Ansicht, daß bereits der Zusammentritt der Konferenz als Erfolg zu werten sei, in den Zeitungen wieder. Die „Vossische Zeitung“ sah darin aber auch eine „gute Schule für die Diplomatie“. Weiterhin schrieb sie zu dieser Tatsache: „Diese Konferenz wird auch in erzieherischer Hinsicht heilsame Folgen haben. Die Delegierten mußten mit Kollegen die weitauseinandergehende, häufig einander entgegengesetzte Meinungen vertraten zusammenarbeiten, sie lernten sich gegenseitig begreifen und würdigen, manches Mißtrauen mußte schwinden, und an seine Stelle trat die Überzeugung, daß der Boden, worauf eine gemeinschaftliche, für allgemein menschliche Zwecke und Ideen zu verrichtende Arbeit möglich ist, unendlich größer und weiter ist, als man bisher angenommen hatte.“ Dabei blieb man jedoch nicht stehen, denn es hätte sich für die Diplomaten gezeigt, daß „die früheren Methoden ihres Berufes veraltet sind, daß ihre Hauptaufgabe in der Zukunft darin liegt, Konflikte aus dem Wege zu räumen, und das durch persönliche Berührungen und gemeinschaftliche Arbeit mit anderen das bisherige zur Zunft gehörige Mißtrauen schwinden muß, um die Möglichkeit einer aufrichtigen internationalen Politik herbeizuführen.“ Der hier geäußerte Gedanke war nicht neu, gehörte der Sache nach zum liberalen Gedankengut, das die Offenheit der Diplomatie forderte. Neu war jedoch, daß man davon überzeugt war, daß die Methoden der Diplomatie in der Zukunft mehr auf persönlichen Beziehungen und Vertrauen beruhen müßten, um international bedeutsame Fragen zu lösen.
Überlegungen zu neuen Formen der Diplomatie und internationalen Verhandlungen, gewonnen aus den Erfahrungen auf der zweiten Haager Konferenz, tauchten zumeist in liberalen Zeitungen auf. Das „Berliner Tageblatt“ sah dies ähnlich , wie auch das „Teltower Kreisblatt“. Letzteres schrieb zum „Erfolg der Konferenz“ folgendes: „in bezug auf Mittel und Wege, Konflikte aus des Welt zu schaffen, ist (der Erfolg) nicht allzu bedeutend gewesen. Zeit und Erfahrung fehlten. Die Projekte eines obligatorischen Schiedsgerichts­verfahrens und die Einsetzung eines obligatorischen Schiedsgerichtshofes sind in bezug auf ihre Verwirklichung  auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen. Das Ober­prisengericht wird ein bleibendes Denkmal für diese Konferenz bilden. Indessen ist die Arbeit der ersten Kommission keine verlorene. Die Zeit wird kommen, wo sich zeigen wird, daß das gewissenhafte und gründliche Studium dieser Frage durch die gegenwärtige Konferenz Fortschritte gezeitigt hat in der genauen Kenntnis der gegenseitigen Interessen und Bedürfnisse und in der Herstellung vielfacher Beziehungen, die eine moralische und materielle Solidarität schaffen, die immer mehr kriegerischen Unternehmungen widerstrebt. Es ist das erste Mal, daß Vertreter aller als solcher anerkannten Staaten zusammengekommen sind zur Besprechung der Interessen der gesamten Menschheit. Es muß der Vorwurf zurückgewiesen werden, die Konferenz habe nichts für die Erhaltung des Friedens und die Ausbreitung der Solidarität unter den Menschen getan. Die Völker müssen zweifellos sich lieben und schätzen lernen. Die Konferenz hat ihr Bestes aufgeboten, aber es ist unmöglich alles zu erreichen. Diejenigen, die nach uns kommen, werden das, was wir vorbereitet haben, zur Entfaltung bringen. Die Konferenz wird ein Markstein in der Geschichte der Menschheit bilden: sie trug einen weltumspannenden Charakter, indem sie die Delegierten der ganzen Welt angesichts des Fortschritts Hand in Hand gehen ließ.“
Einmütig waren sich alle Zeitungen darüber, daß der Beschluß eine dritte Konferenz im Jahre 1915 abzuhalten, ein bedeutender Fortschritt für die Weiterentwicklung der völkerrechtlichen Beziehungen zwischen den Staaten darstellte.
Zu den einzelnen Verträgen waren die Meinungen kaum unterschiedlich. Vielfach wurde darauf verwiesen, daß man die Hoffnungen nicht allzuhoch angesetzt hätte, jedoch erfreut sei, daß obwohl die „Delegierten (teilweise) um jeden einzelnen Paragraphen gestritten, um einzelne Wendungen und Ausdrücke sich manchmal tagelang unterhalten haben“ , „das Geschaffene - vorausgesetzt, daß alle Mächte die Vereinbarungen auch nachträglich durch Unterschrift in Kraft setzen - für alle Zukunft Rechtskraft für die ganze Menschheit“ habe.
Teilweise unterschiedlich waren dagegen die Bewertungen des Erreichten in der Schiedsgerichtsfrage. War das „Berliner Tageblatt“ einerseits der Ansicht, daß „der Vorschlag über einen obligatorischen Weltschiedsvertrag ein besseres Schicksal verdient hätte, wenn die deutschen Vertretung hier mehr darauf bedacht gewesen wäre, durch politische Klugheit als durch juristischen Scharfsinn zu glänzen“ , so sah andererseits die „Neue Preußische Zeitung“ gerade in der Ablehnung eines Weltschiedsvertrages etwas positives, „denn nichts (sei) gefährlicher als die Übernahme von Verpflichtungen, die voraussichtlich nicht eingehalten werden können.“
Mit besonderer Aufmerksamkeit wurde in der deutschen Öffentlichkeit die Reaktion auf das Ende der Konferenz aus England verfolgt. Als Bestätigung der eigenen Ansichten nahm z.B. der sozialdemokratische „Vorwärts“ einen Artikel der "Times", der sich sehr abschätzig über die Ergebnisse der Verhandlungen in Den Haag aussprach. In dem Artikel der „Times“ hieß es: „Die zweite Haager Konferenz  ist tot und begraben und, wie es oft geschieht, hört sich die Leichenrede, die in feierlicher Weise über die erhabene Leiche gehalten wird, wie Spott über den Toten an. Man verlangt von uns zu glauben, daß „dem Recht, der Gerechtigkeit, dem Geiste des Friedens und der internationalen Harmonie ein wirkliches Monument erbaut wurde“. Aber wie die Trauernden wissen, die gestern dort versammelt waren, stellt es eher ein übertünchtes Grab vor, voll von Skeletten und Unreinlichkeiten. Gibt es überhaupt einen stärkeren Kontrast als den zwischen den Programmen und den Ergebnissen, zwischen den Worten und Taten der Konferenz? (...) Geredet haben sie von Humanität, Weltfrieden, vom tausendjährigen Reich. Sobald es aber hieß, etwas für diese Ideale zu tun, hat sich dieses „Parlament der Menschheit“ auf die Härte und Hartnäckigkeit der Tatsachen berufen, „auf das Gesetz von Tatsachen“, wie es Baron Marschall nannte und wie es immer wieder in der Welt  passiert, wenn man mit Lebensfragen zu tun hat. Alle grandiosen Projekte - mit einer Ausnahme des Internationalen Prisengerichts - wurden nach und nach beseitigt und einbalsamiert - eine Kollektion von Mumien (...) Die Konferenz war von Vornherein zum Mißerfolg bestimmt, da schon ihre Einberufung an sich gegen „das Gesetz des Tatsachen“ verstieß, oder auf Englisch gesagt: die Konferenz war ein Trug und hat nur Trugbilder erzeugt ... In ihrer amtlichen Eigenschaft benahm sich diese Körperschaft auf eine Art und Weise, als ob es keine unversöhnlichen Gegensätze und Eifersüchteleien zwischen den Mächten gäbe. Die Existenz und die Bitterkeit dieser Differenzen sind aber weltbekannt. Es hat keinen Zweck diese zu verheimlichen oder abzuschwächen. Es sind Tatsachen und man muß ihnen ins Gesicht sehen. Die zweite Haager Konferenz hat diese Differenzen nur akzentuiert und offenbarer gemacht. Überall standen sich die Großmächte in Gruppen gegenüber und diese Gruppierung entsprach fast immer den umfassenden Gegensätzen in der Politik.“ Der „Vorwärts“ wertete diesen Artikel der „Times“ mit folgenden Worten: „Es ist merkwürdig, wie die Ansichten eines so großen und in weltpolitischen Fragen so durchgebildeten Blattes genau mit denen der deutschen Sozialdemokratie übereinstimmen. Es ist nicht aus Schadenfreude über den Mißerfolg der „Friedenskonferenz“, daß wir die Ausführungen der „Times“ zitieren, sondern um daraus zu lernen, sich vor Illusionen zu schützen. Wir leben in einer kriegsschwangeren Zeit, und die Gegensätze sind in allen Großstaaten der Welt fühlbar, vom Osten bis zum Westen und vom Norden bis zum Süden.“ Diese Stellungnahme blieb die einzige des „Vorwärts“ zu den Ergebnissen der zweiten Haager Konferenz.
Die „Vossische Zeitung“ und die „Neue Preußische Zeitung“ setzten sich ebenfalls mit Veröffentlichungen der „Times“ auseinander. Dabei wurde von der „Vossischen Zeitung“ darauf verwiesen, daß „Deutschland mit Genugtuung auf den Verlauf der Konferenz zurückblicken (kann); sogar mit doppeltem Behagen, wenn es von dem zornigen Leitartikel der „Times“ vom Sonnabend Kenntnis nimmt. Wir wissen sehr wohl, daß das englische Volk, die englische Presse keine Feinde Deutschlands sind. Die „Times“ ist dagegen unsere erbitterte Gegnerin. Sie und ihre Freunde mögen den Plan verfolgt haben, die Konferenz auszunutzen, um Deutschland in aller Welt Feinde zu machen. Da ihnen das gründlich mißglückt ist, sind sie wütend und wir zufrieden.“ Die „Neue Preußische Zeitung“ konstatierte dagegen: „Das Urteil über die Ergebnisse der Arbeit geht weit auseinander, „Times“ und „Temps“ z.B. sind nicht eben nachsichtig, wenn auch nicht auf Grund derselben Erwägungen. Am günstigsten ist wohl das Urteil bei uns ausgefallen.“
Mit dieser Aussage lag die konservative Zeitung in der Tat richtig. Bis auf die sozialdemokratische Presse sahen alle anderen Zeitungen des Deutschen Reiches in den Ergebnissen der Konferenz, wenn auch teilweise nuanciert, nur erfreuliches. Die zum Beginn der Konferenz eingeschlagene Haltung - nicht zu hohe Erwartungen an die Verhandlungen zu knüpfen, wobei jedoch immer wieder betont wurde, daß nur eine stufenweise vorangehende Entwicklung des Völkerrechtes von Erfolg gekrönt sein kann - hatte sich bewährt. So konnten die deutschen Tageszeitungen die Ergebnisse der Konferenz als Weiterentwicklung des Völkerrechtes und gleichzeitig als Erfolg für die deutsche Außenpolitik werten.
Diesen Prestigegewinn für das Deutsche Reich konstatierte auch „Die Hilfe“. In ihrer Zusammenfassung hieß es: „Die Haager Konferenz (scheint) einen unschädlichen und für Deutschland sogar nicht unbefriedigenden Ausgang zu nehmen. Die Hauptgefahr bestand ... darin, ..., Deutschland entweder politisch an die Wand zu drücken oder uns für die urteilslose Öffentlichkeit mit einem Schein des Rechten als Friedensstörer hinzustellen. Daß es dazu nicht gekommen ist, erklärt sich einerseits dadurch, daß in der Abrüstungsfrage der von Deutschland vertretene Standpunkt ... als der schlechthin vernünftige und gebotene erscheinen mußte; andrerseits aber hat dieses Mal der Vertreter Deutschlands im Haag, Freiherr Marschall, taktisch in ausgezeichneter Weise operiert. Es ist seit den Tagen Bismarcks das erste Mal, daß auf einer solchen großen internationalen Konferenz über hochpolitische Fragen die deutsche Diplomatie, wenn auch nicht formell, so doch tatsächlich an die führende Stelle gelangt ist.“
Die herausragende Stellung und die konstruktive Mitarbeit der deutschen Delegierten auf der Konferenz unterstrich auch die „Deutsche Rundschau“. Hier hieß es: „In allen Erörterungen der Konferenz, den theoretischen wie den praktischen, wußten die deutschen Bevollmächtigten sich an erster Stelle zu behaupten. Herr von Marschall gehörte zu den Säulen und Zierden der Versammlung. Der Vorschlag zur Einsetzung eines internationalen Prisengerichts wurde von ihm eingebracht. Deutschland war sicherlich nicht das Mauerblümchen auf der Konferenz, wie manche gefürchtet hatten, sondern hat in ihren Leistungen dauernd die Spur seiner Einflusses zurückgelassen.“
Einzig in der „Deutschen Revue“ erschien nach Abschluß der Konferenz ein zusammenfassender Artikel. Der Berner Völkerrechtsgelehrte Otfried Nippold setzt sich hierin mit dem „Hauptergebnis“ der langen Verhandlungen auseinander. Dieses sah er nicht so sehr in einem einzelnen Ergebnis der Konferenz, als vielmehr in der Tatsache, „daß sechsundvierzig Staaten an den wichtigsten Aufgaben, die das Völkerrecht zu lösen hat, zusammengearbeitet haben“ und „dies für sich allein schon einen großen Erfolg bedeute“ . Nicht zu unterschätzen sei dabei jedoch, daß die in Aussicht gestellte dritte Haager Konferenz einen weiteren Schritt auf dem weiteren Ausbau des Völkerrecht bedeute. Der Ausbau des Völkerrechts sei aber ein langwieriger Prozeß, der sich „ohne große Sprünge vollziehen wird“, wobei „die Sicherung der Kontinuität“ eine weitere internationale Beschäftigung mit Völkerrechtsfragen garantiere. In der Zeit zwischen den Konferenzen habe die „Wissenschaft voranzuschreiten, wenn das Werk gedeihen soll. Und zwar nicht nur im Sinne theoretischer Vorarbeit, sondern auch im Sinne der Belehrung. Die Kenntnis des Völkerrechts bedarf vor allen Dingen der Verbreitung. Das Interesse an völkerrechtlichen Fragen muß geweckt werden. Hier ist noch unendlich viel zu tun. Man darf überzeugt sein, daß bei besserem Bekanntsein des Völkerrechts, bei lebhafterer Anteilnahme der in erster Linie interessierten, aber auch weiterer Kreise an den völkerrechtlichen Problemen, mit anderen Worten, bei besserer wissenschaftlicher Fundierung schon heute im Haag weit größere Erfolge erzielt worden wären.“
Diese letzte hier zitierte Kritik Nippolds war vollauf berechtigt. Völkerrechtliche Fragen wurden in Deutschland nur selten in Broschüren oder kleineren Schriften allgemein verständlich aufbereitet. Erst nach der zweiten Haager Konferenz setzte hier eine intensivere Auseinandersetzung ein, die sich u.a. in der Schriftenreihe „Kultur und Fortschritt“ und den „Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung“ abspielte. Aber auch die juristischen Ergebnisse der zweiten Haager Konferenz wurden einer intensiven Analyse unterworfen.


7. ZUSAMMENFASSUNG

 

Betrachtet man die Veröffentlichungen der deutschen Tageszeitungen und Zeitschriften zur Bekanntgabe des "Zarenmanifestes", den Verhandlungen und Beschlüssen der ersten und zweiten Haager Konferenz in ihrer Gesamtheit, so ist festzustellen, daß eine breite Berichterstattung, über alle Verhandlungsgegenstände zu verzeichnen war. Keine Zeitung verzichtete auf eigene Berichte, wobei jedoch die Bewertungen zur ersten Haager Konferenz weiter auseinander gingen als zur zweiten. Für die erste Haager Konferenz gilt es festzuhalten, daß vor allem in liberalen und katholischen Tageszeitungen, eine überwiegend positive Darstellung und Wertung der Verhandlungen und Beschlüsse zu finden war, wobei jedoch auch teilweise deutlich kritische Stimmen geäußert wurden.
Anders sah dagegen die Bewertung durch konservative deutsche Blätter aus. Diese sahen von Anfang an der Einberufung der Konferenz skeptisch entgegen und vermuteten eher andere Ziele der russischen Diplomatie, als „reine Menschenliebe“. Der Grundtenor dieser Artikel war eher pessimistisch und teilweise deutlich ablehnend gehalten. Außerdem sah man in der möglichen Bindung Deutschlands an internationale Schiedsgerichte die Stellung des Reiches in der Welt gefährdet. Mit dieser Haltung kam man den Intentionen der deutschen Führung am nächsten.
Die Entscheidungsträger der deutschen Politik lehnten die Einberufung und die Beschlüsse der ersten Haager Konferenz fast vollständig ab. Man sah sich durch internationale Verträge und durch die Kodifizierung internationalen Rechts in der eigenen Handlungsfähigkeit eingeschränkt. In einer starken und schlagkräftigen Armee sah sie dagegen den Garant des Friedens und das Mittel, außen­politische Ziele durchsetzen zu können. Gesetzt den Fall, daß die Großmächte Rußland, Frankreich und England ein wirkliches Interesse an einem obligatorischen Schiedsgericht hatten, dann wurde hier von der deutschen Seite eine große Chance verspielt, als gleichberechtigte Großmacht anerkannt zu werden. So aber blieb das Stigma des „Friedensstörers“ - auch in der Zukunft - an Deutschland haften. Die daneben praktiziert geräuschvolle Außenpolitik, genannt sei hier nur die Hunnenrede Wilhelm II., tat ein übriges, um Deutschland als gefährliches und unberechenbares Element in der internationalen Politik anzusehen.
Ebenfalls gegen die Einberufung und Beschlüsse der Haager Konferenz, jedoch aus anderen Gründen, war die Sozialdemokratie eingestellt. Man sah sich selbst als die eigentliche und wahre Friedensgesellschaft an und glaubte nicht daran, daß das „kapitalistische System“ seine außenpolitischen Widersprüche beseitigen könnte. Erst nach einer „proletarischen Revolution“, so war die Überzeugung, würde dies möglich sein.
Eine besonders rege Diskussion über die erste Haager Konferenz, war in den politischen Zeitschriften des Deutschen Reiches zu finden. In diesen wurde eine tiefgründige Auseinandersetzung, weit über die ursprünglichen Vorstellungen des „Zarenmanifestes“ hinaus, geführt. Dabei wurden Gedankengänge geäußert, erinnert sei hier an Hans Delbrück und Maximilian Harden, die zukunftsweisenden Charakter trugen und Anregungen für weitergehendes Nachdenken gaben. Der Schiedsgerichtsbarkeit brachte man in den politischen Zeitschriften und in persönlichen Äußerungen von Repräsentanten der Intelligenz des Kaiserreiches bereits 1899 größere Hoffnungen entgegen, als z.B. einer allgemeinen oder partiellen Abrüstung. Letztere war in dieser Zeit nicht vorstellbar, wurde teilweise als Gefahr angesehen und war nur für einen Teil der deutschen Öffentlichkeit nach einer allgemeinen Verständigung unter den Kulturvölkern in ferner Zukunft denkbar und praktikabel. Häufiger als in den Tageszeitungen, war in den Zeitschriften der „Machtgedanke“ zu finden. Entscheidungen zwischen Großmächten, so war die Überzeugung, wären Machtfragen, die durch Arrangements friedlich gelöst werden könnten oder durch Krieg, als ultima ratio, entschieden werden würden. Krieg jedoch wurde nur als äußerste Möglichkeit der Machtpolitik verstanden, nicht als Mittel zur Durchsetzung von politischen Zielen der Tagespolitik. Um jedoch friedliche Arrangements über Interessenfragen erreichen zu können, bedurfte es einer starken deutschen Militärmacht, die als Ausdruck der Stärke bei politischen Verhandlungen zur Geltung gebracht werden müßten. Militärische Stärke und Schiedsgerichts­barkeit bildeten in den Zeitschriften des Deutschen Reiches keinen Widerspruch, sondern wurden als Mittel zur Durchsetzung von politischen Interessen verstanden.
Man kann also nicht sagen, daß es kein Interesse in der deutschen Öffentlichkeit für die Verhandlungen der ersten Haager Konferenz gegeben hat, wie es z.B. Friedrich Wilhelm Förster behauptete. Zutreffend ist jedoch, daß eine weitere Vertiefung und Nachbereitung, in der deutschen Öffentlichkeit nicht zu verzeichnen war. Fast unmittelbar nach Abschluß der Verhandlungen fanden sich keine Artikel mehr, die sich auch nur andeutungsweise mit den Ergebnissen auseinandersetzten.
Erst als die zweite Haager Konferenz in greifbare Nähe rückte, setzte erneut eine verstärkte Beschäftigung mit Fragen des Völker-, des Seerechts und der Schiedsgerichtsbarkeit in der deutschen Öffentlichkeit ein. Noch vor Beginn der Verhandlungen wurde in den Tageszeitungen ein eher nüchterner Ton angeschlagen, der jedoch nicht so sehr davon zeugte, daß sich die Leserschaft keine allzugroßen Hoffnungen auf außergewöhnliche Ergebnisse machen sollte, als vielmehr davon, daß die Verständigung zwischen den Völkern, als ein auf lange Zeiträume angelegter Prozeß zu verstehen sei, der wohl überlegt sein und großes politisches Geschick und Fingerspitzengefühl bei allen Beteiligten voraussetzen müßte, wenn er von Erfolg gekrönt sein sollte.
Der im Vorfeld der Tagung so viel Aufregung erzeugende englische Vorschlag, die Abrüstungsfrage behandeln zu lassen, wurde in der deutschen Öffentlichkeit einmütig abgelehnt, da man in dieser Offerte einen englischen Plan vermutete, der daß Deutsche Reich desavourieren sollte. Im weiteren Ausbau der Schiedsgerichtsbarkeit sahen dagegen 1907, über die Parteiunterschiede hinweg gehend, mit Ausnahme der Sozialdemokratie, alle politischen Gruppierungen ein reales Mittel, um Streitfälle zwischen Großmächten zu lösen. Hier war ein deutlicher Meinungswandel in der deutschen Öffentlichkeit, gegenüber den Vorstellungen von 1899 zu registrieren. Auch den anderen Verhandlungsgegenständen - Seekriegsrechtsfragen, Haager Landkriegsordnung und deren Ausdehnung auf den Seekrieg u.a.m. - wurde eine breite Berichterstattung eingeräumt, wobei die konstruktive deutsche Haltung auf der zweiten Haager Konferenz besonders hervorgehoben wurde. Die Vielzahl der Artikel zeugten deutlich von einem gesteigerten Interessen der deutschen Öffentlichkeit an diesen Fragen. Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in der Gesamtendenz als positiv und für die internationale Stellung des Deutschen Reiches günstig bewertet.
In den deutschen Zeitschriften wurde der zweiten Haager Konferenz anfangs relativ großer Raum eingeräumt. Die lange Dauer der Konferenz und die unspektakulären Verhandlungen ließen in ihnen dann jedoch schnell das Interesse erlahmen. Die vorgebrachten Überlegungen unterschieden sich in den Aussagen nicht so sehr von denen der Tageszeitungen, obwohl daneben auch Themen behandelt wurden, die in der Tagespresse keine Beachtung fanden und wohl auch zu speziell für die breite Masse waren.
Besonders deutlich wurde bei der Beurteilung der Verhandlungen der zweiten Haager Konferenz durch die deutsche Öffentlichkeit, die fast völlige Übereinstimmung mit den Intentionen der Reichsleitung. An der deutschen Verhandlungsführung wurde keine oder nur geringfügige Kritik geäußert und auch die negative Haltung zu einem obligatorischen Weltschiedsgericht wurde von der deutschen Öffentlichkeit getragen. Bei der Behandlung dieser Frage wurde in den Zeitungen häufig betont, daß einem obligatorischen Schiedsgericht zwischen zwei Staaten volle Sympathie entgegengebracht werden würde, was exakt der von den deutschen Verhandlungsführern in Den Haag vertretenen Position entsprach.
Als Erfolg der festen Haltung des Deutschen Reiches wurde allgemein der nur unverbindliche Wunsch der Konferenz nach Abrüstung bewertet. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die häufig vertretene Anschauung, daß ein eigenständiger Wert bereits in dem Zusammentreten, der Konferenz zu sehen sei, da dadurch im deutschen Volk Ideen gestärkt werden würden, die auf Völkerverständigung und Frieden und gegen Kriegsideologien gerichtet wären. Diese Überlegungen tauchten 1898/99 nicht auf und deuten auf einen Wandel im Verständnis der Öffentlichkeit in diesen Fragen hin.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die beiden Haager Konferenzen keinen „weißen Fleck“ in der deutschen Geschichte darstellen, sondern ein weites Echo in der deutschen Öffentlichkeit erfahren haben. Diese große Resonanz zeugt von einem Bewußtseinstand in der breiten Öffentlichkeit der überrascht. Die Breite und Tiefe der Diskussion kann als Beleg dafür genommen werden, daß in Fragen von Krieg und Frieden, Völkerverständigung und Abrüstung in der deutschen Gesellschaft für den hier behandelten Zeitraum keine dogmatischen Ansichten, sondern differenzierte Betrachtungen vorherrschten. Krieg als Mittel der Politik stellte jedoch eine mögliche Form der staatlichen Beziehungen dar, was auch den Publizisten der damaligen Zeit bewußt war, jedoch beschäftigten sie sich auch mit Alternativen im komplizierten Beziehungsgeflecht zwischen den Mächten. Als ein Mittel zur friedlichen Regelung von Streitfällen begriff man Schiedsgerichte, die als Schlichtungsinstrument gute Dienste leisten könnten. Eine -  wie auch immer geartete - Schwächung der deutschen Wehrkraft stand dagegen nicht zur Disposition. Die offizielle deutsche Haltung von 1899 und 1907 zur Abrüstungsfrage mag man als ungeschickt bewerten, die Veränderung der deutschen Position zur Schiedsgerichtsbarkeit ist dagegen offenkundig und gilt es, gleichermaßen für die Reichsleitung als auch für die deutsche Öffentlichkeit, zu betonen.
Die Gründe für diesen Wandel der Anschauungen, sind in der veränderten Weltstellung des Reiches zu suchen. Ende des 19. Jahrhunderts befand sich Deutschland international in einer außerordentlich günstigen Stellung; die kolonialen Widersprüche zwischen England und Rußland in Asien und zwischen England und Frankreich in Afrika schienen unüberwindbar. Nach dem französisch - englischen Ausgleich in der Entente cordiale von 1904 und der Annäherung zwischen dem Empire und dem Zarenreich 1907 hatte sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Deutschland stand nun als europäische Mittelmacht in der internationalen Politik fast allein, sein Bundesgenosse Österreich - Ungarn fiel, durch innere Spannungen geschwächt, fast völlig aus. Außerdem hatte sich 1906 auf der Konferenz von Algeciras bereits gezeigt, daß eine Politik der Stärke gegen drei Großmächte nicht mehr durchsetzbar war. Diese veränderte Weltstellung wurde auch von den Zeitgenossen reflektiert. Nun schien - überspitzt formuliert - nicht mehr „Deutschland in der Welt voran“, sondern „eingekreist“, das Gefühl der Stärke wurde teilweise durch Empfindungen der „Isolation“ und der „Einkreisung“ ersetzt. Die veränderte Stellung des Reiches in der Weltpolitik und der daraus resultierende Gefühlswandel erklärt, warum man 1907 verstärkt auf Schiedsgerichte zur Konfliktlösung zwischen einzelnen Mächten setzte, als auf eine Politik der Stärke. Die außenpolitische Isolation verlangte nach neuen Wegen und die sah die deutsche Öffentlichkeit 1907 verstärkt in Völkerverständigung und Schiedsgerichtsbarkeit. Auch erscheint die These nicht überzeugend, daß in der deutschen Öffentlichkeit die empfundene „Einkreisung“ gleichbedeutend mit einer „Bedrohung“ Deutschlands verstanden wurde, denn zur Durchsetzung machtpolitischer Ansprüche benötigte das Deutsche Reich starke Verbündete und eine schlagkräftige Militärmacht. Man besaß aber einzig schlagkräftige Landstreitkräfte, die Flotte war dagegen auf absehbare Zeit nicht als Machtfaktor einplanbar, zu groß war auf diesem Gebiet die englische Überlegenheit, und auf neue Bündnispartner konnte man nicht hoffen. Es wäre demnach von großem Interesse, in einer späteren Arbeit zu untersuchen, inwieweit sich Überlegungen zur Konfliktregulierung durch Schiedsgerichte nach der zweiten Haager Konferenz in der deutschen Öffentlichkeit verstärkten, oder ob der „Topos vom unvermeidlichen Krieg“ (Wolfgang J. Mommsen) untrüglich so breite Massen ergriff, wie wiederholt behauptet wurde. In den Betrachtungen der deutschen Zeitungen und Zeitschriften zur zweiten Haager Konferenz war für die These des unvermeidlichen Krieges, jedoch kein Anhaltspunkt zu finden.


8. LITERATUR

8.1. Unveröffentlichte Quellen

 

Zentrales Staatsarchiv Potsdam

Auswärtiges Amt
Abteilung III a (Rechtsabteilung)
36344 bis 36349: Preßstimmen über die zweite Haager Friedenskonferenz, Bd. 1-6, 1907.

Reichsamt des Innern
12971 und 12972: Generalia, Militaria No.77, Friedenskonferenzen, 2. Bde., 1895 - 1910.

Nachlaß Hammann

8.2. Tageszeitungen und Zeitschriften

 

(Die Auflagenzahlen hinter den Zeitschriftentiteln stammen aus den Monographien von Koszyk [K], Rieger [R], Leupolt [L], Kirchner [Ki] bzw. dem Parteienlexikon [P]. Wenn nur eine Zahl angegeben wird, dann bedeutet dies, daß zwischen 1898/99 und 1907 keine Veränderung der Auflagenhöhe erfolgte. Andere im Text zitierte Zeitungen und Zeitschriften stammen aus den Akten des Auswärtigen Amtes und sind mit [AA] gekennzeichnet.)

All-Deutschland. Ein illustriertes deutsches Familienblatt. 1898/99 und 1907.
Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung. 1898/99 (Auflage: 2650).
Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland. 1898/99 (Auflage: 3000 [P]).
Berliner Illustrirte Zeitung. 1898/99 und 1907 (Auflage: ca. 1 Millionen [K]).
Berliner Tageblatt. 1898/99 und 1907 (Auflage: 64.000/150.000 [R]).
Die christliche Welt. Evangelisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, 1898/99 und 1907.
Das Buch für alle. Chronik der Gegenwart. 1898/99 und 1907.
Deutsche Revue über das gesamte nationale Leben der Gegenwart. 1898/99 und 1907 (Auflage: 1150 [Ki].
Deutsche Rundschau. 1898/99 und 1907 (Auflage: 10.000 [K]) .
Evangelische Kirchenzeitung. 1898/99.
Feuilleton Zeitung. 1898/99 und 1907.
Freisinnige Zeitung. 1898/99.(Auflage: 8500-9500 [P])
Germania. Zeitung für das deutsche Volk, 1898/99 und 1907 (Auflage: 6000 [P]).
Die Hilfe. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst, 1898/99 und 1907 (Auflage: ca. 12.000 [K]).
Kladderadatsch. Jg. 1898/99.
Konservative Monatsschrift für Politik, Literatur und Kunst (Nachfolgezeitschrift der Allgemeinen Konservativen Monatsschrift für das christliche Deutschland). 1907 (Auflage: ca. 3.000 [P]).
Neue Preussische Zeitung. 1898/99 und 1907 (Auflage ca. 10.000 [P]).
Die Neue Zeit. 1898/99 und 1907 (Auflage: ca. 6400/7700 [K]).
Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift, 1898/99 und 1907.
Preussische Jahrbücher. 1898/99 und 1907 (Auflage: 2000 [L]).
Preussische Kirchenzeitung. 1898/99 und 1907.
Steglitzer Zeitung. 1898/99 und 1907.
Der Tag. 1898/99 und 1907.
Teltower Kreisblatt 1898/99 und 1907.
Vorwärts. 1898/99 und 1907 (Auflage: 25.000/? [K]).
Vossische Zeitung. 1898/99 und 1907 (Auflage ca. 20.000 [P]).
Die Zukunft. 1898/99 und 1907 (Auflage: ca. 10.000/22.000 [P]).

8.3. Literatur

 

Bauer, Wilhelm: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte. Leipzig 1930.
Benz, Wolfgang: Pazifismus in Deutschland. Dokumente zur Friedensbewegung 1890-1933, Frankfurt a.M. 1981.
Braunthal, Julius: Geschichte der Internationale. Band 1, Berlin, Bonn, Bad Godesberg 1974.
Bülow, Bernhard Fürst von: Denkwürdigkeiten. Band 1 und 2, Berlin o.J.
Burger, Alexander: Zum Streit um die Wehrfähigkeit des deutschen Volkes. Berlin 1912.
Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907  in der internationalen Politik, Berlin, Frankfurt a.M. und Wien 1981.
Dülffer, Jost/Holl, Karl (Hg.): Bereit zum Krieg. Kriegsmentalität im wilhelminischen Deutschland 1890 - 1914, Göttingen 1986.
Eberle, Franz Xaver: Krieg und Frieden im Urteile christlicher Moral. Berlin, Stuttgart, Leipzig 1914 (Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung Heft 15).
Egidy, Moritz von: Die Friedensbotschaft des Zaren. Vortrag gehalten am 4. November 1898, Danzig 1898.
Eickhoff, Richard: Die internationale Schiedsgerichtsbewegung, Berlin 1910.
Fried, Alfred Hermann: Handbuch der Friedensbewegung, Berlin 1911/13.
Ders.: Die Friedensbewegung, was sie will, und was sie erreicht hat. Leipzig 1905 (Sozialer Fortschritt. Hefte und Flugschriften für Volkswirtschaft und Sozialpolitik Nr. 35).
Ders.: Die moderne Friedensbewegung in Deutschland und Frankreich. Leipzig 1908 (Kultur und Fortschritt. Neue Folge der Sammlung „Sozialer Fortschritt“, Hefte für Volkswirtschaft, Sozialpolitik, Frauenfrage, Rechtspflege und Kulturinteressen Nr.143).
Ders.: Internationalismus und Patriotismus. Leipzig 1908 (Kultur und Fortschritt. Neue Folge der Sammlung „Sozialer Fortschritt“, Hefte für Volkswirtschaft, Sozialpolitik, Frauenfrage, Rechtspflege und Kulturinteressen Nr.160).
Förster, Friedrich Wilhelm: Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland. Gesichtspunkte zur deutschen Selbsterkenntnis und zum Aufbau eines neuen Deutschlands, Stuttgart 1920.
Geiss, Imanuel: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs 1815-1914, München 1991.
Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871 - 1914 (GP). Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Band 15, 23.1. und 23.2. Berlin.
Hammann, Otto: Der neue Kurs. Berlin 1919.
Hatzfeld-Wildenburg, Paul Graf von (Sammlung): Botschafter Paul Graf von Hatzfeld: nachgelassene Papiere 1838 - 1901. / hrsg. u. eingel. von Gerhard Ebel in Verbindung mit Michael Behnen, Teil 2. Boppard am Rhein 1976.
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Kirchhoff, Arthur (Hrsg.): Männer der Wissenschaft über die Friedenskonferenz. Berlin 1899.
Kirchner, Joachim: Geschichte des Deutschen Zeitschriftenwesens. Teil II., Wiesbaden 1962.
Klein, Fritz/Aretin, Karl Otmar von: Europa um 1900. Texte eines Kolloquiums, Berlin 1989.
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Lammasch, Heinrich: Die Fortbildung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Stuttgart 1914 (Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung Heft 13).
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Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789 - 1945) In vier Bänden. Leipzig 1983 - 1986.
Marx/Engels Werkausgabe, Berlin Bd. 22.
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Mommsen, Wolfgang, J.: Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur im deutschen Kaiserreich, Frankfurt a.M. 1990.
ders.: Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870 bis 1914. Frankfurt am Main; Berlin 1993.
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1918. Erster Band Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990.
Nippold, Otfried: Die zweite Haager Friedenskonferenz. Teil 1 und 2, Leipzig 1908/11.
Ders: Ziele und Aufgaben des Verbandes für internationale Verständigung. Stuttgart 1913 (Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung Heft 10).
Nithack-Stahn, W.: Kirche und Krieg, Halle a.S. 1913.
Rasmus, Pierre: Die historische Entwicklung des Friedensidee und des Antimilitarismus. Leipzig 1908 (Kultur und Fortschritt. Neue Folge der Sammlung „Sozialer Fortschritt“, Hefte für Volkswirtschaft, Sozialpolitik, Frauenfrage, Rechtspflege und Kulturinteressen Nr.153).
Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Band 1 und 2, Freiburg, München 1963.
Reinhardt, August von: Die Humanität im Kriege. Die kodifizierten humanitären Vereinbarungen der Kulturstaaten im Kriege, Berlin 1905.
Religion in Geschichte und Gegenwart. 2. Auflage, Tübingen 1931.
Riesenberger, Dieter: Die deutsche Friedensbewegung. Von den Anfängen bis 1933, Stuttgart 1983.
Rieger, Isolde: Die Wilhelminische Presse im Überblick 1888 - 1918. München 1957.
Röhl, John C.G. (Hrsg.): Philipp Eulenburgs politische Korrespondenz. Band III, Krisen, Krieg und Katastrophen 1895 - 1921, Boppard a.R. 1983 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts).
Scheer, Friedrich-Karl: Die Deutsche Friedensgesellschaft (1892-1933) Organisation, Ideologie, politische Ziele. Ein Beitrag zur Geschichte des Pazifismus in Deutschland, Frankfurt a.M. 1981.
Schücking, Walter: Der Staatenverband der Haager Konferenzen, München und Leipzig 1912.
Ders.: Die wichtigste Aufgabe des Völkerrechts. Stuttgart 1912 (Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung Heft 3).
Ders.: Kultur und Krieg. Stuttgart 1914 (Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung Heft 14).
Schwarzenberger, Georg: Machtpolitik. Eine Studie über die internationale Gesellschaft. Tübingen 1955.
Schwertfeger, Bernhard: Die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes 1871 - 1914. Ein Wegweiser durch das große Aktenwerk der Deutschen Regierung, Berlin 1927.
Selenka, Margarete Leonore: Die internationale Kundgebung der Frauen zur Friedenskonferenz vom 15.Mai 1899, München 1900.
Sevin, Ludwig: Wird Deutschland durch seine „Rüstungen“ wirtschaftlich geschädigt? Hemmen sie seine kulturelle Entwicklung? Ein Fehdehandschuh allen, die es behaupten, Berlin 1910.
Stauff, Philipp: Der Krieg und die Friedensbewegung. Berlin 1912.
Steinbach, Emil: Zur Friedensbewegung. Wien 1899.
Steinweg, Reiner (Redaktion): Lehren aus der Geschichte? Historische Friedensforschung, Frankfurt a.M. 1990 (Friedensanalysen 23).
Stengel, Karl: Der ewig Friede, München 1899.
Suttner, Bertha von: Der Kampf um die Vermeidung des Weltkrieges (hrsg. von A.H.Fried), Zürich 1917.
dieselbe: Memoiren. Stuttgart; Leipzig 1909.
Timme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955.
Tönnies, Ferdinand: Kritik der öffentlichen Meinung. Berlin 1922.
Uhlig, Ralph: Die Interparlamentarische Union 1889-1914. Friedenssicherungsbemühungen im Zeitalter des Imperialismus, 1988.
Wehberg, Hans: Das Problem eines internationalen Staatengerichtshofes, München und Leipzig 1912.
Ders.: Die internationale Beschränkung der Rüstungen. Stuttgart; Berlin 1919.
Ders.: Die internationale Friedensbewegung, Mönchengladbach 1911.
Wernecke, Klaus: Der Wille zur Weltgeltung. Außenpolitik und Öffentlichkeit im Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Düsseldorf 1970.
Young, Harry F.: Maximilian Harden Censor Germaniae. Ein Publizist im Widerstreit von 1892 bis 1927, Münster 1971.
Zorn, Albert: Das Kriegsrecht. Berlin 1906.
Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedenskonferenzen, Stuttgart; Berlin 1920.


9. ANLAGEN

Anlage 1

 

Das am 28.8.1899 vom russischen Außenminister Murawjew überreichte sogenannte „Zarenmanifest“ hatte folgenden Wortlaut:
„Die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens und ein mögliche Herabsetzung der übermäßigen Rüstungen, welche auf allen Nationen lasten, stellen sich in der gegenwärtigen Lage des ganzen Welt als ein Ideal dar, auf das die Bemühungen aller Regierungen gerichtet sein müßten. Das humane und hochherzige Streben seiner Majestät des Kaisers, meines erhabenen Herrn, ist ganz dieser Aufgabe gewidmet. In der Überzeugung, daß dieses erhabene Endziel den wesentlichsten Interessen und den berechtigten Wünschen aller Mächte entspricht, glaubt die Kaiserliche Regierung, daß der gegenwärtige Augenblick äußerst günstig sei, auf dem Wege internationaler Beratung die wirksamsten Mittel zu suchen, um allen Völkern die Wohltaten wahre und dauernden Friedens zu sichern, und vor allem der fortgeschrittenen Entwicklung der gegenwärtigen Rüstungen ein Ziel zu setzen. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre hat der Wunsch nach einer allgemeinen Beruhigung in dem Empfinden der zivilisierten Nationen besonders festen Fuß gefaßt. Die Erhaltung des Friedens ist als Endziel der internationalen Politik aufgestellt worden. Im Namen des Friedens haben große Staaten mächtige Bündnisse miteinander geschlossen. Um den Frieden besser zu wahren, haben sie in bisher unbekanntem Grade ihre Militärmacht entwickelt und fahren fort, sie zu verstärken, ohne vor irgendeinem Opfer zurückzuschrecken. Alle ihre Bemühungen haben gleichwohl noch nicht das segensreiche Ergebnis der ersehnten Friedensstiftung zeitigen können. Da die finanziellen Lasten eine steigende Richtung verfolgen und die Volkswohlfahrt an ihrer Wurzel treffen, so werden die geistigen und physischen Kräfte der Völker, die Arbeit und das Kapitel zum großen Teil von ihrer natürlichen Bestimmung abgelenkt und in unproduktiver Weise aufgezehrt. Hunderte von Millionen werden aufgewendet, um furchtbare Zerstörungsmaschinen zu beschaffen, die bis heute als das letzte Wort der Wissenschaft betrachtet werden und schon morgen dazu verurteilt sind, jeden Wert zu verlieren infolge irgendeiner neuen Entdeckung auf diesem Gebiet. Die nationale Kultur, der wirtschaftliche Fortschritt, die Erzeugung von Werten sehen sich in ihrer Entwicklung gelähmt und irregeführt. Daher entsprechen in dem Maße, wie die Rüstungen einer jeden Macht anwachsen, diese immer weniger und weniger dem Zweck, den sich die betreffende Regierung gesetzt hat. Die wirtschaftlichen Krisen sind zum großen Teil hervorgerufen durch das System der Rüstungen bis aufs äußerste, und die ständige Gefahr, welche in dieser Kriegsstoffsammlung ruht, hat die Armee unserer Tage zu einer drückenden Last gemacht, welche die Völker mehr und mehr nur mit Mühe tragen können.
Es ist deshalb klar, daß, wenn diese Lage sich noch weiter so hinzieht, sie zwangsläufig zu eben der Katastrophe führen würde, welche man zu vermeiden wünscht, und deren Schrecken jeden Menschen schon beim bloßen Gedanken schaudern machen. Diesen unaufhörlichen Rüstungen ein Ziel zu setzen und die Mittel zu suchen, dem Unheil vorzubeugen, das die ganze Welt bedroht, das ist die höchste Pflicht, welche sich heutzutage allen Staaten aufzwingt.
Durchdrungen von diesem Gefühl hat Seine Majestät geruht, mir zu befehlen, daß ich allen Regierungen, deren Vertreter am kaiserlichen Hofe akkreditiert sind, den Zusammentritt einer Konferenz vorschlage, welche sich mit diesen ernsthaften Fragen zu beschäftigen hätte. Diese Konferenz würde mit Gottes Hilfe ein günstiges Vorzeichen des kommenden Jahrhunderts sein. Sie würde in einem mächtigen Bunde die Bestrebungen aller Staaten vereinigen, welche aufrichtig darum bemüht sind, den großen Gedanken des Weltfriedens triumphieren zu lassen über alle Elemente des Unfriedens und der Zwietracht. Sie würde zugleich ihr Zusammengehen besiegeln durch eine solidarische Weihe der Prinzipien des Rechts und der Gerechtigkeit, auf denen die Sicherheit der Staaten und die Wohlfahrt der Völker beruhen.“

( Zitiert nach: Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis. Band II: Die letzten zweihundert Jahre, Freiburg, München 1963 S. 195f.)


Anlage 2

„Russischer Entwurf für das Programm der zweiten Haager Friedenskonferenz

I. Verbesserung der Bestimmungen des Haager Schiedsabkommens vom 29. Juli 1899 über
1. internationale Untersuchungskommissionen;
2. den ständigen Haager Schiedshof.
II. Ergänzung des Abkommens, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, vom 29. Juli 1899, unter anderen durch Bestimmungen über
1. den Beginn der Feindseligkeiten;
2. die Rechte der Neutralen zu Lande;
3. die Deklaration von 1899, insbesondere über die Erneuerung der abgelaufenen Deklaration wegen des Werfens von Geschossen und Sprengstoffen aus Luftschiffen.
III. Ausarbeitung eines Abkommens, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Seekriegs. Das Abkommen soll enthalten Bestimmungen über
1. Spezialoperationen des Seekriegs, wie
a) das Bombardement von Städten, Häfen und Dörfern durch Seestreitkräfte;
b) die Legung von Torpedos;
2. die Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe;
3. das Privateigentum der Kriegführenden auf See;
4. die Gewährung von Fristen für die Handelsschiffe der Kriegsführenden zum Verlassen neutraler oder feindlicher Häfen nach dem Beginne der Feindseligkeiten;
5. die Rechte und Pflichten der Neutralen im Seekrieg, insbesondere
a) die Kriegskonterbande;
b) die Behandlung der Schiffe der Kriegführenden in neutralen Häfen;
c) die Versenkung von neutralen Prisen im Notfalle;
6. die Anwendung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs auf den Seekrieg.
IV. Ergänzung des Abkommens, betreffend die Anwendung der Grundsätze der Genfer Konvention auf den Seekrieg, vom 29. Juli 1899.“
(Zitiert nach GP Bd. 23.1. S. 73.)


zitiert nach Reibstein, Ernst: Völkerrecht Band 2, S. 206. Die Beschlüsse der Konferenz sind außerdem in einem Weißbuch der deutschen Regierung 1908 erschienen; ebenso im Reichsgesetzblatt 1908, S. 5 ff.

GP Bd. 23.2. S.346.

zitiert nach Reibstein, Ernst: Völkerrecht Band 2, S. 209.

Ebd. S.209.

Ebd. S.211. (Somit hatte Marschall die bereits in Punkt 4 Anm. 26 erwähnten Instruktionen Bülows in dieser Frage voll durchsetzen können.)

Ebd. S.212.

Ebd. S. 286f.

Kölnische Volkszeitung [AA], 23.8.1907, S.1.

Weser Zeitung [AA], 16.8.1907, S.1.

Vossische Zeitung, 23.10.1907, S.2.

Berliner Tageblatt, 19.10.1907, S.1.

Teltower Kreisblatt, 20.10.1907, S.2.

Vgl. Dazu z.B. Germania, 21.10.1907, S.1.

Berliner Tageblatt, 20.10.1907, S.1.

Vossische Zeitung, 25.10.1907, S.1.

Berliner Tageblatt, 19.10.1907, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 16.10.1907, S.1.

Vorwärts, 23.10.1907, S. 2.

Ebd. S.2.

Vossische Zeitung, 25.10.1907 S.2.

Neue Preußische Zeitung, 23.10.1907, S.2.

Diese Haltung ließ sich z.B. auch in der Steglitzer Zeitung finden. Diese schrieb in ihrer Zusammen­fassung zur zweiten Haager Konferenz folgendes: „Noch leben wir im Zeitalter des „bewaffneten Friedens“ und sind gezwungen, die Konsequenzen zu tragen. Darum darf man die Bemühungen und Bestrebungen gerne willkommen heißen, die darauf abzielen, der vollkommenen Friedensidee in der Menschheit immer mehr Eingang zu verschaffen. Aber man soll sich nicht darüber täuschen, daß die Überführung dieser hehren Idee in die Praxis sich naturgemäß nur langsam und allmählich vollzieht.“ Ebd. S.1.

Die Zukunft, 20.10.1907.

Deutsche Rundschau, Dezember 1907, S. 465.

Deutsche Revue, November 1907, S. 257.

Ebd. S. 263.

In dieser Reihe veröffentlichte A. H. Fried mehrere Schriften, die sich mit der deutschen und internationalen Friedensbewegung sowie mit den Ergebnissen der Haager Konferenzen beschäftigten. (Vgl. dazu den Literaturanhang.)

Die „Veröffentlichungen des Verbandes für internationale Verständigung“ erschienen seit 1912. Der „Verband für internationale Verständigung“ wurde bereits ein Jahr zuvor, am 11.6.1911, in Frankfurt unter besonders intensiver Einflußnahme von Alfred Hermann Fried, Otfried Nippold, Walter Schücking und Hans Wehberg gegründet. Massenwirksamkeit konnte der Verband jedoch nicht gewinnen, da ihm bis 1914 nur etwa 300 Mitglieder beitraten. Dies war nicht unwesentlich dem stark bildungsbürgerlichen Charakter des Verbandes geschuldet. Zu seinem Vorstand und dem Ausschuß gehörten u.a. Otfried Nippold, Walter Schücking, Wilhelm Foerster, Heinrich Lammasch, Karl Lamprecht, Franz von Lizt, Friedrich Naumann, Martin Rade und Philipp Zorn.  Außerdem saßen nicht weniger als 27 Professoren in diesen beiden Gremien. (Vgl. Dazu: Nippold, Otfried: Ziele und Aufgaben des Verbandes für internationale Verständigung, Stuttgart 1913; und Scheer, F.K.: Die Deutsche Friedensgesellschaft (1892 - 1933) Organisation, Ideologie und politische Ziele, Frankfurt 1983, S. 147 ff.)

Vgl. dazu Nippold, Otfried: Die zweite Haager Friedenskonferenz. Teil 1 und 2, Leipzig 1908/11 und Schücking, Walter: Der Staatenverband der Haager Konferenzen, München und Leipzig 1912.

Förster, Friedrich Wilhelm: Mein Kampf gegen das militaristische und nationalistische Deutschland. Stuttgart 1920, S.125 ff.

Mommsen, Wolfgang J.: Der Topos vom unvermeidlichen Krieg: Außenpolitik und öffentliche Meinung im Deutschen Reich im letzten Jahrzehnt vor 1914, in ders.: Der autoritäre Nationalstaat, Frankfurt a.M. 1990; und Wernecke, Klaus: Der Wille zur Weltgeltung. Außenpolitik und Öffentlichkeit im Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Düsseldorf 1970.

 


Das Berliner Tageblatt entsandte den stellvertretenden Chefredakteur Theodor Wolff nach Den Haag.

Neue Preußische Zeitung, 15.6.1907.

Berliner Börsen Courier [AA], 15.6.1907.

Hamburgischer Correspondent [AA], 15.6.1907.

Berliner Illustrirte Zeitung, 16. Jg. Nr. 26 vom 30.6.1907.

Der Tag, 20.6.1907.

Für die Germania gilt, wie auch für die anderen angeführten Beispiele, daß für den Zeitraum Mitte Juni bis Ende Oktober 1907 insgesamt 176 Ausgaben erschienen sind. Setzt man nun diese Zahl ins Verhältnis zu den 77 Veröffentlichungen bzw. Berichten über die zweite Haager Konferenz, so läßt sich sagen, daß in fast jeder zweiten Ausgabe ein Artikel erschienen ist.

Neue Preußische Zeitung, 19. 6.1907, S.1.

Ebd. S.1.

Aus einem anderen im Berliner Tageblatt erschienen Artikel ist ersichtlich, daß man dem deutschen Delegierten Marschall von Bieberstein mehr diplomatisches Geschick zutraute, als dem ersten deutschen Delegierten von 1899, Graf Münster. Letzterer wurde mit den Worten zitiert: „Was soll ich dort? Können sie mir sagen, was ich dort eigentlich soll? Man  braucht die Taktik, die Deutschland in der Abrüstungsfrage eingeschlagen, nicht sehr glücklich zu finden, aber Herr v. Marschall wird wenigstens wissen, was er im Haag „eigentlich soll“. Er soll von unseren wirklichen Interessen natürlich nichts opfern. Aber er soll auch sagen, daß die Stimmung, der Welt dort draußen einen überfeinen Skeptizismus nur wenig günstig ist.´“ Berliner Tageblatt, 10.6.1907.

Berliner Tageblatt, 15.6.1907, S1.

Ebd. S.1.

Vossische Zeitung, 15.6.1907 S.1.

Germania, 16.6.1907 S.1.

Vorwärts, 16.6.1907, S.2/3.

Der „Bund der Landwirte“ sah seine Aufgabe folgendermaßen: „ Der Zweck des Bundes ist, alle landwirtschaftlichen Interessen ohne Rücksicht auf politische Parteistellung und Größe des Besitzes zur Wahrung des der Landwirtschaft gebührenden Einflusses auf die Gesetzgebung zusammenzuschließen, um der Landwirtschaft eine ihrer Bedeutung entsprechende Vertretung in den parlamentarischen Körperschaften zu verschaffen.“ (Lexikon zur Parteiengeschichte. Band 1,  S. 244. ) 1907 hatte der Bund der Landwirte 283.000 Mitglieder und besaß eine Vielzahl von Publikationsorganen, zu denen auch die Deutsche Tageszeitung mit einer Auflage von etwa 40.000 Stück, gehörte. (Ebd. S. 242.)

Deutsche Tageszeitung, 15.6.1907; zitiert nach Vorwärts, 16.6.1907, S.3.

Diese erschienen am 15.8. und 20.10.1907.

GP Bd. 23.1., S. 272.

Staatsarchiv Potsdam, Nachlaß Hammann Hefter 11, Blatt 50. Der Brief an Bülow enthielt außerdem noch die sehr interessante Mitteilung, daß dem „Berliner Tageblatt ... in Folge Friktionen im Auswärtigen Amt so gut wie alle Nachrichten entzogen seien“ und somit eine Unterstützung der auswärtigen Politik nicht möglich wäre. Bülow schrieb dazu in einer Anmerkung: „Wir wollen das nicht weiter übelnehmen, sondern (...) das B.T. für unsere auswärtige Politik gewinnen.“

Vgl. dazu auch Wernecke, Klaus: Der Wille zur Weltgeltung. Düsseldorf 1970, S. 19 ff.

GP Bd. 23.1. S.274.

Vossische Zeitung, 24.10.1907, zweite Beilage, S.1.

Ebd.

Weser Zeitung [AA]  und Kölnische Zeitung [AA] jeweils 16.8.1907.

Berliner Tageblatt, 25.7.1907, S.1.

Kölnische Zeitung [AA], 31.7.1907.

Frankfurter Zeitung [AA], 31.7.1907.

Deutsche Tageszeitung [AA], 1.8.1907.

Vergleiche dazu die Darstellung der englischsprachigen Presse im Abschnitt 5.1.

Kölnische Zeitung [AA], 30.7.1907.

Berliner Tageblatt, 31.7.1907.

Berliner Tageblatt, 26.9.1907.

Hamburger Nachrichten [AA], 8.8.1907.

Wörtlich führte er dazu aus: „Es werden zwei Artikel ausgearbeitet, welche zwischen den äußeren Polen der Verpflichtung und des freien Ermessens hin und her schwanken, und diese Bestimmungen will man der Welt als das sicherstes Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten empfehlen. (...) Der Schiedsspruch kann Abänderung der Gesetzgebung eines Staates fordern. Kein Parlament wird in gesetzgeberischen Angelegenheiten die künftigen unbekannten von der Exekutivgewalt gewählten Schiedsrichter als Konkurrenten annehmen wollen. Der erste Artikel des Entwurf sagt, daß der Schiedsspruch interpretativen Wert haben werde. Nun, die nationalen Gerichte werden die Interpretation nur dann als authentisch annehmen, wenn das Urteil Gesetzeskraft hat. Es handelt sich da um das Ansehen der nationalen Gerichtsbarkeit.  (...) Deutschland, welches vor acht Jahren noch zögerte, hat seither auf der Grundlage des individuellen Systems obligatorische Schiedsverträge in allgemeiner Form und für besondere Angelegenheiten abgeschlossen. Es wird diesen Weg auch in Zukunft gehen. Bei der heutigen Abstimmung wird es sich also nicht um die Frage handeln, ob ein obligatorisches Schiedsgericht in der Welt einzuführen ist oder nicht, sondern um die Frage: Soll man beim individuellen System bleiben, das seine Proben abgelegt hat, oder soll man das mondiale System einführen, dessen Lebensfähigkeit noch nicht feststeht?“ zitiert aus: Germania, 8.10.1907.

Germania, 8.10.1907.

Berliner Lokal - Anzeiger [AA], 3.9.1907.

Frankfurter Zeitung [AA], 27.8.1907.

Kölnische Zeitung [AA], 4.9.1907.

Dies gilt natürlich nicht für die Haltung der deutschen Sozialdemokratie. Zu deren Haltung siehe Abschnitt 5.2.5.

Hamburgischer Correspondent [AA], 4.7.1907, S.1.

Kölnische Volkszeitung [AA], 22.6.1907, S.1.

Vgl. dazu z.B. Kölnische Zeitung [AA], 22.6.1907, S.1. (Die Überschrift zu diesem Artikel lautete: „Deutschland - Ein Wegweiser für die Friedenskonferenz.), Weser Zeitung [AA], 22.6.1907, S1. oder Berliner Tageblatt, 22.6.1907, S.1.

Deutsche Tageszeitung [AA], 24.6.1907, S.1.

Vossische Zeitung, 21.6.1907, S1.

Alle in diesem Abschnitt angeführten Zitate beziehen sich auf den Artikel der Vossischen Zeitung. Ebd. S.1

Ludwig von Bar war seit 1879 ordentlicher Professor der Rechte in Göttingen. Von 1890-93 vertrat er die Freisinnige Partei im Reichstag. 1891 war er Präsident des Institut de droit International und später Mitglied des internationalen Schiedsgerichtshofes in Den Haag.. 1889 veröffentlichte er „Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts. (Angaben aus: Deutsches Zeitgenossenlexikon, Leipzig 1905, Spalte 45.)

Berliner Tageblatt, 28.6.1907, S.1.

Vgl. dazu Kölnische Zeitung [AA], 27.9.1907, S.3.

Berliner Tageblatt, 19.10.1907, S.1.

Zu den Gründen für diese einhellige Ablehnung vgl. Abschnitt 4.1.

Kölnische Volkszeitung [AA], 23.7.1907, S.1.

Hamburgischer Korrespondent [AA], 26.7.1907, S.1.

Kölnische Volkszeitung [AA], 11.8.1907, S.1.

Berliner Tageblatt, 19.8.1907, S.1.

Hier verwies das Berliner Tageblatt auf die Arbeit hinter den Kulissen, die bereits im Abschnitt 5.1. dargestellt wurden. 

Berliner Tageblatt, 19.8.1907, S.1.

Germania, 21.8.1907, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 21.8.1907, S1.

Vgl. Kölnische Zeitung [AA], 20.8.1907, S.1.

Vgl. Frankfurter Zeitung [AA], 21.8.1907, S1.

Vgl. Berliner Tageblatt, 19.8.1907, S.1.

Die Zukunft, 17.8.1907, S. 244 f.

Deutsche Rundschau, August 1907, S. 306 f.

Die Hilfe, 30.6.1907; 7.7.1907 und 4.8.1907.

Dies konnte jedoch vom Verfasser der vorliegenden Arbeit nicht nachgeprüft werden, da die Zeitschriften nicht immer aktuellen Ereignissen kurzfristig Rechnung tragen konnten, ein früher Redaktionsschluß verhinderte dies oft. Eine wichtige und weiterführende Arbeit wäre es jedoch, einmal zu prüfen, welchen Wert die Zeitschriften des Deutschen Reiches nach der zweiten Haager Konferenz Themen wie Schiedsgerichtsbarkeit, Völkerverständigung und Abrüstung beimaßen. In dem von Jost Dülffer und Karl Holl herausgegebenen Sammelband: „Bereit zum Krieg. Kriegsmentalität im wilhelminischen Deutschland 1890 - 1914“, Göttingen 1986, ist hier ein Anfang gemacht worden, jedoch erscheint die Umkehranalyse „Bereit zum Frieden?“ nicht minder reizvoll. Der Versuch dafür ist, soweit der Verfasser die Literaturlage überblickt, noch nicht unternommen worden. Die Finalsicht vom ersten Weltkrieg zurück auf die Ereignisse scheint immer noch übermächtig; alternative Vorstellungen und Ideen in der deutschen Gesellschaft werden dagegen nur selten beschrieben.

Walter Schücking, geb. 1874, war bis 1899 Privatdozent für Rechtsgeschichte und Staatsrecht und seit 1902 Professor für öffentliches Recht in Marburg. Schücking war neben Hans Wehberg in der Deutschen Friedensbewegung vor dem ersten Weltkrieg aktiv; beide vertraten hier den völkerrechtlich orientierten Flügel. In einer Vielzahl von Schriften setzte sich Schücking für die Fixierung des Völkerrechtes und die Weiterführung des Schiedsgerichtsprinzips ein. (Vgl. dazu den Literaturanhang.)

Die Zukunft, 17.8.1907, S. 244 f.

Die Hilfe, 4.8.1907.

Die Hilfe, 30.6. 1907; Deutsche Rundschau, August 1907.

Deutsche Revue, August 1907 S. 129-133.

Die Hilfe, 30.6. 1907.

Deutschen Rundschau, Dezember 1907, S.463.

Vgl. dazu Braunthal, Julius: Geschichte der Internationale. Band 1, Berlin; Bonn; Bad Godesberg 1974.

So bezeichnete z.B. der englische Delegierte Harry Quelch die Haager Zusammenkunft als ein „Abendmahl von Dieben“ (a thiefs´ supper), worauf er von der württembergischen Regierung ausgewiesen wurde. Der leere Stuhl wurde daraufhin von den Kongreßteilnehmern mit seinem Kongreßabzeichen und einem Lorbeerzweig geschmückt. (Vgl. dazu: Der internationale Sozialistenkongreß zu Stuttgart, 18.-24. August 1907. Berlin 1907, S. 49.)

Vorwärts, 25.8.1907.

Ebd.

Ebd.

Der internationale Sozialistenkongreß zu Stuttgart, 18. - 24. August 1907. Berlin 1907, S. 92.

Zitiert bei Braunthal, Julius: Geschichte der Internationale. Band 1, Berlin; Bonn; Bad Godesberg 1974, S. 342 f.

Vorwärts, 25. 8.1907.

Berliner Tageblatt, 28.8.1907, S. 1f.

Germania, 4.9.1907, S.1.

Vossische Zeitung, 18.9.1907, S.1.

Ebd. S.1.

 


Frankfurter Zeitung [AA] 17.2.1907, S.2.

Ebd. S.2. Dieser Kommentar der Frankfurter Zeitung fand sich in den Akten des Auswärtigen Amtes und war mit einem amtlichen Vermerk „sehr gut“ versehen. Leider ließ sich nicht mehr klären, von wem diese Anmerkung gemacht wurde.

Hamburger Nachrichten [AA] 13.2. 1907, S.1.

Die Hilfe, 28.4.1907.

Die Hilfe, 12.5.1907.

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 - 1918. Bd. 2, S.632 ff.

März, Halbmonatsschrift für deutsche Kultur [AA] 1.3.1907, S.395.

Berliner Börsen Courier [AA], 3.5.1907, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 13.2.1907, S.1.

Kölnische Zeitung [AA], 13.6.1907, S.1.

Preußische Jahrbücher, 128. Bd. Mai 1907 S. 369 - 381. (Alle weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt beziehen sich auf diesen Artikel.)

Delbrück meinte, daß „Deutschland das große Werk einer Eisenbahn von Konstantinopel nach Bagdad, ohne jeden Hintergedanken einer politischen Machterweiterung“ betrieben habe, was sich so sicherlich nicht halten läßt. Bei der Planung und Verwirklichung der „Bagdad-Bahn“ spielten neben zunächst wirtschaftlichen Interessen auch bald politische Überlegungen eine entscheidende Rolle. Marschall von Bieberstein, der seit 1897 Botschafter in Konstantinopel war, entwarf Ende der 1890er Jahre ein Zukunftsbild, welches diese beiden Faktoren des deutschen Engagements im Orient verdeutlichte: „Wenn ich ein Zukunftsbild ausmale, wie die Dinge sich einst gestalten werden, wenn Deutschland fortfährt, sich im Orient wirtschaftlich auszustrecken, - der Hafen von Haidar-Pascha, dem zu erheblichen Teil auf deutschen Schiffen deutsche Waren zugeführt werden, die Bahnlinie von dort bis Bagdad ein deutsches Unternehmen, das nur deutsches Material verwendet und zugleich für Güter und Personen die kürzeste Linie bildet aus dem Herzen Deutschlands nach seinen ostasiatischen Besitzungen - so tritt dem vorschauenden Auge der Moment entgegen, in dem der berühmte Ausspruch, daß der ganze Orient nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert sei, eine interessante historische Reminiszenz, aber keine aktuelle Wirklichkeit mehr bildet.“ (Zitat bei Mommsen, Wolfgang J. Großmachtstellung und Weltpolitik. Frankfurt am Main; Berlin 1993 S. 194.) (Vgl. zur Bagdadbahnfrage ebd. S. 190- 198.)

Das „Trauma“ Marokko tauchten in vielen Zeitungen und Zeitschriften immer wieder auf. Durch die Verhandlungen auf der Konferenz von Algeciras 1906 war für die deutsche Öffentlichkeit deutlich geworden, daß man in Europa „isoliert“, wenn nicht bereits „eingekreist“ sei und die Bülowsche Politik der „freien Hand“ mehr oder weniger gescheitert war.

Gleichlautende Überlegungen konnten jedoch in anderen Zeitungen bzw. Zeitschriften nicht gefunden werden, so daß davon auszugehen ist, daß in der deutschen Öffentlichkeit kein Resonanzboden für diese Art von Gedanken vorhanden war.

Vgl. dazu Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955 S. 105 f.

Ebd. S. 107 ff.

Die Zukunft, 13.4.1907, S. 39 - 50.

Die Zukunft, 27.4.1907, S. 131 - 135.

Hier irrte Harden, von dem der Artikel mit großer Wahrscheinlichkeit stammte. Die deutsche Politik machte durch keine offiziellen Äußerungen den Eindruck, daß sie sich auf Abrüstungsgespräche einlassen werde. Vgl. dazu Abschnitt 4 dieser Arbeit.

Karl von Thaler, geb. 1836, Schriftsteller, arbeitete als Redakteur an der Neuen Freien Presse in Wien, veröffentlichte aber auch in anderen Zeitschriften Artikel. (Angaben aus: Deutsches Zeitgenossen-Lexikon, Leipzig 1905, Sp. 1456.

Deutsche Revue, April 1907, S.2.

GP Bd. 23.1., S. 264.

Ebd. S. 266.

Hierbei handelte es sich eigentlich nur um einen formalen Akt. 1906 hatte in Genf eine Konferenz stattgefunden, die eine Neugestaltung der Genfer Konvention für den Landkrieg erarbeitet hatte. Diese Grundsätze wurden nun auch auf den Seekrieg angewandt.

So in einem Telegramm des deutschen Botschafters in London Graf von Metternich an das Auswärtige Amt vom 14. Juli 1907. GP Bd. 23.2. S.323.

Ebd. Anm. **.

Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig. Dülffer sieht sie eher darin, daß man einer drohenden Isolierung Englands entgegenarbeiten wollte und sich deshalb dem portugiesischen Vorschlag, den der Vertreter Portugals Marquis de Soveral auf einer Reise nach London erläutert hatte, annäherte. (S.315) In der „Großen Politik der Europäischen Mächte“ sah man neben dieser Reise Soverals nach London auch die Rücksicht der englischen Regierung auf die öffentliche Meinung als Gründe für diesen Wechsel an (S. 331).

GP Bd. 23.2. S. 326 ff. und 343.

Diese Rede wurde in gekürzter oder auch vollständiger Form in fast allen deutschen Tageszeitungen abgedruckt und erregte im In- und Ausland große Beachtung. Dülffer dagegen übergeht sie in seinen Ausführungen fast vollständig und konstatiert nur die Ablehnung eines Weltschiedsvertrages ohne die Veränderung der deutschen Position kritisch zu würdigen (S.317). Imanuel Geiss soll hier wenigstens kurz erwähnt werden. Seine Ausführungen zu den beiden Haager Konferenzen (in: Der lange Weg in die Katastrophe. Die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges 1815 - 1914, München 1990, S. 217 ff.) sind jedoch wenig aufschlußreich und bieten im Vergleich zu Dülffer keinerlei neuen Ansatzpunkte. Geiss verzichtete sogar darauf die veränderte Haltung der deutschen Regierung zur zweiten Haager Konferenz auch nur ansatzweise darzustellen.

GP Bd. 23.1. S.291.

The Daily News [AA], 29.7.1907.

The Standard [AA], 29.7.1907.

Zentrales Staatsarchiv Potsdam: Auswärtiges Amt Abteilung III a (Rechtsabteilung) 36 344 bis 36 349, Preßstimmen über die zweite Friedenskonferenz, Bd. 1-6, 1907.

Die gesammelten Artikel  enthalten oftmals, neben der für Bülow typischen Signatur „B“ und seinem „System“ von Strichen, den Vermerk: „an die Delegation in Den Haag weiterreichen“.

GP Bd. 23.1. S.271.

Ebd. S. 272.

Anmerkung des Kaisers: „unmöglich!“

GP Bd. 23.2. S.330.

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Berlin 1981, S.319.

Ebd. S.319.

Marschall bemühte sich auf der Konferenz „eine qualitativ so starke Minorität zu schaffen, daß von einer „quasi unanimite“ nicht mehr die Rede sein“ konnte. Dies gelang ihm auch in Verhandlungen und Gesprächen mit den aufgeführten Vertretern. Auch ist aus seinen Berichten nicht ersichtlich, daß Deutschland in irgendeinerweise auf der Konferenz isoliert wurde. Italien und besonders England bemühten sich um die Erstellung einer kleinen Liste in der obligatorische Streitfälle verzeichnet wären, Deutschland lehnte diese Darstellung jedoch ab. (GP Bd. 23.2. S. 340).

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Berlin 1981, S.317.

GP Bd. 23.2. S.349.

GP Bd. 23.2. S. 350 ff.; S. 359 ff.; S. 367 ff. ; S. 378f.

GP Bd. 23.2. S. 359.

GP Bd. 23.2. S.374.

Ebd. S. 377.

Metternichs Überlegungen fanden sich, wie bereits beschrieben, auch in den Tageszeitungen wieder.

Ebd. S. 378 Anmerkung *.

Ebd. S.378 Anmerkung *. Es ist aus der „Großen Politik der Europäischen Kabinette“ nicht ersichtlich, welche Instruktion die deutsche Delegation letztendlich zu dieser Frage erhielt. Es müssen jedoch noch eindeutige Anweisungen ergangen sein, da Marschall in der ersten Kommissionsitzung den Antrag auf Schaffung eines internationalen Prisengerichtshofes einbrachte.

In der „Großen Politik der Europäischen Kabinette“ wird in Bd. 23.2. S.385 darauf verwiesen, daß „über diese wichtige Materie (es) völlig an Berichten der deutschen Delegation (fehlt), obwohl nach allgemeinem Urteil nicht nur die deutsche Vorbereitung hier eine besonders gründliche, sondern auch der Anteil der deutschen Delegation an den Verhandlungen und Ergebnissen ein ganz eminenter war.“

Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedenskonferenzen. Berlin 1920 S. 58f.

Ebd. S.62.

Man einigte sich über die Blockade in Kriegszeiten, den Konterbandebegriff, die Zerstörung neutraler Prisen, Widerstand gegen Durchsuchung der Schiffe, Schadensersatz bei ungerechtfertigter Beschlagnahme u.a.m.

Vgl. dazu GP Bd. 23.2. S.391 Anmerkung * und Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedens­konferenzen. Berlin 1920 S. 62 ff.

Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Bd. 2 S. 212f.

GP Bd. 23.2. S.313 ff.

Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Bd. 2 S. 213.

Es erscheint doch etwas übertrieben, wenn Dülffer schreibt, daß die Abrüstungsfrage „durch das Wettrüsten zwischen England und Deutschland (1907) zum zentralen Problem der europäischen Ordnung geworden“ war.  Und dieses Problem „wenigstens partiell“ hätte abgebaut werden können. (Ebd. S.298) Nicht einmal die überzeugtesten Pazifisten, wie z.B. A. H. Fried, gingen 1907 davon aus, daß Abrüstung auch nur punktuell möglich gewesen wäre. Fried z.B. schrieb in einem Artikel für den „Hamburgischen Korrespondent“ am 28.9.1907 folgendes: „So hat die zweite Haager Konferenz natürlich nicht den Krieg beseitigt, nicht die Rüstungen erleichtert; das war aber auch nicht ihre Aufgabe. Sie hat aber ganz bedeutend den Weg geebnet, auf dem man zum schließlich gesicherten Frieden der Kulturmenschheit gelangen wird.“ Durch Annäherung der Staaten untereinander und der Fixierung der Beziehungen in Verträgen sollte ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, durch welches eines Tages Abrüstung automatisch erfolgen würde.

 


Zorn, a.a.O. S.23. Vgl. auch Wehberg, Hans: Die Beschränkungen der Rüstungen, Berlin 1919, S. 184 ff. ; Schücking, Walter: Der Staatenverband der Haager Konferenzen, München und Leipzig 1912 und Wehberg, Hans: Das Problem eines internationalen Staatengerichtshofes, München und Leipzig 1912.

Die Haltung des Deutschen Reiches im Vorfeld der zweiten Haager Konferenz zur Abrüstungsfrage wird im Kapitel 4 näher erläutert.

Vgl. Kapitel 2.1.2. dieser Arbeit.

Die „Große Politik der Europäischen Kabinette 1871-1914“ verzeichnet zu diesen Problemkreisen keine Reaktion von Bülow oder Wilhelm II.

Kommentar Wilhelm II.: an mir solls nicht liegen! aber mit dem knabenhaften Träumer (Nikolaus II. - M.B.)! wie soll das auf Dauer werden!!?

Kommentar Wilhelm II.: das ist mir mehr als fraglich!

GP Bd. 15, S.305.

Ebd. S.306.

Kommentar Wilhelm II.: Bravo!

GP Bd. 15, S.354 ff.

Von Philipp Eulenburg ist dazu folgende Darstellung überliefert: „Soeben (22. Juli 1899) hatte ich Vortrag bei seiner Majestät. Nach der Lektüre eines vortrefflichen Berichtes von Münster über die Haager Konferenz sagte der Kaiser: „Es ist meine Absicht, Münster nach Ablauf der Konferenz zum Fürsten zu machen; zum Fürsten von Derneburg. (...) Münster hat sich hervorragend benommen - ist die Säule der Vernünftigen gewesen.´“ Zitat aus: Philipp Eulenburgs Politische Korrespondenz, hrsg. von John C.G. Röhl, Band III, Krisen, Krieg und Katastrophen 1895 - 1921 Boppard a.R. 1983 S. 1956. Anders liest sich dagegen die Darstellung der Fürstung Münsters in einem Privatbrief Holstein an Hatzfeld. Hier hieß es: „Münster ist vertrottelt, das ist die einzige Entschuldigung für ... das, was er im Haag uns eingerührt hat. Kennen Sie die Geschichte seiner Fürstung? Philipp Eul[enburg], der ein aalglatter Höfling ist (...) hatte ohne Anfrage beim AA dem Kaiser vorgeschlagen, Münster die Kette zum Hohenzollernorden zu geben, was dann auch auf dem beliebten direkten Wege geschah. Münster ließ darauf durch August Eul[enburg] dem Kaiser seinen Dank für das gnädige Vorhaben aussprechen, mit dem Hinzufügen, daß er die Kette bereits seit längeren Jahren (1885) besitze. Aug[ust] Eul[enburg] schlug darauf den Stern der Großkomture vor, der Kaiser erwiderte aber: nein, Stern sei nur für ganz außerordentliche Fälle. Er wollte sich etwas anderes ausdenken - und so wurde der alte Esel Fürst.“ Hatzfeld-Wildenburg, Paul Graf von: Nachgelassene Papiere: 1838 - 1901, Boppard am Rhein, S. 1250f.

Mommsen, Wolfgang, J.: Großmachtstellung und Weltpolitik. S. 158.

Freisinnige Zeitung, 28.7.1899, S. 1.

Vossische Zeitung, 23.7.1899, S.1.

Germania, 3.8.1899, S.1.

Ebd. S.1.

Berliner Tageblatt, 10.7.1899, S.1.

Berliner Tageblatt, 25.7.1899, S.1.

Max Nordau, geb. 1849, Arzt und Schriftsteller, lebte seit 1880 in Paris und war seit 1897 Mitarbeiter in der zionistischen Bewegung; gleichzeitig war er Vertreter der Vossischen Zeitung in Paris. (Angaben aus Deutsches Zeitgenossenlexikon. Leipzig 1905, Sp.1030.

Deutsche Revue, August 1899, S. 208 - 212.

Ebd. S. 212.

Neue Preußische Zeitung, 8.8.1899, S.1.

Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung, 1899 Sp. 721f.

Ebd. Sp. 770.

Bereits Friedrich Gentz registrierte, in der oben erwähnte Kritik zu der Schrift von Immanuel Kant „Zum ewigen Frieden“, das Verhalten größerer Staaten, Verträge zu zerreißen, wenn sie nicht mehr ihren Interessen entsprachen. a.a.O. S. 271.

Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland, 56. Jg. 1899, S.973.

Vgl. dazu auch den Abschnitt 1.1.2. und die darin enthaltenen Ausführungen zur „Heiligen Allianz“, sowie die Fußnote 60 in Abschnitt 1.1.2.

Vorwärts, 2.7.1899, S.2.

Vorwärts, 26.7.1899, S.1.

Vorwärts, 1.8.1899, S.1.

Die Zukunft, 12.8.1899, S.311.

Ebd. S. 312.

Vgl. dazu Young, Harry F.: Maximilian Harden, Censor Germaniae. Münster 1971, S. 79 ff.

Vgl. zur Geschichte der Interparlamentarischen Union das Buch von R. Uhlig: Die Interparlamentarische Union 1889-1914. Köln 1988.

Ob es sich dabei um Wahlpropaganda handelte ist nicht auszuschließen, fanden doch im November 1904 Präsidentschaftswahlen statt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch das Ergebnis: Ein Rundschreiben an die Signatarmächte der ersten Haager Konferenz.

Vgl. Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg. Berlin 1981, S. 261.

Ebd. S. 262.

Ebd. S. 216f.

Venezuela konnte seine Schulden nicht mehr bezahlen und mußte sogar die Zinszahlungen einstellen. Daraufhin intervenierten Deutschland, Großbritannien und Italien militärisch. Dem Diktator Venezuelas Cipriano Castro gelang es den Fall, vor das Haager Schiedsgericht zu bringen wo dann den Gläubigerstaaten Recht gegeben wurde, jedoch die USA mit der Durchsetzung des Schiedsspruches beauftragt wurden. Negativ für die Kontrahenten war dabei jedoch noch, daß die Kosten des Prozesses an alle Beteiligten weiter gegeben wurden, so daß sich der deutsche Gesandte im Haag Schlözer mit folgenden Worten äußerte: „Wenn übrigens die Kosten des Schiedshofes im selben Maße wachsen, wie es bei des Venezuelaangelegenheit des Fall ist, könnten bald selbst die Sozialisten auf die Idee kommen, daß der bewaffnete Frieden noch praktischer und billiger ist als die teuren und endlosen Conferenzen des Haager Schiedshofes.“ Vgl. Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg. Berlin 1981, S. 217-225.

Ebd. S. 279.

Der Begriff „Einkreisung“ deutete auf ein Gefühl in einigen Teilen der deutschen Öffentlichkeit hin, das von einer empfundenen Bedrohung zeugte. Das Bülowsche Prinzip der „freien Hand“ war augenscheinlich gescheitert und die Kritik am „persönlichen Regiment“ des Kaisers wurde immer lauter. Vgl. Mommsen, Wolfgang, J.: Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870-1914, Frankfurt a.M.; Berlin 1993, S.170 ff.

Vgl. dazu Handbuch der europäischen Geschichte, Band 6, Stuttgart 1968, S. 110 ff. und Mommsen, Wolfgang, J.: Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870-1914, Frankfurt a.M.; Berlin 1993, S.139 - 181.

GP Bd. 23.1., S. 58.

Ebd. S.64.

Vgl. GP Bd. 23.1., S.73. Den vollständigen Text siehe Anlage 2.

Ebd. S.72.

Ebd. S. 76f.

Ebd. S. 86f.

Ebd. S.77.

Ebd. S. 81 Anmerkung *.

Mommsen, Wolfgang, J.: Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870-1914, Frankfurt a.M.; Berlin 1993, S. 177.

GP Bd. 23.1, S. 90.

Ebd. S. 84.

GP Bd. 23. 1., S. 116; S. 126; S. 131 und  S. 132.

Ebd. S. 163.

Ebd. S. 197f.

Protokolle der 42. Reichstagssitzung, S. 1252.

GP Bd. 23.1., S. 223.

„Diese Entwürfe betrafen 1. die Verbesserung der Bestimmungen des Haager Schiedsabkommens vom 29. Juli 1899; 2. Ergänzung zur Haager Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs; 3. Abkommen betreffend die Gesetze  und Gebräuche des Seekriegs; 4. Reglement für das internationale Oberprisengericht im Haag; 5. Ergänzung des Haager Abkommens betreffend die Anwendung der Genfer Konvention auf den Seekrieg vom 29. Juli 1899.“ Ebd. S. 258. Die deutschen Vorstellungen zu den Einzelfragen sind in der „Großen Politik der Europäischen Kabinette“ nicht abgedruckt. Jedoch verwies Bülow in seinen Instruktionen ausdrücklich darauf, daß sie für die deutsche Delegierten maßgebend seien. Durch die nicht sehr ausführliche Korrespondenz, der deutschen Delegation, auf die später noch eingegangen werden wird, kann davon ausgegangen werden, daß die Instruktionen eindeutig genug waren.

Wie bereits erwähnt hatte das Deutsche Reich mit England einen solchen obligatorischen Schiedsvertrag 1904 unterzeichnet. Jedoch gab es wegen der Auslegung widersprüchliche Anschauungen. Deutschland hatte die Absicht angekündigt einen Fall aus dem Burenkrieg vor das Haager Gericht zu bringen, wo das Verhalten englischer Truppen und Behörden deutschen Untertanen gegenüber geklärt werden sollte. England jedoch weigerte sich rigoros, die Erledigung des Streites nach Den Haag zu überweisen. Ebd. S. 260.

Die Dragotheorie wurde 1902 während der Blockade von Venezuela vom argentinischen Außenminister Louis M. Drago entworfen. Ihr Inhalt war folgender: Wenn ein Staat zur Schuldeneintreibung militärische Gewalt einsetzt, ist dieses nicht von vornherein legitim. In einer am 29.12.1902 in Washington überreichten Note hieß es: „Der Leihgeber (von Geld) weiß, daß er einen Vertrag mit einem souveränen Wesen abschließt, und es ist eine innewohnende Qualifikation jeder Souveränität, daß keine Vorkehrungen für die Ausführung eines Urteils dagegen eingerichtet oder ausgeführt werden, da die Art der Eintreibung seine Existenz gefährden würde.“ (Zitiert bei Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Berlin 1981, S. 239) Dabei spielte die Angst vor einer möglichen Aufteilung Südamerikas, durch militärische Intervention von Geberländern eine große Rolle. Drago lehnte also die militärische Intervention eines europäischen Staates, zur Schuldeneintreibung, in Südamerika ab. Dies betrachtete er auch der Monroe-Doktrin widersprechend. Unter den südamerikanischen Staaten gelangte diese Theorie zu großer Popularität, ließ sie doch die Bezahlung der Schulden als nationales Souveränitätsrecht erscheinen, daß von keinem Staat in Frage gestellt werden dürfte. Die Behandlung dieser Frage auf der zweiten Haager Konferenz ließ eine besondere Brisanz erwarten, waren doch die südamerikanischen Staaten fast ausschließlich Kreditnehmer. (Ebd. S. 239 ff.)

GP Bd. 23.1., S. 264.

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Berlin 1981, S. 301.

So hatten z.B. die Kölnische Zeitung, die Frankfurter Zeitung, die Neue Preußische Zeitung, das Berliner Tageblatt und die Vossische Zeitung eigene Berichterstatter nach Den Haag entsandt. Ersichtlich ist dies aus den ersten Berichten der entsprechenden Zeitungen zu den Verhandlungen auf der zweiten Haager Konferenz. Diese waren entweder überschrieben mit „von unserem Berichterstatter im Haag“, so in der Neuen Preußischen Zeitung vom 20.6.1907, oder „persönlicher Bericht von (dem stellvertretenden Chefredakteur) Theodor Wolff“ im Berliner Tageblatt vom 15.6.1907.

 


Vgl. dazu: Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedenskonferenzen, Stuttgart und Berlin 1920 S. 18.

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? S. 69 ff.

Zorn schrieb dazu: „Der Vollzug der Urteile wurde von Treu und Glauben des internationalen Staatenverkehrs erwartet, und man betrachtete dies als ausreichende Bürgschaft des Vollzugs.“ a.a.O. S.28.

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg?  S.79.

Ebd. S.80.

GP, Bd. 15, S.182.

Holstein schrieb in einem Privatbrief an den Grafen Münster, daß der „Kaiser Leute wählte, die sich bei Vertretung seiner Anschauungen bereits bewährt hatten“ und bei denen die „Reichstreue außer Zweifel“ stand. Hatzfeld-Wildenburg, Paul Graf von: Nachgelassene Papiere: 1838 - 1901, Boppard am Rhein, S. 1215.

Ebd. S. 1215.

GP, Bd. 15, S.182.

Ebd. S.182.

Ebd. S. 189.

Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedenskonferenzen, Stuttgart und Berlin 1920 S. 16.

GP Bd. 15, S. 189 ff.

Ebd. S.196.

Vgl. dazu Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? S.69 ff.

GP Bd. 15, S.253 ff.

Ebd. S.261.

Holstein war jedoch bereits 1899 bereit, in Einzelfragen ein Schiedsgericht gutzuheißen. So akzeptierte er z.B. den Vorschlag Hatzfelds, zur Verteilung der Samoa Inseln ein Schiedsgericht einzusetzen, eher, als darüber zu „knobeln“, wie es Salisbury vorgeschlagen hatte. Vgl. dazu: Hatzfeld-Wildenburg, Paul Graf von: Nachgelassene Papiere: 1838 - 1901, Boppard am Rhein, S. 1227; S. 1234; S. 1238.

GP Bd. 15, S. 285f.

Berliner Tageblatt, 18.5.1899, S.1.

Germania, 19.5.1899, S1.

Vossische Zeitung, 17.5.1899, S.1. Hier hieß es: „Denn an einen „ewigen“ Frieden glaubt und denkt gegenwärtig kein ernster Politiker. Aber wenn die Konferenz auch nur dazu beitrüge, daß unter hundert Streitfällen, die sonst zum Kriege führten, ein einziger friedlich beigelegt, daß das Mißtrauen zwischen einzelnen Regierungen gemildert, hier und da ein Mißverständnis aufgeklärt, mancher barbarischer Kriegs­brauch beseitigt würde, so wäre schon das ein Erfolg, zu dem man den Zaren und die Völker beglückwünschen dürfte.“

So schrieb z.B. die Neue Preußische Zeitung am 14.6.1899 auf Seite 1: „Inzwischen aber tagt die ... Friedenskonferenz weiter, und wie wir gleich anfangs vermutheten, läßt sich ein praktisches Resultat von ihr nicht mehr erwarten. Sowohl die Idee der Abrüstung oder doch eines Stillstandes der Rüstungen, wie der große Gedanke einer Humanisierung des Seekrieges ist gefallen.“

Vorwärts, 21.5.1899, S.1.

Freisinnige Zeitung, 18.5.1899, S.1.

Zorn schrieb in seinen Erinnerungen zur Haltung der Presse in Deutschland: „Die deutsche Presse tat nur wenig, um das deutsche Volk über die Haager Konferenz in richtiger Weise zu unterrichten; vom Auswärtigen Amt geschah jedenfalls nicht das mindeste in dieser Richtung. Dies darf unbedenklich behauptet werden; die starke Einwirkung des Auswärtigen Amtes auf die großen, auch im Ausland weitverbreiteten Preßorgane des deutschen Westens (Kölnische und Frankfurter Zeitung) war allgemein bekannt; der Wunsch des Auswärtigen Amtes nach einer eingehenden wohlwollenden Behandlung der Haager Konferenzfragen wäre sicherlich von diesen erfüllt worden; aber eine solche Anregung erfolgte zweifellos nicht.“  a. a. O. S.43. Auch diese Aussage Zorns muß zumindestens stark relativiert werden. Die vom Verfasser dieser Arbeit analysierten Tageszeitungen taten im Gegensatz zur Aussage Zorn recht viel „um das deutsche Volk über die Haager Konferenz in richtiger Weise zu unterrichten“. Leider war es nicht möglich für diesen Zeitraum die Kölnische und Frankfurter Zeitung einzusehen, so daß diese Behauptung Zorns unwidersprochen stehen bleiben muß.

Vossische Zeitung, 21.5.1899, S.1.

Martin Rade (1857-1940) war ab 1904 als a.o. Professor für systematische Theologie in Marburg beschäftigt und gab seit 1886 die „Christliche Welt“ heraus, deren Ziel es war, die Auseinandersetzung zwischen Christentum und moderner Welt zu diskutieren. Rade selbst war Mitbegründer des Evangelischen Bundes (1886) und des Evangelisch-Sozialen Kongresses (1890) und arbeitete zeitweise auch in der Deutschen Friedensgesellschaft aktiv mit. Sein entschiedenes Eintreten für Meinungsfreiheit, evangelische Freiheit und den Schutz von Minderheiten im deutschen Reich und in der Welt ließen ihn zu einem hochgeachteten Mann werden, der großen Einfluß hatte. (Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Band IV, Tübingen 1930, Sp. 1678)

Christliche Welt, 13. Jg. 1899, S.973 f.

Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung, 32. Jg. 1899, Sp. 447.

Vgl. Neue Preußische Zeitung, 31.5.1899, S.1.

Deutsche Rundschau, Juli 1899, S. 87-108.

Der Leitartikel war nicht namentlich gezeichnet, es ist aber davon auszugehen, daß Harden als Redakteur der Zukunft ihn verfaßt hat.

Die Zukunft, 20.5.1899, S. 334.

Dieser Gedanke war neu und tauchte auch in keinem weiteren Artikel der durchgesehenen Zeitungen auf. Die Idee der Kriegsdienstverweigerung, die heute synonym verwandt wird mit dem Begriff Pazifismus, war zur Jahrhundertwende nur vereinzelt zu finden. In Deutschland setzte sie sich erst langsam nach dem ersten und besonders nach dem zweiten Weltkrieg durch, ohne jedoch eine breite Massenbasis zu gewinnen.

 


Vorwärts, 30.8.1898, S.1.

Zwischen Rußland und England; vgl. Kapitel 1.1. dieser Arbeit: Vorgeschichte und Zustandekommen der Haager Konferenz.

Vorwärts, 30.8.1898, S.1.

Vorwärts, 30.8.1898, S.1.

Vorwärts, 4.9.1898, S.1. Alle folgenden Angaben stammen aus diesem Artikel.

MEW Bd. 22, S.371 ff.

Engels Überlegungen wichen von den Vorschlägen des Zaren in der Tendenz nicht allzuweit ab: Abrüstung ist möglich auch in der bürgerlichen Gesellschaft.

Suttner, Bertha von: Memoiren S. 429/30.

Ebd. S.430. Die von Hartmut Henicke in seinem Artikel: „Die deutsche Sozialdemokratie und das Zarenmanifest 1898“ in: Klein/Aretin: Europa um 1900. Berlin 1989 vertretene Position, daß Bebel ablehnte, um „der Partei die Möglichkeit der Kritik an der „Friedenspolitik“ der Regierungen offen zu halten“ (ebd. S.371), ist so nicht zutreffend. Bebel lehnte aus den oben genannte Gründen ab. Auch ist der Beitrag von Henicke in der Tendenz viel zu positiv gehalten. Die deutsche Sozialdemokratie war nicht grundsätzlich gegen Abrüstung und Schiedsgerichte eingestellt blieb aber der schärfste Kritiker des Zarenmanifestes im Kaiserreich.

Kautsky, Karl: Demokratische und reaktionäre Abrüstung. in: Die Neue Zeit, 16. Jg. 1897/98, 2.Bd., S.740 ff.

Ebd. S. 742.

Ebd. S. 746.

Kirchhoff, Arthur (Hrsg.): Männer der Wissenschaft über die Friedens-Konferenz. Mit Vorwort von Rechtsanwalt Dr. jur. Halpert, Berlin 1899.

Ebd. S. 29f.

Auf die befragten ausländischen Wissenschaftler soll hier nicht eingegangen werden, da sich das Thema der Arbeit ausschließlich auf die deutschen Öffentlichkeits­re­aktionen beschränkt.

Ebd. S. 16.

Ebd. S. 2.

So Prof. Wagner (Staatswissenschaftler in Berlin), ebd. S.29.

So Prof. Laband (Prof. für deutsches Recht in Straßburg), ebd. S.11.

So Staatsrechtsprofessor Rehm aus Erlangen, der meinte, daß „der chinesisch - japanische, der türkisch - griechische, wie der spanisch - amerikanische Krieg der letzten Jahre bei Vorhandensein eines Schiedsgerichtes zu vermeiden gewesen wären.“ Ebd. S.13.

Ebd. S.24f.

Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955, S. 12.

Ebd. S.12.

Delbrück, Hans: Krieg und Politik. Bd.1, S. 3. (Zitat bei Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955, S. 12 f.)

Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955, S. 15 f.

Preußische Jahrbücher, Bd.95, 1898, S.188.

Ebd. S.189.

Preußische Jahrbücher, Bd.96, 1899, S.203-229.

Ebd. S. 204.

Die Berufung auf Gott ist bei Delbrück keinesfalls als  Floskel zu verstehen. Delbrück war tief den preußisch - protestantischen Traditionen verhaftet; sein Denken war außerdem von der seit der Aufklärung propagierten Vernunft- und Fortschritts­gläubigkeit und von der Hegelschen Philosophie geprägt. (Vgl. dazu Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955, S.151 ff.) In diesem Zusammenhang sei auch an den Ausspruch Otto von Bismarck erinnert, der zur Begründung der Wehrvorlage 1888 im Reichstag gefallen war: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt, und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen läßt.“ (Zitat bei Engelberg, Ernst: Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990, S. 508.) War auch die Gottesfurcht nicht allein ausschlaggebend für die bismarcksche Friedenspolitik nach 1871, so bezeichnet sie doch eine Grundhaltung des Staatsmannes, die nicht ohne weiteres zu entkräften ist. Der erste Teil des Ausspruches Bismarcks wurde von der deutschen Öffentlichkeit aufgenommen und in einer Art rezipiert, wie sie der Reichskanzler nicht beabsichtigt hatte. Dies zeugt von einem neuen deutschen Selbstbewußtsein, das in den 1890er Jahren und mit dem Übergang zur Weltpolitik  voll zum Tragen kam. (Ebd. S. 508)

Preußische Jahrbücher, Bd.96, 1899, S. 205.

Bloch, Johann von: Der Krieg. 6 Bände, Berlin 1899.

Preußische Jahrbücher, Bd.96, 1899, S. 208.

Ebd. S. 221.

Abschreckung als Begriff wurde von Delbrück selbst nicht gebraucht. Aber das Verhältnis der Mächte, das er beschrieb, das mitbestimmt wird vom technischen Rüstungsgrad, ist als das Prinzip der Abschreckung zu verstehen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, nach der Erfindung der Atombombe und der Blockbildung, konnte sich dieses voll durchsetzen.

Preußische Jahrbücher, Bd.96, 1899, S. 223.

Die „soziale Frage“ beschäftigte Delbrück als Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“ fortwährend. Für ihn stellte sie sich als „Arbeiter- und Handwerkerfrage“ dar, die dem Staat die sittliche Pflicht auferlege, den „sozialen Status“ der Arbeiter zu verbessern. Dabei sollte der Arbeiter keine Spenden erhalten, sondern ihm sollte ein Recht auf soziale Absicherung zugesprochen werden. Der Grundgedanke in der sozialen Frage bei Delbrück war, daß man die Arbeiterschaft für den Staat gewinnen müsse, um somit einer sozialen Revolution entgegen zu wirken. Sein Verhältnis zu Adolf Stöcker, der ähnliche Ziele verfolgte, war eher ablehnend. Einerseits sah er in Stöcker einen Demagogen, der geprägt war von Orthodoxie und religiösem Fanatismus - Eigenschaften die Delbrück ablehnte - andererseits würdigte er jedoch sein „enormes Talent“.  Das Verhältnis zu Friedrich Naumann gestaltete sich günstiger als das zu Adolf Stöcker. Die Gründung des National - Sozialen Vereins entsprach auch seinen Vorstellungen, jedoch war Delbrück später nicht bereit den weitgehenden demokratischen Vorstellungen Naumanns, dargelegt in dem Buch „Demokratie und Kaisertum“, zu folgen.  (Vgl. dazu Thimme, Annelise: Hans Delbrück als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. Düsseldorf 1955, S. 44 - 77.)

Preußische Jahrbücher, Bd.96, 1899, S. 223f.

Ebd. S. 225.

Ebd. S. 227.

Ebd. S. 228.

Ebd. S. 228f.

In den 1890er Jahren stand Harden den konservativen Agrarierkreisen um Otto von Bismarck sehr nahe, hielt aber, ähnlich wie Friedrich Naumann, einen „christlichen Sozialismus“ für möglich und nötig. (Naumann arbeitete bis 1900 aktiv an der „Zukunft“ mit und veröffentlichte dort zahlreiche Artikel.) Zur Zeit der Zuchthausvorlage, 1899,  vertrat Harden dagegen die Position der Sozialdemokratie. (Vgl. zur Zuchthausvorlage den Artikel in der „Zukunft“ vom 17.6.1899.)(Vgl. zur Person und seiner politischen Einstellung: Young, Harry F.: Maximilian Harden, Censor Germaniae. Münster 1971.)

Die Zukunft, 3.9.1898, S. 401.

Die Zukunft, 15.10. 1898, S. 106-112.

Kant, Immanuel: Zum  ewige Frieden. Ein philosophischer Entwurf; Texte zur Rezeption 1796 - 1800, herausgegeben von Manfred Buhr und Steffen Dietzsch, Leipzig 1984, S. 7.

Friedrich Gentz z.B. kritisierte bereits 1800, in dem von ihm herausgegebenen „Historischen Journal“, den europäischen Föderationsgedanken Kants (Zweiter Definitivartikel zum ewigen Frieden: „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein“) und die Durchsetzbarkeit von Beschlüssen in einem Staatenbund mit folgenden Worten: „Es ist unmöglich anzunehmen, daß sich jeder einzelne Staat dem Ausspruch des obersten Gerichtshofes (eines Staatenbundes - M.B.) gutwillig unterwerfen würde. So wie im Innern der Staaten sehr oft die Gewalt ins Mittel treten muß, um das Recht zur Vollziehung zu bringen, so würde auch in den Prozessen der Völker und vielleicht noch öfter als in den Privatverhältnissen die Notwendigkeit einer durch Zwangsmaßregeln gesicherten Vollziehung der richterlichen Entscheidung obwalten. Nun sind aber Zwangsmaßregeln gegen einen Staat nie etwas anderes als Krieg; mithin wäre selbst in dieser Verfassung der Krieg unvermeidlich (Ebd. S. 276).

Deutsche Revue, 23. Jg., November 1898, S. 129-135.

Ebd. S. 238.

Deutsche Revue, 24. Jg., Februar 1899, S. 159-174.

Kirchner, Joachim: Geschichte des Deutschen Zeitschriftenwesens. Teil II, Wiesbaden 1962 S. 346.

Schlief vertrat in der „Deutschen Friedensgesellschaft“ die völkerrechtlich orientierte Richtung, wogegen er die  „ethisch-philanthropische“ Richtung, vertreten z.B. von Bertha von Suttner, als „Schaumschlägereien“ ablehnte. (Vgl. dazu Scheer, F.K.: Die Deutschen Friedensgesellschaft (1892 - 1933), Frankfurt a.M. 1983, S.85 und 211 f.)

Darunter verstand Schlief z.B. die Elsaß-Lothringen Frage.

Hier stand er der oben dargestellten Ansicht von Delbrück sehr nahe, ohne jedoch der Argumentation weiter zu folgen. Für Schlief war Abrüstung nämlich nicht undenkbar, sondern erst nach einer Verständigung der Mächte untereinander möglich.

Nord und Süd, Heft 262, März 1899, S. 212-221.

Deutsche Rundschau, Oktober 1898, S. 145ff.

Boguslawski, Alfred von: Der Krieg in seiner wahren Bedeutung für Staat und Volk. Berlin 1892.

Deutsche Rundschau, November 1898, S. 261-269.

Zur Person Friedrich Naumann vergleiche die Biographie von Theodor Heuss: Friedrich Naumann. Der Mann - Das Werk - Die Zeit, 1949.

Die Hilfe, 4.9.1899, S.2.

Die Hilfe, 11.9.1899, S. 1 f.

Hier hieß es in einem fiktiven Selbstgespräch eines russischen Bauers: „Ach ja, Friede für uns! Den Frieden werde ich haben, wenn ich tot bin. Jetzt will man keine Kriege mehr führen, jetzt wird man den Bauern gleich gar nicht mehr achten. Man braucht uns, wenn man viel Soldaten braucht. (...) Das aber sage ich: wenn man den Bauern nicht mehr braucht, läßt man ihn verfaulen. Ich bin ein alter Mann. Gott segne den Zar!“ Ebd. S.1.

Scheer, F.K.: Die Deutsche Friedensgesellschaft (1892 - 1933) Organisation, Ideologie, politische Ziele. Frankfurt 1983, S. 171.

Vgl. dazu: Naumann, Friedrich: Demokratie und Kaisertum, Berlin 1900.

Theodor Heuss: Friedrich Naumann. Der Mann - Das Werk - Die Zeit, 1949, S. 121.

Ebd. S. 122.

Genesis 31, 36 und 37.

Vgl. dazu Reibstein, Ernst: Völkerrecht Bd.1, Freiburg; München 1958, S. 173 ff.

Ebd. S. 190 ff.

Reibstein, Ernst: Völkerrecht Bd.2, Freiburg; München 1963, S. 183.

Reibstein formulierte diesen Gegensatz folgendermaßen: „Das amerikanische Bestehen auf Prinzipien, die von der vernünftigen Natur des Menschen, nicht von den politischen Interessen einzelner Länder oder Epochen geprägt sind, und andererseits, das unüberwindliche englische Mißtrauen gegen alle Prinzipien, an deren Ausarbeitung die eigene Regierung nicht beteiligt war und deren Tragweite nicht durch konkrete Anwendungsfälle historisch nachweisbar ist - dieser Gegensatz wurde in dem Washingtoner Schiedsvertrag auf dem Boden eines Rechtes überbrückt, dem die scharfe Unterscheidung zwischen materiell - rechtlichen und prozessualen Normen ebenso fremd geblieben ist wie sie dem älteren deutschen und auch dem römischen Recht fremd war.“ Ebd. S. 186.

Ebd. S.190.

Botschafter Graf P. Hatzfeld an Otto von Bismarck, 22.12.1889, GP. Bd. 7, 1674. (Zitiert bei Reibstein, Ernst: Völkerrecht Bd.2, Freiburg; München 1963, S. 191 f.) Vgl. zur Bismarckschen Außenpolitik Ende der 1880er Jahre: Engelberg, Ernst: Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990, S. 546 ff.

Vgl. dazu Dehio, Ludwig: Gleichgewicht oder Hegemonie, München 1948 und Duchhardt, H.: Gleichgewicht der Kräfte, 1976.

Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Band 2, Freiburg; München 1963, S. 175.

Im Text der „Heiligen Allianz“ hieß es: „Sie (der Kaiser von Rußland, der König von Preußen und der Kaiser von Österreich - M.B.) erklären feierlich, daß der gegenwärtige Akt nur den Zweck hat, im Angesicht der ganzen Welt ihre unerschütterliche Entschlossenheit zu bekunden, sowohl in der Verwaltung ihrer Staaten wie in ihren politischen Beziehungen mit anderen Regierungen allein die Gebote (der) heiligen Religion zur Richtschnur ihres Verhaltens zu machen, die Gebote der Gerechtigkeit, der Liebe und der Friedfertigkeit, die keineswegs bloß für das Privatleben gelten, sondern im Gegenteil unmittelbar auf die Entschlüsse der Fürsten Einfluß üben und alle ihre Schritte lenken müssen, da sie das einzige Mittel sind die menschlichen Institutionen zu festigen und ihren Unvollkommenheiten abzuhelfen.“ (Zitat bei Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Band 2, Freiburg; München 1963, S. 176 ff.)

Ebd. S.180 f.

In der Berliner Kongo-Akte vom 26.2.1885 wurde das Publizitätsprinzip ins Völkerrecht eingeführt. Dort hieß es: „Art 34. Diejenige Macht, welche in Zukunft von einem Gebiete an der Küste des afrikanischen Festlandes, welches außerhalb ihrer gegenwärtigen Besitzungen liegt, Besitz ergreift, oder welche, bisher ohne dergleichen Besitzungen, solche erwerben sollte, desgleichen auch die Macht, welche dort eine Schutzherrschaft übernimmt, wird den betreffenden Akt mit einer an die übrigen Signatarmächte gerichteten Anzeige begleiten, um dieselben in den Stand zu setzen, gegebenenfalls ihre Reklamationen geltend zu machen.“ Zitat bei Reibstein, Ernst: Völkerrecht. Band 2, Freiburg; München 1963, S.558 f.

 


Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? S. 39.

Ebd. S. 39.

Diese Aussage Bülow deckt sich nicht ganz mit dem Aktenbefund. In der „Großen Politik der Europäischen Kabinette“ ist dieses Telegramm Wilhelm II. in englischer Sprache zu finden ( Bd. 15. S.251 f.), beginnt jedoch mit den bereits oben zitierten Worten. (Vgl. Fußnote 1) und erwähnt weder die „herrlichen Siege der russischen Waffen“, noch betont es die „Notwendigkeit, das russische Schwert scharf zu halten“. Der Text des gesamten Telegramms lautet folgendermaßen: „Fürst Radolin hat mir auf Deinen Befehl die Denkschrift über den Vorschlag einer internationalen Konferenz zwecks allgemeiner Abrüstung mitgeteilt. Diese Anregung rückt wieder einmal Deine reinen und erhabenen Beweggründe, von denen Deine Ratschläge eingegeben werden, ins helle Licht und wird Dir den Beifall aller Völker erwerben. Die Frage selbst - theoretisch ein scheinbar einfacher Grundsatz -  ist in der Praxis, befürchte ich, außerordentlich schwierig, in Anbetracht der großen Empfindlichkeiten der Beziehungen und Stimmungen der verschiedenen Nationen zueinander, ebenso auch in Hinblick auf die sehr verschiedene Entwicklung ihrer jeweiligen Geschichte. Können wir uns z.B. einen seiner Armee persönlich befehligenden Monarchen vorstellen, der seine durch hundert Jahre alte Geschichte geweihten Regimenter auflöst und ihre glorreichen Fahnen den Wänden der Zeughäusern und Museen überweist (und seine Städte dem Anarchismus und der Demokratie ausliefert)? Dies indessen nur nebenbei. Die Hauptsache ist die Menschenliebe, die Dein warmes Herz erfüllt, und die Dich zu diesem Vorschlage treibt, dem interessantesten und überraschendsten in diesem Jahrhundert! Ehre wird hinfort von der ganzen Welt auf Dich gehäuft werden; sogar wenn der praktische Teil infolge der Schwierigkeiten im einzelnen fehlschlagen sollte. Meine Regierung wird der Angelegenheit ihre ernsthafteste Aufmerksamkeit zuwenden. Willy“ (Übersetzung bei Schwertfeger, Bernhard: Die Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes 1871 - 1914. Ein Wegweiser durch das große Aktenwerk der Deutschen Regierung, Dritter Teil, Berlin 1927, S. 283f.)

Bülow: Denkwürdigkeiten. Bd.1, S. 237.

GP Bd. 15, S.146.

GP Bd. 15, S. 150.

GP Bd. 15, S.149 f.

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? S. 41.

Mommsen, Wolfgang J.: Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870 bis 1914., Frankfurt a.M.; Berlin 1993, S. 140f.

Handbuch der europäischen Geschichte. Band 6: Europa im Zeitalter der Nationalstaaten und europäische Weltpolitik bis zum ersten Weltkrieg. Stuttgart 1968, S. 113.

Wenn im weiteren Verlauf der Arbeit von deutschen Zeitungen und Zeitschriften in der Gesamtheit die Rede ist, handelt es sich immer um die oben genannten bzw. im Literaturanhang aufgeführten vom Autor durchgesehenen Blätter.

Hierbei gilt es aber zu betonen, daß eine scharfe Trennung zwischen „Skepsis“ und „Zustimmung“ nicht immer einzuhalten war. Die Argumentationen waren stellenweise nur in Nuancen verschieden. Trotzdem erscheint die Unterteilung sinnvoll. Die konservativen Stimmen waren in der Gesamttendenz kritischer und zweifelnder.

Kladderadatsch 51. Jg. Nr. 36, 4.9.1898.

Berliner Tageblatt, 29.8.1898, S1.

Zu Vorschlägen, die in dieser Hinsicht bis 1898 bereits gemacht wurden, vergleiche A.H.Fried Handbuch der Friedensbewegung Teil 1 und 2, Berlin 1911/13.

Vossische Zeitung, 29.8.1898, S.1.

Ebd. S.1.

Germania, 30.8.1898, S.1.

Berliner Tageblatt, 29.8.1898, S.1 und Germania, 30.8.1898, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 29.8.1898, S.1.

Zitiert aus Germania, 30.8.1898, S.1.

Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung, Jg. 1898, Sp. 871.

Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung, Jg. 1898, Sp. 890.

Allgemeine Evangelisch - Lutherische Kirchenzeitung, Jg. 1898, Sp. 895.

Allgemeine konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland, 1898, 55. Jg. S.1091.

Neue Preußische Zeitung, 31.8.1898, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 14.9.1898, S.1.

Neue Preußische Zeitung, 14.9.1898, S.1.

 


Vgl. dazu Koszyk, Kurt: Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. Geschichte der deutschen Presse Teil II, Berlin 1966, S. 243 ff.

1863 verwandte man erstmalig in Amerika Endlospapier bei der Herstellung von Tageszeitungen; 1873 wurde diese Neuerung in Österreich und kurzer Zeit später auch im Deutschen Reich eingeführt. Weiterhin muß auf die Verbesserungen in der Infrastruktur und die Neuerungen bei der Telekommunikation, wie Fernschreiber, Telegraph und Telefon, hingewiesen werden, die eine schnellere Verbreitung von Nachrichten ermöglichten. Vgl. dazu Bauer, Wilhelm: Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte. Leipzig 1930, S. 348 ff. und Rieger, Isolde: Die Wilhelminische Presse im Überblick 1888 - 1918. München 1957, S. 19 ff.

Von Otto von Bismarck sind 25 Bände mit von ihm verfaßten oder inspirierten Zeitungsartikeln überliefert. (Rieger, Isolde: Die Wilhelminische Presse im Überblick 1888 - 1918. München 1957, S.93.)

Hammann, Otto: Der neue Kurs. Berlin 1918, S. 72 ff.

1892 wurde z.B. der Evangelisch-Soziale Preßverband für die preußische Provinz Sachsen gegründet. Weiterhin wurde das Problem der Pressearbeit auf den Tagungen der Inneren Mission immer wieder reflektiert.

Tönnies, Ferdinand: Kritik der öffentlichen Meinung. Berlin 1922, S. 100 ff.

Erich Leupolt schrieb dazu in seinem  informativen Buch: Die Außenpolitik in den bedeutendsten politischen Zeitschriften Deutschlands 1890 - 1909. Leipzig 1933, S. 21, folgendes. „Die Zahl der Leser (von politischen Zeitschriften - M.B.) ist jedoch wesentlich höher anzusetzen als die der Bezieher. In Deutschland hatten sich zu jener Zeit (um 1900 - M.B.) überall Lesezirkel gebildet, in denen regelmäßig die für jeden einzelnen zu teuren Zeitschriften gemeinsam bezogen wurden. Zeitschriften wurden noch mehr als Zeitungen von Haus zu Haus weitergegeben. Und da sie besonders in den gebildeten Kreisen gelesen wurden, so ist der Einfluß dieser Zeitschriften auf die Bildung öffentlicher Meinungen keineswegs zu unterschätzen.“

Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 in der Internationalen Politik, Berlin; Frankfurt a.M.; Wien 1981.

Friedrich-Karl: Die Deutsche Friedensgesellschaft (1892-1933) Organisation, Ideologie, politische Ziele, Frankfurt a.M. 1981.

Riesenberger, Dieter: Die Deutsche Friedensbewegung. Von den Anfängen bis 1933, Stuttgart 1983.

Zorn, Philipp: Deutschland und die beiden Haager Friedenskonferenzen, Berlin 1920.

Fried , Alfred Hermann: Handbuch der Friedensbewegung (Teil I+II), Berlin,Leipzig 1911/13.

Der vollständige Wortlaut befindet sich im Anhang 1 dieser Arbeit.

Vgl. Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? S.29.

Ebd. S.30.

Ebd. S.30.

Ebd. S. 31.

Ebd. S. 34.

Ebd. S. 26.

Thomas, Ludmilla: Rußland 1900. In: Aretin/Klein: Europa um 1900. Berlin 1989, S. 114.

Eine ausgewogene Darstellung der Deutschen Friedensbewegung findet sich immer noch bei Friedrich-Karl Scheer, vgl. Fußnote 5 der Vorbemerkungen. Die Abhandlung Riesenbergers, vgl. Fußnote 6 der Vorbe­merkungen, ist dagegen eher unscharf in der Differenzierung.

Alle Angaben aus: Wehberg, Hans: Die internationale Beschränkung der Rüstungen. Stuttgart; Berlin, S. 174.

Ebd. S.175.

Vgl. zur Geschichte der Interparlamentarischen Union die Monographie von Ralf Uhlig: Die Interparlamentarische Union 1889-1914. Köln 1988.

Ebd. S. 194 ff.

 


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